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# taz.de -- Der Spielverderber
Überschaubar sind die Erfolge des Bad Gandersheimer
Dom-Festspielintendanten Christian Doll als Regisseur. Zu den größten
zählt, dass er 2006 in der Kritikerumfrage des nordrheinwestfälischen
Bühnenkunstmagazins Theater pur mit seiner Düsseldorfer Studio-Inszenierung
von „Der Tod in Venedig“ nach Thomas Mann eine Nennung für den ersten Platz
erhielt.
Das hört sich niedrigschwellig an, scheint dem 42-Jährigen aber wichtig.
Denn immerhin taucht die Auszeichnung auf der Homepage seiner Agentin auf.
Als einzige. Und tatsächlich ist sonst der Tenor der Kritik eher verhalten,
nett gesagt.
Denn die sieht Doll als Spezialisten für Klimbim und Remmidemmi, egal ob er
ein düsteres Endzeitdrama, einen Wirtschaftsthriller, Heinz Strunks
Gemüseroman oder eine Boulevardkomödie inszeniert. Insofern ist die
Intendanz ein Glücksfall. Sie reduziert Dolls Regie-Output. Und: Bei den
Festspielen, die am 4. 8. enden, kann er sich den Traum erfüllen, einen
Shakespeare zu machen. „Othello“ hat er sich vorgeknöpft, Premiere ist am
21. 6., und das, ähm, na, Sie wissen schon …!, das – Besetzungsproblem: Na,
das hat er pfiffig gelöst, indem er der Titelfigur eine Gorilla-Maske
verpasst. Mit besten Absichten: Der Kölner will mit dem Stück darüber
nachsinnen, ob „Othellos Rolle als Soldat ein wesentlicher Aspekt seiner
Fremdheit“ sei. Denn: „Wir lieben die Krieger nicht, die in Afghanistan und
Co. ihr Leben einsetzen.“
Ach, Gandersheim!, dass du Geburtsort des postantiken Dramas bist,
verbirgst du gut! Und solange das Publikum kommt, denkt auch keiner darüber
nach, ob’s nicht wildere und bessere Arten gäbe, der Hrotsvit von
Gandersheim zu gedenken, jener Nonne, die vor über 1.000 Jahren
Deutschlands erste Schriftstellerin war: Ihre von einer verstörend
expliziten Sado-Maso-Erotik grundierten Bühnentexte hätten ja Chancen in
den Theatern des 21. Jahrhunderts. Aber nicht in Gandersheim, so viel steht
fest. Und nicht bei einem Verderber aller Spiele. BES
14 Jun 2013
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BES
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