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# taz.de -- Die taz-Blattreform 2017: Formatnazis raus!
> Spielen, improvisieren, Regeln brechen: Wie die wilde taz Gründerzeit für
> die neue Zeitung zum Vorbild wurde.
IBild: So, oder so ähnlich, wird die neue Seite Eins der taz aussehen
von [1][JÖRN KABISCH]
„Who wants yersterday’s papers?“ sangen die Rolling Stones vor 50 Jahren,
und lieferten 1967 gleich selbst die Anwort: „Nobody in the world!“ Dass
sie mit Zeitungen, die gestrig wirken, nichts anzufangen weiß, ist ein
Ewigkeitswert der taz. „Wir warten nicht auf bessere Zeitungen“, lautete
gut zehn Jahre nach den Stones der Slogan zur Gründung einer neuen,
radikalen, linken, undogmatischen Tageszeitung.
Was kurze Zeit später an die Kioske kam, war oft herrlich improvisiert und
manchmal absolut unlesbar, voll mit originellen Sprüchen genauso wie mit
Stilblüten und ätzenden Säzzer-Kommentaren, aber immer lebendig, weil es um
eins ging: dem überkommenen Journalismus die Zunge zu zeigen.
Warum lohnt sich dieser Rückblick in die Historie? Nach fast 40 Jahren, in
denen die Zeitung gereift ist, die taz sich professionalisiert hat, ein
stilprägender Teil der öffentlichen Meinung in Deutschland geworden ist, so
wie es sich die taz-Gründer ins Programm schrieben? Ganz einfach. Weil die
Stones noch immer Recht haben! Gerade in der digitalen Ära. Tageszeitungen
sind heute nicht mehr das, was sie einst waren, nämlich die unangefochte –
nen Agendasetter der Medienlandschaft.
## Die Blattreform als Teil einer beginnenden Transformation
Es gibt dafür einen einfachen Grund: die Auflage. Es finden sich zunehmend
weniger Leser, Zeitungspublikum altert, und es gibt Alternativen, vor allem
im Netz. Wenn Sie ab dem 2. Oktober 2017 die taz in einem neuen Layout
sehen, dann ist dies nicht einfach nur ein neues Kleid für die Zeitung. Es
ist Teil einer beginnenden Transformation, in der die Zeitung Tageszeitung
bleiben will, aber nicht mehr nur Tageszeitung bleiben kann.
Die Etablierung als Tageszeitung, also eine mit großem T, war das Ziel der
Layoutreform von 2009: ein Blatt aus einem Guss, zuverlässig und
aufgeräumt, das dem Bild entgegenkommt, das der gedachte Zeitungsleser von
einer normalen Tageszeitung hatte. Eine taz, die erwachsen geworden ist,
die breite Leserschichten ansprechen will. Das Layout von 2009 war schon
nach wenigen Monaten in Teilen ein wenig überholt, denn es war noch für den
Schwarz-Weiß-Druck entwickelt worden, die taz aber druckte bald durchgehend
in Farbe.
Die letzten Jahre haben außerdem gezeigt, dass die Ordnung dieses Layouts
die Experimentierfreude hemmte. Weil Gestaltungsfreiheit zur taz gehört,
behaupteten manche sogar bissig, dass neue Layout habe eine neue
Redakteursrolle geboren: den sogenannten „Formatnazi“. It’s yesterday’s
paper.
## Back to the roots
Im Einzelnen soll hier nicht aufgezählt werden, was sich ändert. Vielen mag
es als ein Schritt zurück vorkommen – mit dem wir aber mindestens zwei nach
vorne machen wollen. Zu Beginn der Arbeit an der Gestaltung haben wir mit
den freien Art-Direktoren Janine Sack und Christian Küpker viel in uralten
taz-Ausgaben geblättert. Die Wucht mancher dieser alten Seiten, gepaart aus
Spielwitz, Regelbruch und Improvisationswut hat uns oft mitgerissen.
Immer wieder andere Titel-Schriftarten, Fotos, die manchmal Seiten und Text
zerteilten. Unendlich vielfältig und doch immer taz. Die manchmal auch
unbeholfene „Do-it- yourself “-Anmutung kam uns frischer und unverbrauchter
vor als so manche Seiten jüngeren Datums. „Wow, ist das gut gealtert“,
sagte ein Teilnehmer der Entwicklungsgruppe, vor allem nachdem Janine und
Christian sich von dem Chaos hatten inspirieren lassen. Sie entschlackten
und befreiten das bisherige Layout, räumten mit Kästen auf, strichen
Etiketten, Signets und jene petrolgrüne Farbbänder, die wie Leuchtreklamen
über den Seiten prangten.
## Einladung zum Regelbruch
Insgesamt soll das neue Layout wieder mehr zum Regelbruch einladen.
Formatnazis raus. Ganz programmatisch steht dafür die Seite 1: Wir drucken
dort bis zum linken Rand, moderne Technik in unseren Druckereien macht es
möglich. Die Titelseite bekommt mehr Gestaltungsspielraum, um das zu
erzeugen, was wir den taz-Moment nennen.
Oh Gott ja: die Eins, die einem in Erinnerung bleibt, nicht nur, wenn ein
Bayer Papst wird. Und weil wir in einer Zeit leben, in der wir ständig mit
Bildern behagelt werden, haben wir die Möglichkeiten geschaffen, auf der
Titelseite, aber auch im Innenteil auf Bilder und Illustrationen
gegebenenfalls zu verzichten und stattdessen eine andere Stärke gleich
mehrzeilig auszuspielen: die Überschriften.
## Und trotzdem: Die taz bleibt wiedererkennbar
Vom bisherigen Layout verabschieden wir uns nicht ganz. So wird
beispielsweise die Laufschrift der Texte in der neuen taz immer noch die
Antiqua sein, die einst der Schriften-Designer Lucas de Groot für die taz
geschnitten hat. Nicht nur hier bleibt die taz wiedererkennbar. Die
tägliche Zeitung ist das Mutterschiff der taz. Aber dieses Schiff fährt
schon länger im Konvoi – unter anderem mit taz.de, taz.am wochenende,
taz.gazete, taz.meinland, taz.lab und seit Kurzem dem neuen Magazin
FUTURZWEI.
Ein leichteres, wendigeres Boot passt da besser. Wir wollen mit der
Gewichtsverlagerung auch redaktionell mehr Ressourcen und Kapazitäten für
die anderen Kanäle der taz schaffen. Bei der Überarbeitung des Innenteils
sind wir dem Leitgedanken „Mehr Tiefe statt Breite“ gefolgt. Kurzmeldungen
werden Sie künftig weniger finden, dafür haben wir mehr Platz für eigene
Berichte, Interviews und Reportagen geschaffen.
## Wie soll die Tageszeitung von morgen aussehen?
Die Tageszeitung von morgen, da sind wir sicher, muss noch mehr Leseartikel
sein als Aktualitätsmedium. Das Magazinkonzept, das seit Jahren die ersten
vier bis fünf Seiten prägt, haben wir deshalb ausgedehnt. Und wir werden
künftig ein Thema auf zwei Seiten in einer Nahaufnahme präsentieren,
hervorragend recherchiert und erzählt, bestens fotografiert und
illustriert.
Was ist die Zeitung, was ist die taz von morgen? Wir hoffen, das neue
Layout schafft uns Raum und Freiheiten, die Antworten, die wir schon heute
haben, auszuprobieren und auch ganz neue zu finden. Wenn Sie dazu eine Idee
haben, wenn Sie das Layout zu neuen Gedanken inspiriert, schreiben Sie uns
an [2][[email protected]]. Damit die Stones auch in fünfzig Jahren noch Recht
haben. |
26 Sep 2017
## LINKS
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## AUTOREN
Jörn Kabisch
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