# taz.de -- die wahrheit: Die hässlichste Fuzo der Welt | |
> Zur Neugestaltung der Frankfurter Zeil: ein Denkmal für Baader, Ensslin & | |
> Partner. | |
Deutschland hat nicht mehr viele Superlative aufzuweisen. Aber immerhin | |
liegt hier die hässlichste Fußgängerzone der Welt: die Zeil in Frankfurt. | |
Mit diesem Ausbund an architektonischer Tristesse nimmt es keine | |
Fußgängerzone in Seoul, Peking oder Bangkok auf. Selbst Eisenhüttenstadt, | |
Magnitogorsk oder Chongqing müssen passen. | |
Dabei versucht der Frankfurter seit Jahrzehnten verzweifelt und mit viel | |
Geld, die Zeil aufzuhübschen. Das aber macht alles nur schlimmer. Dem | |
Frankfurter fehlt ein Auge für Eleganz, Schönheit und für Proportionen, und | |
er hat nicht ein Fünkchen Fantasie, um sich etwas zunächst mal nur | |
Skizziertes bildhaft vorzustellen. | |
Begonnen hat das Elend zu Anfang der Siebzigerjahre, als man die Zeil ohne | |
Not zur Fußgängerzone erklärte. Damals standen auf beiden Seiten | |
erstaunlich propere Nachkriegshäuser mit schlichten, eleganten Fassaden aus | |
den Fünfzigerjahren. Kaum aber hatte man die Straße umgewidmet, begann der | |
Frankfurter damit, sie umzubauen. Erst einmal wurde sie komplett | |
aufgerissen und unter ihr die S-Bahn verstaut. | |
Als die 1983 fertig war, wurde die Zeil aufgepflastert und mit Platten | |
belegt. Man pflanzte auch Bäume und stellte Pavillons aus feinstem | |
Kunstmarmor auf die Straße. Hier sollte gehobene Gastronomie stattfinden | |
und Leben wie auf den Piazzas Italiens, so malte man sich das jedenfalls in | |
Frankfurt aus. | |
Also packte der Frankfurter auch noch Kunst auf die Straße. Eine | |
Altmetallsammlung namens "David und Goliath" in der Nähe der Hauptwache und | |
1984 an der Einmündung Stiftstraße/Hasengasse einen 38 Tonnen schweren | |
Titten- und Pimmelbrunnen aus weißem Carrara-Marmor, den ein Herr Brockhaus | |
zusammengemeißelt hat. | |
Als alles praktisch fertig war, sah selbst der Frankfurter, dass es nicht | |
gut war. Er wusste aber nicht, warum. Sogar die Platanen, die er in den | |
Zeilboden gepresst hatte, wollten nicht wachsen, weil sie nicht fassen | |
konnten, in einer so hässlichen Umgebung zu stehen. Also riss man sie raus | |
und pflanzte immer neue. Irgendwann gaben die Bäume ihre Selbstmordgedanken | |
auf und wuchsen fest, aus Resignation wahrscheinlich. Immerhin wurde so die | |
Zeil etwas grüner. | |
Der Frankfurter aber versuchte verzweifelt weiter, die Zeil aufzumotzen. | |
Jetzt nahm er sich die Randbebauung vor. Ein Haus nach dem anderen wurde | |
abgerissen und durch eins ersetzt, das prächtiger und schöner sein sollte. | |
Am Ende aber kam immer nur so was wie Karstadt, Pimkie, H&M, | |
Schnellpizzerien, Würstchenbuden, Dönerbutzen und ein "Uhrenservice-Center" | |
dabei raus. | |
Und trotzdem gab der Frankfurter auch nach fast vierzig Jahren | |
ununterbrochenen Bauens nicht auf. Im Moment hat er schon wieder | |
Verschönerungsmaßnahmen ergriffen. Dieses Mal geht es einmal mehr an die | |
Straße selbst, die jetzt für zwölf Millionen Euro "neugestaltet" wird. | |
Dafür wurden ein Teil der endlich angewachsenen Bäume wieder rausgerissen, | |
neues Pflaster verlegt und andere Lampen aufgestellt. | |
Die gehobenen Pavillons aber werden durch "Pavillons" ersetzt, "für | |
gehobene Gastronomie mit überdachter Terrasse und Freisitz", jetzt aber | |
quer zur Straße statt längs aufgestellt. Im nächsten Jahr soll alles | |
wirklich fertig sein, zum ersten Mal seit wahrscheinlich 1972. Schon jetzt | |
aber ist klar, dass auch die neueste Zeil scheußlich wird. Der Frankfurter | |
hats eben einfach nicht drauf. | |
Deshalb ist es auch an der Zeit, endlich eines Kollektivs zu gedenken, das | |
bereits 1968 eine revolutionäre, viel bessere Idee zur Umgestaltung der | |
Zeil hatte. Das damals weitgehend unbekannte Architektenbüro Baader, | |
Ensslin & Partner schlug seiner Zeit vor, die beiden Zeil-Kaufhäuser | |
Schneider und Kaufhof einfach niederzubrennen. Man versuchte diese Idee am | |
3. April 1968 auch sofort umzusetzen. Leider klappte das nicht. | |
Hätten sich aber Baader & Co. damals durchgesetzt, wäre Frankfurt und der | |
Welt einiges erspart geblieben. Der für den heißen Abriss vorgesehene | |
Kaufhof und das Kaufhaus Schneider wurden in den folgenden Jahren sowieso | |
demoliert, allerdings waren Aufwand und Kosten dafür sehr viel höher. | |
Baader, Ensslin & Partner aber wurde für ihre städtebauliche Innovation der | |
Prozess gemacht, und die jungen, viel versprechenden Städteplaner wurden in | |
den Untergrund gedrängt. Eine vertane Chance und ein großer Fehler. | |
Der ist zwar heute nicht mehr auszubügeln. Doch immerhin könnte man im Zuge | |
der neuerlichen Umgestaltung der Zeil die jungen Architekten von damals | |
endlich rehabilitieren. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, den Titten- und | |
Pimmelbrunnen abzureißen und ihn durch eine Bronzestatue Baaders zu | |
ersetzen. | |
Und an der Stelle des "David und Goliath"-Gerümpels käme sicher eine | |
Gudrun-Ensslin-Büste nicht schlecht. Anlässlich der Einweihung dieser | |
Denkmäler aber sollte man in Frankfurt die Denkanstöße von 1968 wieder | |
aufnehmen, und die ganze neue Zeilbebauung samt Straßenmöblierung gepflegt | |
flambieren. Das Ergebnis dieser städtebaulichen Großtat käme den | |
Steuerzahler nicht nur billiger. Es sähe auch viel besser aus. | |
1 Nov 2008 | |
## AUTOREN | |
Christian Y. Schmidt | |
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