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# taz.de -- Dokumentarfilm über Helge Schneider: Weg von hier, fort nach dort
> Die Filmemacherin Andrea Roggon lässt es zu, dass Helge Schneider aus
> ihrem Film „Mülheim Texas“ seinen ganz eigenen macht.
Bild: Freiheit gibt es nicht einfach so, „Freiheit muss man sich nehmen“, s…
„Mülheim Texas“. Stellt dieser Titel nun einen Sehnsuchtsvektor dar oder
eine Gegenüberstellung von Unvereinbarem? Vielleicht ja beides ein
bisschen, was ganz gut zu der uneindeutigen Kunstfigur Helge Schneider
passen würde, um die sich dieser Film dreht (der zwar auch das private
Setting des echten Helge Schneider aufsucht, dabei aber kaum darüber
hinwegtäuscht, dass stets die Kunstfigur für die Kamera agiert).
„Katzeklo“, „Möhrchen“ und ähnliche Gassenhauer mal beiseitegelassen,…
der Kern des Schaffens dieses traurigen Clowns immer auch eine Sehnsucht
nach der großen Welt, eine Sehnsucht, die unerfüllt bleibt, da sie sich an
der eigenen linkischen Unbeholfenheit und der Provinzialität der Herkunft
reibt.
Da ist die große Liebe zum Jazz, dessen in Deutschland nachgespielter
Variante etwas fehlt: der Resonanzraum der konkreten sozialen Erfahrungen
der Afroamerikaner. Und da ist die Leidenschaft für die künstlerische
Außenseiterboheme (beides verquickt in „Jazzclub“, einem der schönsten
deutschen Filme überhaupt), den Western und die mondänen französischen
Kriminalfilme.
## Alte BRD, graue Tristesse, Ruhrpott
Anders aber als etwa die Karl-May-Filme verleibt sich Schneider diese
Sehnsüchte nicht einfach nur ein, sondern zielt stets auf den Bruch und das
Unvereinbare, das bei solchen Kulturtransfers entsteht: Ähnlich wie die
Filme Christoph Schlingensiefs, in denen Schneider erste Kinoauftritte
hatte, handeln auch seine Hörspiele, Spielfilme, Bücher und Konzerte von
einem Deutschland, das immer an einem haften bleibt. Genauer: Von der alten
BRD, deren grauer Tristesse, vom Ruhrpott – und den kunterbunten
Fluchtpunkten, die sich die BRD der 60er und 70er wenigstens auf der
Jugendzimmertapete imaginiert hat.
Andrea Roggons lässiger, gelegentlich vielleicht etwas zu sehr in den
Seilen hängender Porträtfilm „Mülheim Texas – Helge Schneider hier und
dort“ bringt das sehr schön, sehr beiläufig auf den Punkt. Er beginnt schon
mit von goldenem Sonnenlicht durchwirkten Aufnahmen: Schneider auf dem
Motorrad auf irgendeiner Landstraße durch eine wüste Steppe – er fährt,
zottelt, feixt, nimmt uns mit auf eine Reise. Doch wo der Film dann
eigentlich hinwill, bleibt unklar, was ganz gut so ist, denn Schneiders
improvisierte Pointen – immer wieder gibt es auch lange Konzertausschnitte
– beziehen ihren Reiz ja gern auch mal aus dem kunstvollen Versanden.
Es gibt klassische Talking-Head-Situationen, vermeintliche Impressionen des
privaten Schneider, man sieht Schneider bei Proben, beim Drehbuchschreiben,
bei Aufnahmen für Alexander Kluges Fernsehformat „dctp“, bei Dreharbeiten
und Presseauftritten. Und immer wieder gibt es ausgedehnte, herrlich
alberne Impro-Miniaturen am Strand, auf dem See, in der Badewanne unter der
gleißenden Sonne, sowie: Autofahrten, Bootsausflüge, Rollerfahrten,
Spaziergänge, Wanderschaften – durch Mülheim, durch eine Westernlandschaft,
durch deutsche Landschaften. Stets ist dieser Schneider unterwegs: weg von
hier, fort nach dort, doch immer ganz bei sich.
## Dinge geschehen lassen
Viele Scherben und Fragmente also, die Roggon ohne Thesenüberbau aufliest,
wobei sie es sehr selbstverständlich zulässt, dass Schneider aus ihrem Film
seinen ganz eigenen macht.
Was für ein ödes Künstlerporträt hätte das werden können: Schlaglichter,
größte Erfolge, Weggefährten, solches Zeug. Nichts davon in diesem
unbekümmert freien Film, der sich einfach nur umschaut, Dinge geschehen
lässt. Freiheit gibt es nicht einfach so, „Freiheit muss man sich nehmen“,
sagt Schneider an einer Stelle barsch, springt jäh auf und flüchtet aus dem
Bild. Und sagt dann einfach: „Tschüss.“ Und bleibt doch stets in Mülheim.
23 Apr 2015
## AUTOREN
Thomas Groh
## TAGS
Dokumentarfilm
Helge Schneider
Helge Schneider
Komiker
Helge Schneider
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„00 Schneider. Im Wendekreis der Eidechse“ zu ganz großer Form auf.
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Bühne.
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vielleicht macht genau das seine neue Talkshow so entspannt.
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