# taz.de -- Zum Tod von Eartha Kitt: Femme rebelle | |
> Eartha Kitt, Sängerin, Schauspielerin, Entertainerin, Muse der weißen | |
> Boheme in Europa und Kämpferin für die afroamerikanischen Community, ist | |
> mit 81 gestorben. | |
Bild: In den Fünfzigern sang sie unvergesslich "Santa Baby", nun starb sie am … | |
1983 war sie eigentlich nur für zwei Wochen gebucht. Die Betreiber des | |
kleinen Hamburger Revuetheaters Macadam kannten sie natürlich - einen Star; | |
eine Frau, von der Orson Welles behauptete, sie sei die "aufregendste Frau | |
der Welt". Aber was würde ein gediegenes hanseatisches Publikum von einer | |
wie ihr halten - Eartha Kitt? Konnte sie ahnen, dass ihr diese Stadt im | |
kühleren Teil Europas das Entree zu einem dritten Karrierefrühling bieten | |
würde? Dass sie schon bald als ältere, mit allen Wassern des Entertainments | |
gewaschene Frau mit "Where Is My Man?", ähnlich wie kurz danach Tina Turner | |
mit "Private Dancer", komplett unironisch von Sehnsüchten und Begierden, | |
von Sex und Schweiß, von Blood, Sweat & Tears singen würde? Dass die damals | |
den mehligen Rock zurückdrängende Discowelle auch sie auf eine Schaumkrone | |
heben würde? | |
Eartha Kitt war fast über Nacht wieder ganz oben - und das Engagement im | |
Macadam Theater war ihr dabei behilflich. Woche für Woche wurden die | |
Vorstellungen verlängert, die Kitt war unter Kultur- und Popschaffenden | |
eine Nummer, die man erlebt haben musste. | |
In ihrer Heimat, den USA, hatte man sie zu dieser Zeit fast völlig | |
vergessen. Kein Ruhm haftete ihr an. In den Augen konservativer Kreise | |
hatte sie unanständige Dinge gesagt; 1968, ausgerechnet im Weißen Haus. Der | |
Hausherr, der demokratische Präsident Lyndon B. Johnson, der stolz war auf | |
seine guten Verbindung zur afroamerikanischen Community, hatte sie | |
eingeladen, Eartha Kitt fühlte sich einerseits geschmeichelt, andererseits | |
war sie stets wach genug, an den politischen Debatten teilzunehmen. | |
Vietnam war das Thema, und wie vor ihr Muhammad Ali, der als größter Boxer | |
aller Zeiten den Kriegsdienst in Asien mit dem Hinweis verweigerte, er habe | |
persönlich keine Probleme mit dem Vietcong, und daraufhin mit einer | |
sportlichen Sperre bestraft wurde, wie dieser Mann machte auch die Kitt | |
ihren Mund auf und fragte lautstark in die Runde, wann denn endlich all die | |
Jungs und Männer aus dem Kriegseinsatz in Vietnam nach Hause kämen, es | |
seien doch schon genug gestorben für nichts und wieder nichts. | |
Präsidentengattin Lady Bird Johnson soll ob der scheppernd und, wie es | |
heißt, auch leicht alkoholisiert vorgetragenen Worte in einen hysterischen | |
Heulkrampf verfallen sein. Jedenfalls fiel die Kitt wegen ihres auch unter | |
Demokraten umstrittenen Benehmens in Ungnade. In den USA trat sie an keiner | |
der großen Bühnen mehr auf. | |
Dabei war sie doch ganz und gar ein typisches All-American Girl der | |
Schwarzen. Geboren am 17. Januar 1927 als Tochter eines Baumwollpflückers | |
in North Carolina. Mit sechs Jahren verlor sie ihre Mutter und wuchs bei | |
Verwandten im Einwandererviertel von New York City auf. Sie tat sich mit | |
dem festen Willen hervor, nie wieder arm zu sein, die schöneren Seiten des | |
Lebens die ihren werden zu lassen - und träumte von einer Karriere als | |
Tänzerin. Als Arbeiterin in einer Kleiderfabrik verdiente sie sich das Geld | |
für Tanz- und Klavierstunden. Als 15-Jährige bewarb sie sich bei der | |
legendären Kompanie der Tänzerin Katherine Dunham und wurde auf der Stelle | |
engagiert. | |
Die Kitt, erinnern sich Zeitzeugen, hatte etwas Besonderes. Ihr Wille zum | |
Erfolg war übermächtig, ihr Selbstbewusstsein - typisch für Heranwachsende, | |
die nie mehr in Abhängigkeit und Lieblosigkeit zurückwollen - monströs; | |
ihre Physis wie ihre Ausstrahlung auf die Gewogenheit männlicher (wie | |
weiblicher) Personen gerichtet. Die Dunham erzählte, in der Kitt habe man | |
Katzenartiges gesehen; ihre Stimme rau und fein zugleich. | |
Mit Dunhams Ensemble tourte sie durch die Welt. Im Hamburg des Jahres 1983 | |
erzählte sie, dass sie schon nach wenigen Jahren ihrer Karriere dachte, das | |
sei es nun gewesen, mehr habe sie nie gewollt, alle Träume, die sie im | |
rassistischen Süden ihres Landes als Kind eines De-facto-Sklaven gehegt | |
habe, seien in Erfüllung gegangen. Ihr Weg war freilich noch längst nicht | |
zu Ende gegangen, und ihre alte Angst, wieder zu verarmen, übersehen zu | |
werden, keine gute Zukunft zu sehen, war immer noch präsent. | |
1951 hatte sie sich entschieden, in jener Stadt zu bleiben, von der schon | |
Nina Simone und Ella Fitzgerald schwärmten: Paris. Eine Stadt, in der | |
dunkelhäutige Künstler en vogue waren; eine Metropole, in der sich die | |
gewöhnliche amerikanische Kultur der Apartheid vergessen ließ. Orson | |
Welles, wie die Kitt eine manische Person, verknallte sich in dieses Wesen | |
und heuerte sie für seine exzentrische "Faust"-Verfilmung als Gretchen an. | |
Die Kitt - das war auch durch Welles die Lieblingsmuse der weißen Boheme, | |
des Pariser Chics, der französischen Lebensart. | |
Mit diesen Meriten kam sie in die USA zurück - inzwischen kein No-Name | |
mehr, sondern eine echte Nummer im Entertainmentgewerbe. Sie spielte am | |
Broadway, profilierte sich als Diva wie als Vamp, interpretierte "Cest si | |
bon" und gab die Catwoman in der Fernsehserie "Batman". Sie spielte in | |
jenen Jahren gewiss nicht in der gleichen Liga wie die von allen | |
hochverehrte Ella Fitzgerald, aber als prominente Nummer des Cabarets war | |
die Kitt ein berühmter Faktor. | |
"Ich musste mich durchsetzen", sagte sie, "ich hätte es mir nicht verzeihen | |
können, wenn ich meinem Vater oder meiner Mutter nicht Genüge getan hätte. | |
Auch für sie konnte mein Weg nicht so schnell zu Ende gehen", sagte sie in | |
Hamburg in einem Gespräch. "Und jetzt mache ich Disco und freue mich, dass | |
man mir abnimmt, dass ich aus dem Spiel mit der Liebe und den Männern nicht | |
herausgefallen bin." | |
Warum auch? Sie war für viele Frauen ein Role Model, ein lebendiger Beweis | |
dessen, dass das Leben nicht mit der Menopause aufhört, dass Liebe und Sex | |
keine Frage des Alters sind. Die Kitt schnurrte und gurrte auf der Bühne, | |
spielte den Vamp und die Verführerin, ließ sich in den Fantasien ihres | |
Publikums als Femme fatale verhandeln, um schließlich doch immer die Fäden | |
des Handelns selbst in der Hand zu behalten: "Männern muss man das Gefühl | |
geben, dass sie die Verführer sind, dass sie alles machen. Ich meine, nur | |
das Gefühl, sonst schnappen sie noch über." | |
Zur amerikanischen Bürgerrechtsbewegung hielt sie über Jahre stets Kontakt; | |
spendete, wo es drauf ankam, unterstützte dieses Jahr vehement Barack | |
Obama. Gefragt, ob ein nichtweißer Politiker denn gewinnen könne, soll sie | |
gesagt haben: Nicht ohne Probleme, aber man sehe an ihr, dass man nicht | |
verlieren muss. Dass sie Anfang der Siebzigerjahre einen Kotau vor dem | |
konservativen Richard Nixon machte, nahmen ihr schwarze Aktivisten heftig | |
übel - eine Geste der Verzweiflung, um nicht weiter wegen des Skandals im | |
Weißen Haus im Jahre 1968 boykottiert zu werden. Eartha Kitt, keine Ikone | |
des Widerstands gegen Rassismus und Krieg, aber eine aufrechte Kämpferin | |
für die Dinge der afroamerikanischen Community, eine Frau mit Eigensinn und | |
hohem Durchsetzungsvermögen, ist am ersten Weihnachtstag an den Folgen | |
ihrer Darmkrebserkrankung in New York City verstorben. | |
27 Dec 2008 | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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