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# taz.de -- Holzkirchen gegen den Hass: Im Vorhof zum Paradies
> Holzkirchen setzt ein Zeichen gegen Angstparolen und Hass. Kann die
> Gemeinde auch steigenden Mieten und dem Verkehrskollaps trotzen?
Bild: Anarchisches Bayern oder Idylle? Eine Gemeinde im Wandel
von [1][ANDREAS RÜTTENAUER]
Einer der berühmtesten Söhne Holzkirchens war ein berüchtigter Mann. Georg
Jennerwein war sein Name. Er war ein Herumtreiber, ein notorischer
Aufreißer und ein Wilderer. 1877 wurde er von einem Jagdgehilfen
erschossen.
Im November, wenn sich sein Todestag zum 140. Mal jährt, werden wohl wie
jedes Jahr an diesem Tag leere Patronenhülsen auf seinem Grab in Schliersee
abgelegt werden. Denn der Jennerwein wird bis heute verehrt. Er steht für
das anarchische Bayern. Gibt es das heute noch? Und finden sich etwa im
Holzkirchen von heute immer noch Spuren dieser Unangepasstheit?
## Hort der Aufmüpfigen
Die Marktgemeinde mit ihren gut 16.000 Einwohnern wird heute wohl kaum
einer als Hort der Aufmüpfigen bezeichnen. Und doch tut sich etwas in
Holzkirchen. Wie so oft in diesen Zeiten hat es etwas mit Geflüchteten zu
tun. Es haben sich Hunderte Bürgerinnen und Bürger in der Gemeinde
zusammengeschlossen, um den Neuen nach ihrer Ankunft am Ort das Gefühl zu
geben, dass da jemand ist, der sich um sie kümmert.
Der Helferkreis war schnell so groß, dass es ein hohes Maß an Organisation
erfordert hat, das Engagement zu bündeln. Widerständig ist das gewiss
nicht, eher anständig im besten Sinne. Und doch ist das, was in Holzkirchen
auf die Beine gestellt wurde, auch ein Zeichen gegen Angstparolen und Hass,
mit denen viele Stimmenfänger im Lande unterwegs sind.
## Einfach anpacken
Helfer und Interessierte sind in der vergangenen Woche zusammengekommen, um
eine neue Gemeinschaftsunterkunft in Augenschein zu nehmen. In einer
ehemaligen Polizeiwache können 35 Geflüchtete einziehen, die bis jetzt in
einer Traglufthalle am Ortsrand untergebracht waren.
Während in der Landeshauptstadt München heftig über das neue bayerische
Integrationsgesetz gestritten wird, bleibt einer Gemeinde wie Holzkirchen
nichts anderes übrig, als einfach anzupacken.
Und sonst? Es müsste doch alles in Ordnung sein in einer Gemeinde, die mit
ihren wachsenden Eigenheimsiedlungen so proper aussieht, dass man meinen
könnte, Ministerpräsident Horst Seehofer sei in Holzkirchen zu Besuch
gewesen, wo er meinte, Bayern sei so etwas wie der Vorhof zum Paradies.
## Bezahlbare Wohnungen?
Das ist ganz schön teuer geworden. Die Frage, wie lange sich eine
Erzieherin, die in einer der zahlreichen, neuen Einrichtungen arbeitet,
noch eine Wohnung in Holzkirchen leisten kann, versucht man inzwischen mit
kommunalem Wohnungsbau zu beantworten.
Die Nähe zu München sorgt für noch mehr Druck auf dem Wohnungsmarkt. Und
während in den Industriegebieten rund um den Ort die Geschäfte brummen,
fragt sich so mancher, der sich am engen Bürgersteig, der entlang einer
Bundesstraße durch den Ort führt, zum Marktplatz durchschlagen will, ob
nicht bald der Verkehrskollaps droht.
Es wird an einem neuen Verkehrskonzept gebastelt. Heiß diskutiert wird
gerade eine Umgehungsstraße. Die Gemeinde scheint an ihre Grenzen zu
stoßen. Aber sie kann sich darauf verlassen, dass sich genug Leute für ihre
Zukunft engagieren. Es gibt Stoff für konstruktiven Streit. Hören wir den
Holzkirchnern zu!
10 Feb 2017
## LINKS
[1] /Andreas-Ruettenauer/!a87/
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
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