| # taz.de -- Zum Tod von Robert Mapplethorpe | |
| Vor ein paar Monaten hatte es mir jemand gesagt: Robert Mapplethorpe sei | |
| tot. So wirkt das Kürzel Aids in unseren Köpfen. Nun ist er wirklich | |
| gestorben, der Fotograf aus New York, mit 42 Jahren. | |
| Wie kein anderer hat Mapplethorpe die Formsprache der Fotografie des | |
| vergangenen Jahrzehnts geprägt und Themen durchgesetzt. Bekannt geworden - | |
| weit über Insider-kreise der Kunst oder die Schwulenszene hinaus - ist | |
| Mapplethorpe mit seinen Studiobildern von nackten Männern; Weiße von der | |
| Lederszene seit Anfang der siebziger Jahre, später immer mehr Schwarze, die | |
| ihre sexuellen Präferenzen meist nicht so entschieden zur Schau stellten. | |
| „Der Mensch ist sein Geschlecht“, hat die Kunsthistorikerin Margaret | |
| Walters in ihrer Studie zum männlichen Akt geschrieben. Vielleicht gilt das | |
| traditionell stärker für Frauen, was man an den obszönen Schimpfwörtern | |
| merkt. Mapplethorpe hat den Schwänzen zu ihrem Recht verholfen. Prall und | |
| samten schimmernd, konkurrieren sie mit ernsten Gesichtern. Wer hinsieht, | |
| muß sich entscheiden und kann es nicht. Ein Zwiespalt, eine merkwürdige | |
| Spannung, zu der Frauenakte nie gelangt sind. Das liegt vielleicht in der | |
| Geschichte des männlichen, heterosexuell kodierten Blicks. Oder an der | |
| simplen Tatsache, daß sich das weibliche Geschlecht nicht vergleichbar - | |
| provozierend und beiläufig frontal zeigen läßt. | |
| Nicht umsonst kam Mapplethorpe über die Lederszene zur Ikone des stolzen | |
| Mannes. Denn die Herrscherpose, mit der sich Männer durch ein paar | |
| Jahrtausende Kulturgeschichte beholfen haben, mußte erst infrage gestellt | |
| werden. Zum S/M -Spiel gehört nicht nur der Mann mit der Peitsche, sondern | |
| auch der Mann, der sich peitschen läßt. Geläutert zum Objekt, in seinem | |
| Begehren geschützt durch das schon Geschichte gewordene schwule Coming-out, | |
| erscheint der Mann im Bild und läßt die Hosen runter. Mapplethorpes Erfolg | |
| trägt seine Bilder von der Subkultur in den etablierten Kulturbetrieb. | |
| Auf dem Self Portrait, 1983 sehen wir den Fotografen in der | |
| selbstironischen Maske des Gesinnungstäters. Ein Anarchist mit MG und | |
| weißer Fliege, der, noch eher verwirrt, in die Kamera sieht als | |
| entschlossen in die Welt. Das RAF -Bild des entführten Hanns-Martin | |
| Schleyer muß Mapplethorpe gekannt haben; der Platz des Täters ist auch der | |
| Platz des Opfers. | |
| Wie um einer möglichen Verwirrung durch das komplizierte Thema (Sex) | |
| entgegenzusteuern, hat Mapplethorpe - seiner akademischen Ausbildung nach | |
| Maler - an einer strengen Studioregie festgehalten. Quadratformat, fast | |
| schattenloses Licht, selten Verläufe, strenge Vertikalen und Horizontalen. | |
| Mapplethorpe war ein Manierist. Er war cool und mutig, aber kalt war er | |
| nicht. | |
| Ulf Erdmann Ziegler | |
| 18 Mar 1989 | |
| ## AUTOREN | |
| ulf erdmann ziegler | |
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