# taz.de -- Die Karriere des Elliott Abrams | |
> Unter Reagan half er Stellvertreterkriege in Mittelamerika anzuzetteln, | |
> nun ist er Trumps Sonderbeauftragter für Venezuela | |
Bild: US-Außenminister Pompeo (rechts) und sein neuer Mann | |
von Eric Alterman | |
Als US-Außenminister Mike Pompeo den neokonservativen Provokateur Elliott | |
Abrams zum US-Sonderbeauftragten für die „Wiederherstellung der Demokratie | |
in Venezuela“ ernannte, sah die Presse darin einen Beleg für die | |
Eigenständigkeit Pompeos gegenüber Präsident Trump. Pompeos Vorgänger, Rex | |
Tillerson (einst CEO von Exxon), hatte schon gehofft, Abrams zu seinem | |
Stellvertreter machen zu können, aber Trump hatte das abgelehnt – trotz der | |
dem Vernehmen nach hartnäckigen Lobbyarbeit des rechten Großspenders | |
Sheldon Adelson, dem Trump ansonsten jeden Wunsch erfüllt. | |
Abrams hatte sich während des Wahlkampfs der Republikaner mit anderen | |
Neokonservativen gegen Trump gestellt. Trumps Schwiegersohn Jared Kushner | |
unterstützte Abrams, aber Präsidentenberater Steve Bannon bestärkte Trump | |
in seinem Nein. Den Ausschlag dürften allerdings weniger Abrams’ Angriffe | |
auf den späteren Präsidenten gegeben haben als vielmehr der Umstand, dass | |
er bei Trumpisten als „Globalist“ verrufen ist. | |
In einer Meldung der Agentur Bloomberg News hieß es, die Personalie | |
signalisiere eine Umorientierung hin zu „Positionen [und] außenpolitischen | |
Denkansätzen, die Trump während des Wahlkampfs noch verhöhnt hat – so etwa | |
[Abrams’] vehemente Unterstützung des Irakkriegs, den Trump lange Zeit | |
kritisierte. Doch Abrams hat sich offenbar, ebenso wie Trump, ein Stück | |
weit bewegt.“[1]Mit ähnlich besänftigenden Wendungen spielte Abrams seine | |
verbrecherische Rolle in der Iran-Contra-Affäre[2]unter Präsident Reagan | |
herunter. Dabei hatte er sich schuldig bekennen müssen, dem Kongress in | |
zwei Fällen Informationen vorenthalten zu haben, woraufhin er seine | |
Zulassung als Anwalt in Washington, D. C., verlor. George Bush senior | |
begnadigte Abrams, nachdem er sich bei der Präsidentschaftswahl 1992 Bill | |
Clinton geschlagen geben musste. „Ich glaube, das ist nicht mehr von | |
Bedeutung“, meinte Abrams dazu kaltschnäuzig. „Es geht nicht um Ereignisse | |
aus den 1980er Jahren. Wir konzentrieren uns auf die Ereignisse im Jahr | |
2019.“[3] | |
Wenn man aus Abrams’ Vergangenheit auf die Zukunft schließen darf, wird | |
2019 für das venezolanische Volk eine Katastrophe. Ich verfolge Abrams’ | |
Laufbahn seit über dreißig Jahren: Er begann als Referent von | |
Kongressabgeordneten, wurde unter Reagan zuständig für Menschenrechte und | |
später für Mittelamerika, bevor er in der zweiten Amtszeit von George Bush | |
senior zum Sonderbeauftragten des Präsidenten und Mitglied des Nationalen | |
Sicherheitsrats aufstieg. Danach betätigte er sich in der renommierten | |
Denkfabrik Council of Foreign Relations und mehreren konservativen | |
jüdischen Organisationen als außerparlamentarischer Agitator. Mit Ausnahme | |
von Henry Kissinger und Dick Cheney lässt sich schwerlich ein US-Amtsträger | |
finden, der mehr zum Einsatz von Folter und Massenmord im Namen der | |
„Demokratie“ beigetragen hat als Elliott Abrams. | |
Abrams frühe Karriere als Referent der demokratischen Senatoren Henry | |
„Scoop“ Jackson und Patrick Moynihan passte zum neokonservativen Bestreben, | |
die Demokratische Partei der 1970er Jahre auf die interventionistische | |
Linie der „Falken“ einzuschwören. Aber als Jimmy Carter keinen der beiden | |
Senatoren in sein Kabinett berief, wechselten sie die Pferde. „Wir wurden | |
kaltgestellt“, beklagte sich Abrams. „Wir bekamen eine unglaublich | |
nichtssagende Stelle. Als Verhandlungsführer. Nicht für Polynesien. Nicht | |
für Makronesien. Nein, für Mikronesien.“[4] | |
Erst am Busen der Reagan-Regierung gelang Abrams ein rasanter Aufstieg in | |
die oberen Ränge des Außenministeriums. Er wurde zuerst Staatssekretär für | |
internationale Organisationen, dann, ausgerechnet, für Menschenrechte und | |
schließlich für interamerikanische Angelegenheiten. In dieser Stellung | |
bewahrte Abrams den damaligen Außenminister George Shultz vor dem Wüten | |
der Reagan-Fraktion, die gegen die Sowjetunion in den Krieg ziehen wollte – | |
indem er half, eine Reihe von Stellvertreterkriegen in Mittelamerika | |
anzuzetteln. | |
Die faschistische Rechte Lateinamerikas dürfte kaum je einen energischeren | |
Fürsprecher in den USA gehabt haben. Wann immer die Öffentlichkeit von | |
Massakern an unschuldigen Bauern erfuhr, ob in El Salvador, Nicaragua, | |
Guatemala oder in Panama (wo Bush senior sogar US-Truppen einmarschieren | |
ließ), stets kannte Abrams die wahren Schuldigen: Journalisten, | |
Menschenrechtler und die Opfer selbst. | |
Im März 1982 putschte sich General Ríos Montt in Guatemala an die Macht. | |
Bald darauf verkündete der damalige US-Staatssekretär für Menschenrechte, | |
Elliott Abrams, Montt habe in Sachen Menschenrechte „beachtliche | |
Fortschritte erzielt“; die Anzahl der getöteten Zivilisten werde „Schritt | |
für Schritt reduziert“.[5]In Wirklichkeit lagen dem US-Außenministerium | |
„glaubhafte Aussagen über einen Massenmord an indianischen Männern, Frauen | |
und Kindern durch die [guatemaltekische] Armee in einem abgelegenen Gebiet“ | |
vor. Dennoch forderte Abrams vom Kongress, das Regime mit besseren Waffen | |
auszurüsten, um den „Fortschritt zu belohnen und bestärken“. 2013 wurde | |
Ríos Montt von der durch die UN unterstützte guatemaltekische | |
Aufarbeitungskommission für den Völkermord an den indigenen Ixil im | |
Departement Quiché verurteilt. | |
Nachdem Abrams zum Staatssekretär für interamerikanische Angelegenheiten | |
ernannt worden war, verurteilte er wiederholt die zivilgesellschaftlichen | |
Organisationen, die auf die von Ríos Montts nicht weniger blutrünstigen | |
Nachfolger Vinicio Cerezo verübten Massaker aufmerksam machten. 1985 wurde | |
eine Sprecherin der Grupo de apoyo mutuo (eine Organisation von Müttern | |
Verschwundener) mit ihrem dreijährigen Sohn und ihrem Bruder tot in einem | |
verunglückten Auto aufgefunden. Abrams deckte nicht nur die unglaubwürdigen | |
Beteuerungen des Regimes, dass es sich um einen Verkehrsunfall gehandelt | |
habe, sondern ging auch juristisch gegen jene vor, die auf einer | |
Untersuchung bestanden. | |
Die New York Times veröffentlichte einen Gastkommentar, der die offiziellen | |
Opferzahlen des US-Außenministeriums in Zweifel zog – geschrieben von einer | |
Frau, die Zeugin wurde, wie am helllichten Tage in Guatemala-Stadt eine | |
Todesschwadron einen Mann erschoss, und die nie etwas darüber in der Presse | |
fand. Abrams schrieb daraufhin einen offenen Brief an die Redaktion, in dem | |
er einen Bericht in einer nicht existierenden Zeitung erfand, um zu | |
belegen, dass über diesen Mord sehr wohl berichtet worden sei. | |
## Abrams beschaffte Geld für die Contras | |
1982 veröffentlichten die New York Times und die Washington Post Artikel | |
über zwei Massaker in der Gegend von El Mozote in El Salvador, verübt von | |
den durch die USA ausgebildeten und unterstützten Truppen der | |
Militärdiktatur. Abrams erklärte vor einem Senatsausschuss die Berichte für | |
„unglaubwürdig“, und befand, es handle sich um einen Vorfall, den die | |
Guerilla nach Kräften propagandistisch ausgeschlachtet habe. Mehr als zehn | |
Jahre später stellte die Wahrheitskommission des Landes fest, dass in El | |
Mozote „vorsätzlich und systematisch“ 5000 Zivilisten ermordet worden | |
waren. | |
Als der panamaische Diktator Manuel Noriega 1985 die Ermordung Hugo | |
Spafadoras anordnete – dem Guerillaführer wurde bei lebendigem Leib der | |
Kopf abgesägt –, sorgte Abrams dafür, dass Außenministerium und Kongress | |
den Mantel des Schweigens über die Sache breiteten. Er argumentierte, | |
Noriega sei „für uns wirklich hilfreich“ und „kein allzu großes Problem… | |
„Die Panamaer haben versprochen, uns mit den Contras zu helfen. Falls Sie | |
eine Anhörung [im Kongress] durchführen, wird sie das verstimmen.“[6] | |
In die Iran-Contra-Affäre war Abrams gleich in mehrfacher Weise verstrickt: | |
Als 1986 ein US-amerikanischer Söldnerpilot bei einer illegalen | |
Waffenlieferung an die Contras abgeschossen wurde, erschien Abrams auf CNN | |
und erzählte, dass niemand, der mit in der US-Regierung in Verbindung | |
stehe, etwas mit diesen Flügen zu tun habe: „Das wäre ungesetzlich. Es ist | |
uns verboten, das zu tun, also tun wir es nicht. Dies war in keinerlei | |
Hinsicht eine Operation der US-Regierung. Keineswegs.“ Er erklärte, dass | |
„der Grund, warum dergleichen geschieht, der Grund, warum dort Amerikaner | |
getötet und abgeschossen werden, ist, dass der Kongress nicht handelt“ – | |
indem er die Contras finanziert. | |
Vor zwei Kongressausschüssen wiederholte er dreist, dass der Flug „nicht | |
von der US-Regierung organisiert, geleitet oder finanziert wurde“. Die | |
Unterstützung des Außenministeriums für die Contras habe „nicht darin | |
bestanden, irgendwelche Gelder einzusammeln, sondern nur darin, den | |
Kongress dazu zu bewegen, sie zu bewilligen“. | |
All das war gelogen: Die Waffenlieferungen wurden über Generalleutnant | |
Oliver North und die CIA finanziert. Und Abrams war kurz zuvor aus Brunei | |
zurückgekehrt, wo er Geld für die Contras eingesammelt hatte. Die | |
Aufdeckung von Abrams’ Lügen führte schließlich zu seiner Verurteilung | |
wegen Irreführung des Kongresses. Aktenkundig ist die Bemerkung des | |
demokratischen Senators Thomas Eagleton aus Missouri, Abrams’ Aussage sei | |
„zum Kotzen“. | |
Als Sonderbeauftragter für Israel und Palästina im Nationalen | |
Sicherheitsrat bestand Abrams’ herausragendste Leistung darin, nach der | |
Wahl in Palästina 2006 die Bildung einer Regierungskoalition aus Hamas und | |
Fatah im Westjordanland und in Gaza zu verhindern, wie Vanity Fair 2008 | |
enthüllte. Er konspirierte mit Teilen der Fatah und erzwang so den Rückzug | |
der von der Hamas geführten Regierung nach Gaza.[7]Dies hat zu einer | |
permanenten Spaltung geführt und der Unmöglichkeit, einen bleibenden | |
Frieden mit Israel auszuhandeln (sollte Israel dazu je bereit sein). | |
Schon 2002 hatte Abrams, einem Bericht des Guardian zufolge,[8]den | |
vorübergehend erfolgreichen Militärputsch gegen den venezolanischen | |
Präsidenten Hugo Chávez unterstützt. | |
Trotz alledem berief der Council of Foreign Relations Abrams 2009 in eine | |
leitende Position. Man bekam allerdings ein kleines Problem mit ihm, als er | |
gegenüber dem National Public Radio im Januar 2013 Obamas designierten | |
Verteidigungsminister Chuck Hagel als „Antisemiten“ bezeichnete. Der Leiter | |
des Councils, Richard Haas, erklärte daraufhin gegenüber ABC, dieser | |
Vorwurf sei nicht nur falsch, sondern habe auch „eine Grenze | |
überschritten“. | |
Dass jemand wie Elliott Abrams trotz seiner amoralischen – um nicht zu | |
sagen destruktiven – politischen Laufbahn in den Council geholt wurde und | |
daraufhin in den US-Medien als respektable Stimme in der außenpolitischen | |
Debatte reüssierte, stellt eine Kapitulation des außenpolitischen | |
Establishments der USA vor den Neokonservativen dar. Das gilt noch mehr für | |
Abrams’ Berufung ins Außenministerium als Sonderbeauftragter für | |
Venezuela: Sie könnte – trotz Trumps isolationistischer Reden – die | |
Rückkehr zur grobschlächtigen Interventionspolitik früherer Zeiten | |
bedeuten. | |
1↑ Jennifer Jacobs und Nick Wadhams, „‚Never Trumpers‘ can get State | |
Departement jobs with Pompeo there“, Bloomberg, 31. Januar 2019. | |
2↑ Die Contras, die gegen die sandinistische Regierung Nicaraguas kämpfende | |
Miliz, wurde von den USA durch heimliche Waffenverkäufe an den | |
kriegführenden Iran finanziert. | |
3↑ Grace Segers, „US envoy to Venezuela Elliott Abrams says his history | |
with Iran-Contra isn’t an issue“, CBS News, 30. Januar 2019, | |
www.cbsnews.com. | |
4↑ Zitiert nach Samuel Blumenthal, „The Rise of the Counter-Establishment. | |
The Conservative Ascent to Political Power“, New York (Union Square Press) | |
1986 und 2008. | |
5↑ Zitiert nach Samuel Totten, „Dirty Hands and Vicious Deeds. The US | |
Government’s Complicity in Crimes Against Humanity and Genocide“, Toronto | |
(University of Toronto Press) 2018. | |
6↑ Zitiert nach Stephen Kinzer, „Overthrow: America’s Century of Regime | |
Change from Hawaii to Iraq“, New York (Times Books) 2006. | |
7↑ David Rose, „The Gaza bombshell“, Vanity Fair,3. März 2008, | |
www.vanityfair.com. | |
8↑ Ed Vulliamy, „Venezuela coup linked to Bush team“, The Guardian, Londo… | |
21. April 2002. | |
Aus dem Englischen von Robin Cackett | |
Eric Alterman ist Journalist und Historiker und lehrt am Brooklyn College, | |
New York. Er ist Autor unter anderem von „When Presidents Lie: A History of | |
Official Deception and its Consequences“, New York (Viking Press) 2004. | |
7 Mar 2019 | |
## AUTOREN | |
Eric Alterman | |
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