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# taz.de -- Internationale Projekte: taz Gazete – freie Presse aus der Türkei
> Für türkische Journalist*innen ist es existenzsichernd, bei
> internationalen Medien wie taz gazete zu publizieren.
Bild: Burçin Tetik, Erk Acarer, Ali Çelikkan, Ebru Taşdemir, Michelle Demish…
von [1][Elisabeth Kimmerle ]
Der Oktober 2016 war ein schlechter Monat für die Presse- und
Meinungsfreiheit in der Türkei. Ein Vierteljahr nach dem [2][gescheiterten
Putschversuch] gegen die türkische Regierung wurden Murat Sabuncu, der
damalige Chefredakteur der Zeitung Cumhuriyet, und mehrere RedakteurInnen
von der Polizei festgenommen. Mit Notstandsgesetzen ließ die türkische
Regierung in der Folge 170 Zeitungen und Online-Nachrichtenseiten
schließen. Unsicherheit bestimmte von jetzt an den redaktionellen Alltag
von Journalist*innen regierungskritischer Medien.
Die taz solidarisierte sich mit den Kolleg*innen. Die Idee, taz gazete,
[3][eine deutsch-türkische Nachrichtenplattform für Journalist*innen in der
Türkei zu gründen], entstand. Zwei Jahre später ist der Großteil der
türkischen Medien in der Hand regierungsnaher Konzerne. Welche Zeitung die
Menschen in der Türkei auch aufschlagen, welches Fernsehprogramm sie auch
schauen, überall begegnet ihnen die Rhetorik der Regierung. Deren
Kritiker*innen werden als Terrorist*innen gebrandmarkt – ob nun
Journalist*innen, Menschenrechtler*innen, sogar Mütter. Die verbliebenen
unabhängigen Nachrichtenportale haben mit staatlichen Repressionen,
sinkenden Einnahmen und vor allem mit Selbstzensur zu kämpfen, denn jede
Nachricht kann sie zur Zielscheibe machen.
Noch immer leben türkische Journalist*innen in der ständigen Gefahr, wegen
ihrer Berichterstattung festgenommen zu werden. Umso wichtiger ist für sie
die Möglichkeit, bei internationalen Medien wie taz gazete zu publizieren.
Unsere Reporter*innen berichten über Themen wie soziale Bewegungen, Frauen-
und LGBTI-Rechte, Pressefreiheit, die kurdische Frage und Ökologie. So
entsteht eine thematische Vielfalt, die weit über die
Türkeiberichterstattung deutscher Medien hinausgeht.
Zugleich findet die türkische Leserschaft auf [4][taz gazete] Beiträge,
über die in türkischen Medien nicht berichtet wird. Etwa 50.000 Zugriffe
zählt unsere Plattform pro Monat. Zuletzt zeichnete sich ein interessanter
Trend ab: Kamen die Zugriffe Anfang 2018 vor allem aus Deutschland,
besuchten in den letzten Monaten immer mehr Menschen aus der Türkei unsere
Plattform. 55 Prozent der Klicks auf taz gazete kommen aus der Türkei bzw.
aus dem Ausland. Und noch etwas ist wichtig: Auch als Solidaritätsprojekt
unterstützen wir kritische Journalist*innen in der Türkei. Drei Honorare
von taz gazete entsprechen einem türkischen Monatsgehalt. Wer für uns
schreibt, kann sich nicht nur seinen Lebensunterhalt sichern, sondern
gleichzeitig für unabhängige Nachrichtenplattformen in der Türkei
schreiben, die meist nur ein geringes Honorar zahlen können. Das wäre ohne
die Querfinanzierung in vielen Fällen nicht möglich. Und das zeigt Wirkung:
Beinahe jeden Tag erreichen uns Anfragen von Journalist*innen aus der
Türkei, die ihre Arbeit verloren haben.
Der Redaktionsalltag bei taz gazete läuft etwas anders ab als bei deutschen
Zeitungen: Interviews, Berichte und Reportagen, die unsere Kolleg*innen in
der Türkei exklusiv für taz gazete schreiben, bekommen wir in türkischer
Sprache. Nach der Übersetzung ins Deutsche überarbeiten wir die Texte
redaktionell. Neben der sprachlichen Übersetzung erfordert das Redigat oft
auch eine kulturelle Übertragung. Denn das deutsche und das türkische
Publikum haben unterschiedliche Lesegewohnheiten und einen
unterschiedlichen Kenntnisstand. Schlagworte, die im Türkischen keiner
weiteren Erklärung bedürfen, müssen im Deutschen in einen Kontext gesetzt
werden. Manches, was für das türkische Publikum interessant ist, ist für
das deutsche Publikum zu detail- und voraussetzungsreich.
In unserer Redaktion in Berlin arbeiten derzeit Erk Acarer und Ali
Çelikkan, zwei Istanbuler Journalisten, die wegen politischer Repressionen
im Beruf nach Deutschland gekommen sind. Außerdem Canset İçpinar, Volkan
Ağar und Ebru Taşdemir, drei turko-deutsche Redakteur*innen, Burçin Tetik,
eine türkische Social Media-Redakteurin, die seit mehreren Jahren in Berlin
studiert und ich, eine türkeiaffine Journalistin. Außerdem ist taz gazete
zu einer Anlaufstation für Journalist*innen geworden, die aus der Türkei
nach Berlin geflüchtet sind.
In Kooperation mit Reporter ohne Grenzen unterstützte unser Projekt bisher
über ein Dutzend Kolleg*innen dabei, ein Arbeitsvisum zu bekommen und
diverse Behördengänge zu erledigen. So stärken wir durch taz gazete die
Presseund Meinungsfreiheit sowie die Zivilgesellschaft in der Türkei, die
eine zusätzliche Informationsquelle für unabhängige Nachrichten bekommt.
15 Nov 2018
## LINKS
[1] /!a36597/
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[3] /!163526/
[4] http://gazete.taz.de
## AUTOREN
Elisabeth Kimmerle
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