# taz.de -- orte des wissens: Gifte mit Sprengkraft | |
> Das Kieler Institut für Toxikologie untersucht, wie Gifte an der | |
> Entstehung von Krebs beteiligt sind. Und wie gefährlich im Meer versenkte | |
> Weltkriegsmunition für Mensch und Umwelt ist | |
Vor fünf Jahren bewies Edmund Maser als Erster, dass die im Meer versenkte | |
Munition aus den zwei Weltkriegen dort die Umwelt belastet. Dafür bekam der | |
Direktor des Instituts für Toxikologie und Pharmakologie an der Kieler Uni | |
den GT-Toxicology-Preis der Gesellschaft für Toxikologie. „In der deutschen | |
Nord- und Ostsee liegen ungefähr 1,6 Millionen Tonnen Munition“, sagt | |
Maser. Gemeinsam mit anderen Forschenden untersuchte er Miesmuscheln, die | |
an den Munitionsaltlasten festgewachsen waren. Eine toxikologische Analyse | |
konnte zeigen, dass „die versenkte Munition mit der Zeit rostet, sodass | |
giftige Sprengstoffe austreten und letztlich die Meeresorganismen | |
schädigen“, so Maser. | |
Das Kieler Institut für Toxikologie ist das einzige universitäre Institut | |
seiner Art in Schleswig-Holstein. Durch seine Veröffentlichungen hat es | |
einen großen Beitrag zum Fortschritt in der toxikologischen Forschung | |
geleistet – national und international. Rund 20 wissenschaftliche | |
Mitarbeiter*innen aus der Biochemie, der Chemie, der Pharmazie, den | |
Lebensmittelwissenschaften und der Mikrobiologie forschen dort | |
schwerpunktmäßig zu molekularen Ursachen von Erkrankungen durch | |
Schadstoffe. Berücksichtigt werden dabei sowohl die genetische | |
Empfänglichkeit für Krankheiten als auch Lebensstilfaktoren. | |
Ursprünglich ging es im 1964 gegründeten Institut um Umwelttoxikologie, | |
darum, „dass der Mensch nur gesund sein kann, wenn er in einer gesunden | |
Umwelt lebt“, sagt Maser. Als er 2002 ans Institut kam, verschob sich der | |
Forschungsschwerpunkt zu humantoxikologischen Fragen, um klinische, | |
medizinische und toxikologische Fragen zu verknüpfen. | |
Eines der humantoxikologischen Projekte untersucht zum Beispiel den | |
Zusammenhang zwischen Lungenkrebs und Rauchen. Viele Tabaksorten enthalten | |
Lakritzbestandteile, die jedoch die körpereigene Entgiftung von | |
krebserzeugenden Substanzen aus dem Tabak hemmen können, erklärt Maser. | |
Auch weibliche Geschlechtshormone können diese Entgiftung hemmen, haben die | |
Forscher*innen herausgefunden. „Das ist eine Erklärung für den Befund, | |
dass Frauen, die rauchen, ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko haben, wenn sie | |
die Pille nehmen oder schwanger sind“, erklärt Maser. Andere Projekte | |
erforschen das Verhältnis von Prostatakrebs und oxidativem Stress, also | |
einem Zustand, bei dem durch die Zellatmung Schäden an Zellen oder deren | |
Funktionen entstehen. | |
Seit rund 15 Jahren beschäftigt sich das Institut wieder mehr mit | |
umwelttoxikologischen Themen, unter anderem den Munitionsaltlasten aus den | |
zwei Weltkriegen. Angestoßen hatte das Forschungsprojekt das | |
Bundesumweltministerium. Als Versuche mit chinesischen Sprengstoffarbeitern | |
ergaben, dass der in Munition enthaltene Sprengstoff Trinitrotoluol (TNT) | |
krebserregend ist und bei einigen Arbeitern zu Leukämie und Harnblasenkrebs | |
führte, wollte das Bundesministerium wissen, ob diese Sprengstoffsubstanzen | |
auch in Meerestieren auftauchen. | |
„Bisher ist die Kontamination der Muscheln noch nicht so hoch, dass sie | |
besorgniserregend ist“, sagt Maser. Allerdings müsse man befürchten, dass | |
sich die giftigen Sprengstoffe in der marinen Nahrungskette anreichern und | |
kontaminierte Meerestiere auf unseren Tellern landen. Die Frage sei, wie es | |
in einigen Jahrzehnten aussieht, wenn die Kontamination weiter | |
fortgeschritten ist. | |
Um einschätzen zu können, wie hoch das Risiko durch Munition im Meer ist, | |
und um mögliche Konsequenzen aus diesen Erkenntnissen ziehen zu können, hat | |
die Bundesregierung den Kieler*innen 100 Millionen Euro „Seed Money“ | |
gegeben. Viel Geld, aber das sei wichtig, erklärt Maser. Denn die | |
geborgenen Munitionsbestandteile und Meerestiere müssen später schließlich | |
so entsorgt werden, dass sie der Umwelt nicht weiter schaden. Sarah Lasyan | |
18 Nov 2024 | |
## AUTOREN | |
Sarah Lasyan | |
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