# taz.de -- "Rußland gehört zu diesem Kontinent" | |
> ■ Jelzin begrüßt die Aufnahme in den Europarat. Sein Berater verspricht | |
> eine Verbesserung der Menschenrechtslage. Die Helsinki-Gruppe hält die | |
> Entscheidung für "völlig unangemessen" | |
Moskau/Straßburg (dpa/AFP/ rtr) – Präsident Boris Jelzin hat die Aufnahme | |
Rußlands in den Europarat begrüßt. „Ich habe persönlich mit jedem | |
Staatschef der Länder des Europarats gesprochen, um sie zu überzeugen, daß | |
Rußland in dieses Gremium gehört“, sagte Jelzin gestern in Moskau. „Man | |
darf Rußland aus Europa nicht hinauswerfen, und zwar nicht nur, weil | |
Rußland zu diesem Kontinent gehört, sondern auch, weil es eine Brücke | |
zwischen Europa und Asien darstellt.“ Jelzins außenpolitischer Berater | |
Dimitri Rjurikow versprach, die Regierung werde ernsthaft an der | |
Verbesserung der Menschenrechte arbeiten. | |
Politiker nahezu aller russischen Parteien äußerten sich positiv über die | |
Abstimmung der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. Im vergangenen | |
Jahr war die Entscheidung des Europarats wegen des Krieges in | |
Tschetschenien verschoben worden. | |
Der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des russischen Parlaments, | |
Wladimir Lukin, erinnerte in Straßburg daran, daß Rußland nun eine Reihe | |
wichtiger Dokumente ratifizieren müsse, darunter die eurpäische | |
Menschenrechtskonvention. Moskau müsse weiter „hart arbeiten, um Mitglied | |
in allen wichtigen europäischen Strukturen zu werden“, sagte Lukin, | |
Mitglied der liberalen Jabloko-Partei, in Straßburg der Nachrichtenagentur | |
Interfax. | |
Der Vorsitzende der russischen Kommunisten, Gennadi Sjuganow, sagte, | |
Rußland müsse die Zusammenarbeit mit allen Staaten Europas ausbauen. Nach | |
Sjuganows Worten steigen mit der Aufnahme in den Europarat die Chancen für | |
eine politische Beilegung der Tschetschenien-Krise. | |
Aber es gab auch kritische Stimmen über den Beitritt Rußlands. „Völlig | |
unangemessen“, nannte beispielsweise die Helsinki-Menschenrechtsgruppe die | |
Entscheidung des Straßburger Gremiums. Rußland verletze im | |
Tschetschenien-Krieg ständig Menschenrechte. „Die Entscheidung hätte | |
verschoben werden müssen,“ monierte Rachel Denber, die Direktorin der | |
Moskauer Helsinki-Dependance, zumal die russische Führung nicht genug tue, | |
um die Menschen- und Bürgerrechte auf europäischen Standard zu bringen. | |
Die Versammlung hatte die Aufnahme Rußlands am Donnerstag abend nach langen | |
und kontroversen Debatten trotz massiver Kritik an der Menschenrechtslage | |
in Rußland und der jüngsten russischen Militärintervention gegen | |
tschetschenische Separatisten mit großer Mehrheit gebilligt. 164 | |
Abgeordnete hatten für die Aufnahme gestimmt, 35 waren dagegen, 15 | |
enthielten sich der Stimme. Rußland ist damit das 39. Mitglied des | |
Europarates und der 15. ehemalige kommunistische Staat, der seit 1990 | |
aufgenommen wurde. Auf die Aufnahme warten derzeit noch Weißrußland, | |
Kroatien und Bosnien-Herzegowina. | |
27 Jan 1996 | |
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