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# taz.de -- Wo warst du, als Di starb?Herz und Krone
> ENDE Vor fünfzehn Jahren starb Diana, Prinzessin von Wales, bei einem
> Unfall in Paris. Die Welt geriet aus den Fugen
VON KLAUS HILLENBRAND
Sonntag, 1. September 1997, 8.00 Uhr, der Radiowecker klingelt, Lady Di ist
in der Nacht mit Höchstgeschwindigkeit im Tunnel gestorben und der Tag ist
gelaufen. Will heißen: Ich weiß, wie der Tag laufen wird.
Der Tod von Lady Di geschah redaktionstechnisch günstig in der Nacht zum
Sonntag, was uns die Zeit schenkte, ausführlich über eine umfängliche
Berichterstattung nachzudenken. Das konnte nicht gut gehen.
Uiiiiii, was legten wir uns ins Zeug! Ralf Sotscheck, unser hilfloser
Irland-Korrespondent, wurde verdonnert, gleich zwei ellenlange Texte zu
verfassen, Afrika-Experte Dominic Johnson kümmerte sich nicht länger um
Afrika, sondern ergriff sein britisches Herz und lieferte eine
krisenkulturelle Gesamtgeschichte des Königshauses ab. Am Ende standen zwei
volle Seiten und dazu der Aufmacher der Seite eins. Wir waren stolz, dass
die kleine taz-Sonntagscrew das Thema so gut gestemmt hatte.
Und am nächsten Tag? Da wusch uns die Redaktionskonferenz, verdrießlich
gestimmt wie verlässlich an jedem Montag bis auf die heutige Zeit,
ordentlich den Kopf. Was das denn solle, das halbe Blatt mit diesem
irrelevanten Unsinn zu füllen? Ob wir vielleicht lieber zur Bunten wechseln
wollten?
Doch von solchen Zwischenfällen lassen sich Nachrichtenredakteure nur
kurzfristig beeinflussen. Natürlich blieben wir am Thema dran. Bis zur
Beerdigung von Lady Di fünf Tage später entstanden insgesamt 17 Artikel.
Und am Schluss gab’s sogar taz-exklusiv ein Bild von Immendorff auf der
Seite eins! Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte.
PS: Lady Di hat mich noch nie sonderlich interessiert.
## Fucking Dead
VON ALEM GRABOVAC
Damals studierte ich in London an der Guildhall University und wohnte in
einem Studentenwohnheim im East End. Am frühen Morgen kamen Cathy und
Linda, meine zwei Mitbewohnerinnen, von einer ihrer berühmt-berüchtigten
Partynächte nach Hause. Sie waren vollkommen betrunken, hatten sich
wahrscheinlich mal wieder jede nur erdenkliche Droge reingeworfen und
schrien die ganze Zeit: „Die verfickte Prinzessin ist tot, mausetot! Die
königliche Familie soll gefickt werden!“
Cathy und Linda drehten die Anlage auf, feierten den Tod von Lady Di und
forderten „den verfickten Deutschen“, also mich, und den „verfickten
Bangladeschi“ Rashid, einen weiteren Zimmernachbar, dazu auf, mit ihnen
mitzufeiern. Rashid war über diese Ruhestörung überhaupt nicht amused und
beschimpfte die zwei lautstark „als verfickte englische Huren“. „Mann,
Rashid“, schrien Cathy und Linda zurück, „die verfickte englische Hure
Prinzessin Diana ist mit ihrem verfickten arabischen Lover bei einem
Autounfall gestorben. Jetzt komm mal wieder runter. Wir wollen das doch nur
ein wenig feiern.“
Rashid glaubte ihnen kein Wort, bezeichnete die beiden nochmals „als
verfickte englische Huren“ und ging dann wieder zurück in sein Zimmer. Kurz
danach fielen Cathy und Linda in ihren drogenumnebelten Schlaf.
## Paparazzi-Fotos
VON ISABEL LOTT
Die Nachricht von Lady Dianas Unfall hörte ich nachts im Radio. Zuerst
wurde berichtet, sie sei schwer verletzt, ihr Zustand kritisch. Morgens war
sie tot und ich seltsam berührt. Über Lady Di wurde damals in allen Medien
so massiv berichtet, dass ich den Eindruck hatte, mehr über sie zu wissen
als über meine Bekannten. Mein Fernseher lief heiß, weil ich mir fast
zwanghaft alle Sendungen der Diana-Festspiele anschaute.
Ich habe mir auch viele Zeitungen und Zeitschriften gekauft, die über den
Tod von Lady Diana berichteten. Die Mehrzahl der Fotos in diesen
Zeitschriften – das weiß ich, weil ich selbst Fotoredakteurin bin – wurden
von Paparazzis gemacht, die für den Unfall in Paris verantwortlich waren.
Lady Di wurde damit zum prominentesten Opfer eines pervertierten
Verständnisses von Pressefreiheit. Seit ihrer Verlobung mit Prinz Charles
wurde sie von Fotografen belästigt und verfolgt. Aber Paparazzifotos werden
verkauft und veröffentlicht und sichern vielen Medien ihre Auflage oder
Einschaltquote. Namhafte Fotoagenturen müssen heute ihren anspruchsvollen
Bildjournalismus über Paparazzifotos querfinanzieren. Die Fotos der
sterbenden Diana wurden damals auf dem Markt angeboten. Bis heute hat sich
kein Medium getraut, sie zu veröffentlichen, trotz Aussicht auf eine
gigantische Auflagensteigerung.
## Liebe – Wahnsinn
##
VON WALTRAUD SCHWAB
Else, es war Else, die sagte: „Lady Di ist tot.“ Ich antwortete: „Du
spinnst.“ „Doch, doch, ein Unfall, die Liebe, der Wahnsinn.“ – Wo sie d…
gesagt hat? Vergessen. Wir hatten beide damals Liebeskummer. Wir waren nah
dran, am Drama.
Besser erinnere ich mich an die Beerdigung. Ich saß allein in der
Fabriketage, wo wir zu fünft wohnten, und schaute mir die Übertragung im
Fernsehen an. Ein Samstag war’s – normalerweise wurde in der WG da geputzt.
Das Regime war streng. Nur an diesem einen Tag stand eine Ausnahme auf dem
Plan: Statt Putzen gab es Paddeln. Wir waren an irgendeinem See verabredet.
Längst schon. Ich aber saß wie angenagelt vor dem Bildschirm. Die
Trauermusik, die tragenden Worte, Rose of England, candle in the wind, der
Chor, der sang, du kommst, du gehst – es ging mir unter die Haut. Heulend
saß ich auf dem Boden. Es war so toll, die Welt und den Schmerz zu fühlen.
Ich weinte mich leer.
Zum Paddeln kam ich zu spät. Es gab Ärger. Was? Hockst die ganze Zeit vor
dem Fernseher? Wegen der Kuh? Rührung, Berührung, sie verstanden es nicht.
25 Aug 2012
## AUTOREN
KLAUS HILLENBRAND / ALEM GRABOVAC / ISABEL LOTT / WALTRAUD SCHWAB
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