# taz.de -- Ziviler Ungehorsam gegen Castor-Transport: Die Schotter-Kampagne | |
> Mit massenhaftem Ungehorsam wollen linke Gruppen den Castor-Protest | |
> zuspitzen. Beim Castor-Transport sollen die Gleisbetten kollektiv | |
> entsteint werden. | |
Bild: Ohne Gleisbett keine Schienen, ohne Schienen kein Atommüll-Transport. | |
Schotterst Du schon? Oder schlotterst Du noch? Das könnte eine der | |
Kernfragen sein, wenn im November die Proteste gegen die Castor-Transporte | |
eine neue Qualität bekommen könnten. Im Anti-Atom-Spektrum wird derzeit | |
heiß diskutiert, ob und wie sich eine Massenaktion realisieren lässt, die | |
auch vor der kollektiven Straftat nicht halt macht. Das Stichwort: | |
"Schottern". | |
Der kühne Plan: Wenn bei den Castor-Transporten tausende Menschen nicht nur | |
auf der Straße sitzen, sondern gemeinsam komplette Gleisabschnitte von | |
Steinen befreien, könne sich der Tross effektiv stoppen lassen. | |
Dass vereinzelt Gruppen beim Castor-Transport versuchen, das Gleisbett zu | |
stürmen, ist nicht neu. Neu wäre hingegen, wenn Gruppen und Personen offen | |
zu einer massenhaften Straftat aufrufen. | |
Mit der Aktion wollen die AktivistInnen an Konzepte zivilen Ungehorsams | |
anknüpfen, die zuletzt bei den Blockaden von Neonaziaufmärschen in Dresden, | |
Lübeck oder Berlin effektiv waren. Dabei beteiligten sich bis hin zu | |
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse viele Menschen an zivilem | |
Ungehorsam. | |
"Die Schottern-Kampagne kann eine riesige Dynamik entwickeln, wenn es | |
gelingt, breite gesellschaftliche Kreise für diesen nötigen Schritt zivilen | |
Ungehorsams zu gewinnen. Dann werden auch Versuche der Polizei scheitern, | |
das Ganze zu kriminalisieren", sagte etwa Wendland-Aktivist Jochen Stay. | |
Die Bundespolizei hingegen warnt: "Jeder, der sich an einer solchen Aktion | |
beteiligt, würde sich wegen gefährlichen Eingriffs in den Schienenverkehr | |
strafbar machen. Auch wer nur dazu aufruft, macht sich bereits strafbar, | |
selbst wenn dem Aufruf dann niemand folgt", sagte ein Sprecher der taz. | |
Das sehen Anwälte ganz anders. Peer Stolle vom Republikanischen | |
Anwältinnen- und Anwälteverein sagte: "Ein gefährlicher Eingriff in den | |
Schienenverkehr setzt voraus, dass es überhaupt Schienenverkehr gibt und | |
eine konkrete Gefährdung vorliegt. Beim Castor-Transport wird die für den | |
Verkehr gesperrte Strecke nur von einem einzigen Sonderfahrzeug befahren, | |
das massiv von der Polizei beschützt wird." Wenn ein Protest vorher | |
angekündigt werde, sei eine konkrete Gefährdung praktisch kaum möglich. | |
Fazit: Wie das Schottern zu bewerten wäre, könnten am Ende Gerichte zu | |
klären haben. Derzeit arbeiten verschiedene Gruppen an einem gemeinsamen | |
Aufruf und Aktionskonzept. Beteiligt sind dabei bislang vor allem Gruppen, | |
die bereits bei den G8-Protesten in Heiligendamm aktiv waren. Das reicht | |
von autonomen Gruppen bis hinein in die Grüne Jugend. Noch ist unter den | |
Gruppen allerdings umstritten, wie weit hinein ins bürgerliche Lager die | |
Aktion strahlen soll. Eines scheint aber weitgehend Konsens zu sein: Bilder | |
von Steinschlachten auf den Gleisbetten soll es nicht geben, um den | |
traditionell gewaltfreien Widerstand gegen die Castor-Transporte nicht zu | |
gefährden. Dass es zu solchen Bilder kommt, glaubt im Wendland kaum jemand. | |
Die Vorsitzende der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, Kerstin Rudek, | |
sagte: "Es hat in der Vergangenheit immer wieder Aktionen zivilen | |
Ungehorsams gegeben, die sich meist bewährt haben." Sie sei sicher, dass | |
bei allen Castor-Aktionen das Prinzip gewahrt bleibe, dass Menschen nicht | |
zu Schaden kommen dürften. | |
Uwe Hiksch aus dem Bundesvorstand der NaturFreunde glaubt: "Diese Form des | |
offensiveren Widerstands wird auch in der bürgerlichen Mitte ankommen. Die | |
Blockaden von Dresden haben gezeigt, dass Familien mit Kinderwagen und die | |
aktionsorientierte interventionistische Linke heute gut nebeneinander | |
stehen können." | |
24 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
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