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# taz.de -- Zwei- und Dreisprachigkeit in der Erziehung: "Ist das Kind nicht to…
> Eine Übersetzerin will ihre Töchter dreisprachig erziehen. Und stößt
> überall auf Unverständnis. Ein Erfahrungsbericht.
Bild: In Deutschland keine Selbstverständlichkeit: Mehrsprachigkeit in Kitas u…
BRIGHTON taz | Unsere zwei Töchter sind in Berlin zur Welt gekommen. Ich,
als Engländerin, spreche nur Englisch mit den beiden. Mein Mann, gebürtiger
Franzose lateinamerikanischer Herkunft, spricht ausschließlich Spanisch.
Wir haben uns aber "auf Deutsch" kennen gelernt. Es war unsere gemeinsame
Sprache, und wir werden wahrscheinlich immer miteinander auf Deutsch
kommunizieren. Diese unsere Sprache zu wechseln, käme nicht in Frage.
Meiner Meinung nach hat man mit jeder Sprache eine distinktive
Persönlichkeit. Plötzlich mit meinem Mann Englisch, Französisch oder
Spanisch zu reden, das wäre so ähnlich, wie mit einem fremden Menschen
zusammen zu sein.
In Berlin war Deutsch zu sprechen eine Art neutrales Territorium für uns -
für zwei Ausländer, beide "nicht von hier", die sich über die Einheimischen
lustig machen konnten. Dann kam das erste Kind, und es sollte natürlich
dreisprachig aufwachsen. Eine Sprache, eine Bezugsperson, was könnte
einfacher sein?
Als die erste Tochter zur Welt kam, haben uns die Leute ausgefragt: "Na,
wie werdet ihr mit ihr sprechen, wie regelt ihr das?" Ich war überrascht,
wie oft negative Reaktionen auf unseren dreisprachigen Plan kamen - sogar
unter gleichaltrigen, gebildeten und welterfahrenen Menschen.
"Oh, das wird aber zu viel sein!", sagte eine Journalistin in meiner
Bürogemeinschaft. "Ihr solltet euch auf zwei Sprachen begrenzen." "Ist sie
nicht total verwirrt?", sagte ein andere. Spielplatzgespräche liefen
ähnlich ab. Als wir dann zweisprachige Kitas in Berlin besuchten, wurde
bald klar, dass das Angebot sehr begrenzt ist. Diese Kitas sind meist neu,
haben keine lange Erfahrung, oft führen Elterninitiativen zu einer Grauzone
zwischen elterlicher und pädagogischer Autorität, die zu Verwirrung führt.
Wir wurden oft interviewt von anderen Eltern, die diese Kitas gemanagt
haben. Sie wollten wenig über das Kind wissen oder über unsere sprachliche
Situation zu Hause. Wichtiger war ihnen, ob wir am Wochenende Zeit haben
würden, die neue Kita zu renovieren oder zu putzen. Schließlich fanden wir
eine Kita mit einer liebevollen Umgebung und spanisch sprechendem Erzieher
als Bonus.
Negatives Echo kam wieder, als eine Kinderärztin unsere große Tochter zum
Sozialpädiatrischen Zentrum, kurz: SPZ, der Vivantes-Klinik in
Friedrichshain schickte. Eine Standarduntersuchung hatte potenzielle
Auffälligkeiten ans Licht gebracht. Da stimmte etwas nicht. Vielleicht
liegt es an der Dreisprachigkeit? Als mein Mann und ich vor Experten im SPZ
saßen, kam tatsächlich wieder der Vorschlag, eine Sprache wegzulassen.
Na, welche denn? Meine Muttersprache Englisch, die Muttersprache meines
Mannes, Spanisch, oder die Sprache unseres Adoptivlandes, Deutsch?
Wir waren fassungslos. Was ist mit den ganzen afrikanischen Ländern, wo
alle Kinder mindestens drei Sprachen sprechen, eine Situation, die dort
normal ist? Oder was mit der weitverbreiteten Theorie, dass Kinder die
Fähigkeit haben, viele Informationen im frühen Alter zu verarbeiten und
dass Mehrsprachigkeit die Intelligenz stimuliert?
Nach einer Reihe von Tests - Gehirn-, Genetik-, Hör-, Seh-,
Intelligenz-Tests - kam nach einiger Zeit die Empfehlung vom SPZ, unsere
Tochter auf eine Schule für Lernbehinderte zu schicken. Das war für mich
"the nail in the coffin".
Unsere Tochter besucht seit Mai 2010 eine Schule in Brighton, Südengland.
In ihrer Klasse gibt es ein Kind aus Saudi-Arabien, ein anderes Kind aus
Ägypten und mehrere Kinder sind afrikanischer, indischer oder
pakistanischer Herkunft. Mehrere Kinder sprechen zu Hause eine andere
Sprache als Englisch. Dies wird als eine Bereicherung gesehen. Während
unsere große Tochter in Deutschland als Mädchen galt, das vielleicht nie
eine normale Schule besuchen könnte, wurde es in Brighton ihren
Klassenkameraden vorgestellt als "a clever girl, who speaks three
languages".
8 Dec 2010
## AUTOREN
Nina Coon
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