# taz.de -- Die taz, ihr Neubau und die Nachbarn: Hoffnung baut mit | |
> Planer des Kreativquartiers Südliche Friedrichstadt setzen auf Dialog mit | |
> den EinwohnerInnen. Kann das klappen? | |
Bild: Passanten auf der Friedrichstraße, die auf ihren letzten Metern im Kiez … | |
Eine „Stadt in der Stadt“ will man errichten, hat der Architekt gerade | |
gesagt. Er hat ein Bild mit bunten Würfeln gezeigt und die „kleinteiligen | |
Strukturen“ darin erklärt: Musikstudios, Architekturbüros, Seminarräume, | |
Apartments. Von Synergien hat er gesprochen; davon, wie man „ins Quartier | |
hineinwirken“, Impulse für die Nachbarschaft generieren wolle. | |
Die ältere Dame mit den bunten Spangen im Haar hat dem Architekten ruhig | |
zugehört. Nun hebt sie die Hand: „Schön. Aber liegen da noch mehr Bomben? | |
Müssen wir noch mal evakuiert werden?“ | |
Ein Dienstagabend, am Rande des Besselparks in Kreuzberg. Auf der Brache | |
zwischen Jüdischem Museum und Checkpoint Charlie entsteht ein „Kunst-und | |
Kreativquartier“. Die ersten Baugruben sind ausgehoben. Drei Baugruppen, | |
die eine Jury aus Senat und Bezirk mit ihren Konzepten überzeugt haben, | |
stellen sich den Nachbarn vor. Sie tragen sperrige Namen wie Frizz 23, IBEB | |
oder Metropolenhaus. Und sie wollen in einen Kiez ziehen, der zu den | |
ärmsten Berlins gehört. Arbeitslosigkeit, Kinderarmut, 72 Prozent | |
Migranten. | |
Wie geht das zusammen? Können die neuen Nachbarn, die um den einstigen | |
Blumengroßmarkt herum bauen und zu denen auch die taz gehört, dem Kiez | |
etwas geben? Oder droht eine Spaltung der Gegend in neu und aufstrebend | |
versus alteingesessen und abgehängt? | |
## Heikle Veranstaltungen | |
Veranstaltungen wie die am Dienstag sind heikel für Bauherren. Kann sein, | |
dass keiner kommt – dann wäre es nicht geglückt, Kontakt zur Umgebung | |
herzustellen. Oder es kommen viele, die empört sind – weil sie Aufwertung | |
fürchten, Mietsteigerung, Gentrifizierung. | |
Auch werden Baugruppen durch Sabotage und Farbbeutel behindert, etwa in | |
Friedrichshain: Viele Bauherren sparen sich solche Anwohnerdialoge deshalb. | |
Die drei Baugruppen und die taz aber suchen das Gespräch. | |
Sie wollen eine Bereicherung sein für die Gegend – kein Ufo, das dort | |
landet. Deshalb haben sie eine „Bauhütte“ an den Besselpark gestellt, eine | |
gelbe Bretterbude, die als Treffpunkt dienen soll. Und sie laden die | |
Nachbarn zum Gespräch. | |
Gekommen sind an diesem Abend etwa 20 meist ältere Herrschaften, dazu fast | |
dreimal so viele Architekten, Projektentwickler und Miteigentümer. Die | |
Synergien, die modularen Räume interessieren die Nachbarn weniger – | |
vielleicht können sie sich auch nichts darunter vorstellen. Was sie wissen | |
wollen, ist konkret: Wo werden die Neuen parken? Warum wurden so viele | |
Bäume gefällt? | |
Der Vertreter der Baugruppe IBEB betont, dass man bewusst auf teure | |
Penthouses verzichte und die Gastronomie günstig halten werde. „Wir wollen | |
die Anbindung an den Kiez.“ Leicht wird das nicht, das wird an diesem Abend | |
klar. Aber es ist auch nicht unmöglich. | |
## Wie war das jetzt mit der Bombe? | |
Die Architektin, die für das Metropolenhaus spricht, zeigt, wie es gehen | |
könnte: Die Baugruppe macht als einzige ernst mit dem sozialen Anliegen. | |
Sie hat einen gemeinnützigen Verein gegründet und veranstaltet während der | |
laufenden Bauarbeiten Workshops mit Kindern der nahen Grundschule. | |
Wenn das Gebäude fertig ist, sollen im Erdgeschoss Projekträume günstig an | |
lokale Initiativen vermietet werden; im ersten Stock soll es kleine | |
Ladenflächen geben. Querfinanziert wird das durch Eigentumswohnungen. Die | |
sind, um Spekulation mit Ferienwohnungen zu unterbinden, groß geschnitten | |
und für 15 Jahre nutzungsgebunden. Während die Architektin spricht, nicken | |
einige. „Na, dann baut mal. Vielleicht komme ich mal vorbei“, sagt eine | |
Frau. | |
Aber wie war das jetzt mit der Bombe? Der Architekt, in dessen Baugrube | |
kurz hintereinander zwei Weltkriegs-Blindgänger geborgen wurden, | |
entschuldigt sich für die Unannehmlichkeiten. Weitere Funde erwarte man | |
nicht. Auf eine Bombenstimmung hoffe er trotzdem. | |
Bombig oder explosiv: Wie die Stimmung rund um das neue Kreativquartier | |
wird, hängt davon ab, wie ernst es die „Neuen“ mit dem Dialog meinen. | |
[1][NINA APIN] | |
9 Nov 2015 | |
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## AUTOREN | |
Nina Apin | |
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