| # taz.de -- Yuppie-Aliens greifen an | |
| > ■ John Carpenters neuer Film „Sie leben“ | |
| Nach dem wohlverdienten Megaflop Big Trouble in Little China stand John | |
| Carpenter auf der schwarzen Liste der großen Hollywoodstudios. Der Meister | |
| des Zelluloidgrauens versank in düstere Schwermut und wollte fortan mit | |
| Film nichts mehr zu tun haben. Doch die Depression dauerte nur knapp ein | |
| Jahr, dann war Carpenter wieder da. Mit dem Horrorkammerspiel Die Fürsten | |
| der Dunkelheit bewies der Kultregisseur, daß er sein Handwerk noch | |
| genausogut verstand wie zu Zeiten von Das Ende oder Halloween. Die | |
| Fangemeinde atmete auf. Wenn jetzt der „neue Carpenter“ in die Kinos kommt, | |
| wird ihr wohl entsetzt die Luft wegbleiben. Dabei hätte Sie leben ein | |
| wirklich toller kleiner Science-fiction-Horrorstreifen werden können. | |
| Carpenter kam auf die bizarre Idee, „daß die gesamte Ära Reagan in | |
| Wirklichkeit von Außerirdischen gelenkt wird“. Ihm schwebte ein Film „gegen | |
| die Achtziger, gegen die Yuppies vor. Ein Plädoyer für den | |
| Verfolgungswahn.“ Die Story basiert auf einer Kurzgeschichte von Ray | |
| Nelson: Der Hilfsarbeiter John Nada (Roddy Piper) hat einen | |
| schlechtbezahlten Job auf einer Baustelle in Los Angeles. Er wohnt bei | |
| einem Kollegen in einer schäbigen Baracke im Ghettolager. Amerika aus der | |
| Mülltonne. Aber Nada hat den amerikanischen Traum noch nicht ausgeträumt, | |
| er glaubt immer noch an ehrliche Arbeit und daß er alles erreichen kann, | |
| wenn er nur will. | |
| Das ändert sich schlagartig, als er eines Tages eine Sonnenbrille findet. | |
| Als er das Ding aufsetzt, hat er plötzlich den Durchblick. Die Welt wird | |
| grau. Farbenfrohe Werbeplakate werden zu kargen Schildern mit Aufschriften | |
| wie „Gehorche“, „Nicht denken“, „Schlafe“. Auf einem normalen Dolla… | |
| findet er die Botschaft „Dies ist dein Gott!“ Die Gesichter der Reichen und | |
| Schönen verwandeln sich in häßliche Totenschädel mit Kristallaugen. Nada | |
| flippt aus. Er bewaffnet sich mit allem, was schießt und explodiert, und | |
| fängt an, die ertappten Invasoren abzuschlachten, um die Stadt und das Land | |
| zu retten. Halleluja! | |
| Das Peinlichste an dem Film, neben der wirklich miesen Inszenierung und der | |
| schlechten Charakterisierung der Figuren, ist der Hauptdarsteller Roddy | |
| Piper. Piper kam als professioneller Ringkämpfer zu Ruhm und Ehre. Das | |
| Eindrucksvollste an ihm, sein muskulöser Oberkörper, ist dann auch sein | |
| großes Talent. Ein Schauspieler ist er nicht. Null Gestik, null Mimik - nur | |
| Muskeln und Samenstränge der Mann. Vielleicht hätte Carpenters | |
| Lieblingsschauspieler Kurt Russell den Film retten können, aber ich | |
| bezweifle selbst das. | |
| Sogar die Musik, Carpenters Markenzeichen, mit der er früher diese herrlich | |
| unheimliche Stimmung schaffen konnte, ist diesmal dumpf und seltsam | |
| unpassend. Der ganze Film wirkt, nicht zuletzt durch den schlechten | |
| Schnitt, unfertig, wie eine Rohfassung. Spannung kommt keine Sekunde lang | |
| auf und Horror schon gar nicht. Dafür feiert die Langeweile wieder mal neue | |
| Triumphe. | |
| Karl Wegmann | |
| John Carpenter: Sie leben; mit Roddy Piper, Keith David, Meg Foster; USA | |
| 1988, 93 Min. | |
| 3 May 1989 | |
| ## AUTOREN | |
| karl wegmann | |
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