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# taz.de -- die wahrheit: Die Oma als Lifestyle-Alternative
> Ich bin ja mehr so ein Kuchentyp. Sofern meine Zeit es mir erlaubt, suche
> ich gern des Nachmittags ein Café auf und gönne mir etwas Exquisites.
> Rhabarber-Stachelbeer-Kuchen ...
... mit Sahne zum Beispiel, dazu ein Kännchen Earl Grey. Jawohl, ich bin
eine Oma. Das langsam und bedächtige Oma-Dasein scheint mir die einzige
würdevolle Alternative zum heute in meinen Kreisen als Ideal gehandelten
umtriebigen und mobilen Kultur- und Medienmenschen zu sein.
Ein gutes Beispiel für diese Spezies sind die immer gestressten und
gehetzten Theaterregisseure, die alle sechs Wochen in einer anderen Stadt
irgendein ihnen vollkommen schnurzes Theaterstück inszenieren, dabei
regelmäßig kalkuliert ausflippen und literweise Alkohol oder - in der
hippen Variante - löffelweise Koks in ihren Körper hineinpumpen. Lebendige
Abziehbildchen. Auf der Bühne wollen sie jedoch jedwedes Klischee vermieden
haben: "Nee, nee, die Sterbeszene probiern wir noch mal anders. Dass einer
keine Luft mehr kriegt, wenn er gewürgt wird, das ist mir viel zu
klischeemäßig!"
Nach der Probe wird dann aber, sofern die Kräfte reichen, noch schnell die
Regieassistentin beglückt. Liebe Regisseure, ein für alle Mal: Sex mit
einer Regieassistentin gehört zu den absoluten Donts! Das ist ein
Klischee-Klassiker! Das ist wie ein Ostdeutscher namens Rico, wie
Ruhrgebiet und Pommes rot-weiß, wie ein Zuhälter mit Kampfhund!
Apropos Kampfhund, apropos Oma: Bin ich eigentlich der einzige Verfechter
des Haltens von klassischen Kleinhundrassen?! Waren das noch Zeiten, als 80
Prozent der deutschen Caniden Dackel, Pudel und Cockerspaniel waren! Die
hatten zwar auch manchmal einen miesen Charakter, aber wenn man tatsächlich
mal von einem Kleinhund angefallen wurde, konnte man ihn mit einem
einfachen Fußtritt unter die Kinnlade in seine Schranken weisen. Unschön,
aber Notwehr und daher vom Gesetzgeber gedeckt.
Trotzdem ist das gerade von mir gemalte Bild vom getretenen Hund ein
grausames. Aber so sind wir alten Omas: Das Wenige, woran wie uns erinnern,
muss heraus - ungeordnet, assoziativ und gnadenlos. Meist handelt es sich
dabei um Geschichten aus der Kindheit, oft Ereignisse, die jahrzehntelang
verschüttet waren und sich dann auf einmal wieder an die Oberfläche wühlen.
Ich erinnere mich zum Beispiel daran, dass mir einmal, ich muss ungefähr
fünf gewesen sein, der zehnjährige Hakan von nebenan in unserem Hauseingang
kommentarlos sein Geschlechtsteil zeigte.
40 Jahre nicht daran gedacht, und jetzt ist es wieder da! Was soll ich
damit anfangen? Vielleicht könnte ich daraus einen Fall von sexuellem
Missbrauch basteln, der so einiges erklären könnte. Aber vermutlich war es
nur ein dummes Kinderspiel oder ein Fall von klassischer imperialer
Großmannssucht osmanischer Ausprägung: Wahrscheinlich wollte der Türke, wie
jahrhundertelang zuvor, dem kleinen Araber zeigen, wo der Hammer hängt.
Keine Ahnung. Aua, wenn nur nicht immer dieses Ziehen in der Gallenblase
wäre …
31 Aug 2011
## AUTOREN
Hartmut El Kurdi
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