# taz.de -- Smart und sicher | |
> Die überwachte Stadt im digitalen Zeitalter | |
von Félix Tréguer | |
Am 28. Dezember 1948 veröffentlichte der Dominikanermönch und Logiker | |
Dominique Dubarle in der französischen Tageszeitung Le Monde einen der | |
ersten kritischen Artikel über die neuen Rechner, die in den USA während | |
des Zweiten Weltkriegs entwickelt worden waren. Darin unternimmt Dubarle | |
den Versuch, die politischen Folgen dieser neuen Technologie abzuschätzen. | |
Den Überwachungskapitalismus[1]antizipierend, warnt Dubarle davor, dass die | |
wachsenden Kapazitäten in der Datenspeicherung und -verarbeitung zur | |
„Entstehung eines außergewöhnlichen politischen Leviathans“ führen würd… | |
70 Jahre später ist mit der „intelligenten Stadt“ (smart city) Dubarles | |
Vision Wirklichkeit geworden. Nach den USA, China, den Golfstaaten und | |
Großbritannien ist nun auch in Frankreichs Rathäusern das Zeitalter der | |
Verwaltung per Algorithmus angebrochen. Und wie Dubarle vorausgesagt hat, | |
werden Informationstechnologien im öffentlichen Raum dafür genutzt, | |
Menschen- und Warenströme zu überwachen, zu analysieren, zu antizipieren | |
und zu kontrollieren. Neben der Bereitstellung von Daten und der | |
intelligenten Steuerung der Straßenbeleuchtung oder Müllabfuhr dient die | |
Smart City vor allem der Sicherheit. Deshalb spricht die Industrie auch nur | |
noch von der „safe city“, der sicheren Stadt. | |
Im Juni 2018 einigte sich die Stadt Nizza mit einem Konsortium von 15 | |
Unternehmen unter der Führung des Rüstungs- und Sicherheitskonzerns Thales | |
auf eine Testphase für die Safe City. Wie tief die Doktrinen aus der Welt | |
des Militärs bereits in die Verwaltungssprache eingedrungen sind, zeigen | |
die Behördenmitteilungen. | |
Da ist die Rede von „immer größeren Bedrohungen“, und „klimabedingte | |
Risiken“ werden auf die gleiche Stufe gestellt wie „menschliche Risiken“ | |
(Kriminalität oder Terrorismus). Derweil werden Fragen zu deren | |
ökonomischen, sozialen oder politischen Ursachen gar nicht erst gestellt, | |
geschweige denn mögliche Maßnahmen erörtert. | |
Stattdessen werden generalstabsmäßig „Situationen“ bewertet, „um Vorfä… | |
und Krisen zu antizipieren“, „schwache Signale zu identifizieren“, um | |
„Hilfe für die Planung“ bereitzustellen beziehungsweise „Voraussagen auf | |
der Basis von Szenarien“ zu treffen. All das geschieht im Rahmen einer | |
„Echtzeitverwaltung“ durch die Verarbeitung eines „Maximums vorhandener | |
Daten“ in einer „Hypervisions- und Kommandozentrale“.[2] | |
Die Stadt beschränkt ihre Arbeit nur noch darauf, die „Risikofolgen“ zu | |
verwalten, während der Polizei in der Safe City ähnlich weitreichende | |
Befugnisse erteilt werden wie im Spätabsolutismus. Sie soll Wissen über die | |
Bevölkerung sammeln und deren Verhalten steuern, indem sie auf bestimmte | |
Variablen einwirkt und damit Folgsamkeit und Produktivität sichert. | |
Wirklich neu ist daran lediglich, dass man das unscharfe Ziel, die | |
„öffentliche Ordnung“ aufrechtzuerhalten, aufgegeben hat und sich jetzt | |
darauf beschränkt, die Unordnung zu verwalten. Mit allen Trümpfen der | |
Informationstechnik in der Hand glauben die Technokraten, sie könnten auch | |
im | |
11 Jul 2019 | |
## AUTOREN | |
Félix Tréguer | |
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