# taz.de -- Zensur in Mexiko: Kritische Journalistin entlassen | |
> Ein Rückschritt für die Pressefreiheit. Die bekannte Journalistin Carmen | |
> Aristegui wurde entlassen, weil sie die Medienkonzentration kritisierte. | |
Bild: Aristegui moderierte bei W-Radio die Sendung "Hoy por Hoy". | |
Sie kritisierte pädophile Kirchenfürsten, Menschenrechtsverbrechen und | |
Wahlbetrug, kaum ein Politiker entkam ihren Fragen. Jeden Wochentag | |
moderierte Carmen Aristegui im Privatsender W-Radio das Morgenmagazin "Hoy | |
por Hoy", doch seit Ende letzter Woche ist die derzeit bekannteste | |
Journalistin Mexikos nicht mehr auf Sendung. Das Konzept des Programms | |
entspreche nicht mehr den Vorstellungen des Medienunternehmens, erklärte | |
Aristegui zurückhaltend. Es gehört wenig Fantasie dazu, ihre Worte richtig | |
zu deuten: Die kritische Haltung der Moderatorin gegenüber der | |
rechtskonservativen Regierungspartei PAN sowie zur Medienkonzentration in | |
Mexiko hat die Betreiber von W-Radio dazu bewogen, Aristeguis Vertrag nach | |
fünf Jahren kurzfristig aufzuheben. | |
Die Entscheidung stehe im Widerspruch zu den hohen Einschaltquoten von "Hoy | |
por Hoy", erklärte der Verband für das Recht auf Information und sprach von | |
"Zensur", hunderte Unterstützer Aristeguis schrieben in einem offenen | |
Brief, hier werde "eine der wenigen unabhängigen, kritischen und | |
regierungsfernen Stimmen" zum Schweigen gebracht. | |
Tatsächlich setzt der Medienkonzern Televisa, der mit der spanischen | |
Prisa-Gruppe W-Radio betreibt, ein Zeichen, das weit über die konkrete | |
Entscheidung hinaus von Bedeutung ist. Aristegui hatte in ihrer | |
vierstündigen Sendung regelmäßig gegen ein geplantes | |
Telekommunikationsgesetz polemisiert, das die Rechte der beiden großen | |
Anbieter Televisa und TV-Azteka stärken und unabhängigen Medien kaum eine | |
Überlebenschance bieten würde. Zugleich ließ die Moderatorin Menschen zu | |
Wort kommen, die sonst in den großen Rundfunk- und Fernsehanstalten nie | |
Gehör finden: Menschenrechtler, Aufständische aus dem Bundesstaat Oaxaca, | |
radikale Feministinnen. Zuletzt kritisierte sie die Verwicklungen hoher | |
Kirchenvertreter in einen Pädophilieskandal. Dies dürfte zu den | |
"verlegerischen Unvereinbarkeiten" zählen, die für Televisa zum Ende der | |
Zusammenarbeit geführt haben. Der Programmchef Daniel Morengo steht der PAN | |
nahe, die eng mit der katholischen Kirche verbunden ist. | |
Bis in die Neunziger hinein kontrollierte die Regierung fast die gesamte | |
Medienlandschaft, mit dem Ende der 71-jährigen Herrschaft der Staatspartei | |
PRI im Jahr 2000 sollte eine unzensierte Pressearbeit möglich werden. Doch | |
"faktische Mächte" wie etwa Drogenbosse setzten dieser Hoffnung ein | |
schnelles Ende. Mexiko gilt nach dem Irak als gefährlichstes Land für | |
Pressearbeitende: 35 Journalisten wurden in den letzten sieben Jahren | |
umgebracht, die meisten, weil sie über die Drogenmafia berichtet haben. | |
Zudem ist die Medienkonzentration heute enorm. Neun von zehn Mexikanern | |
schauen die TV-Kanäle von Televisa und TV-Azteca. Spätestens nach der | |
Kündigung von Aristegui, so der Politologe José Antonio Crespo, "fragen | |
sich viele besorgt, ob wir es nicht eher mit einem Rückschritt der | |
Pressefreiheit zu tun haben". | |
10 Jan 2008 | |
## AUTOREN | |
Wolf-Dieter Vogel | |
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