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# taz.de -- Wir gehen in die Tiefe: Der Bodenatlas 2015
> Von Biodiversität bis zu Ökolandbau und Tierhaltung informiert der
> Bodenatlas auf 52 Seiten.
Bild: Bedrohte Felder: Weltweite Verteilung von Risiken für große Agrarsystem…
Boden scheint unerschöpflich. Er ist einfach da. Unter unseren Füßen. Unter
den Feldern, dem Gras und den Bäumen. Wir leben von und auf dem Boden, aber
wir schenken ihm kaum Beachtung. Wenn auch einige wenige Weinkenner und
Weinkennerinnen den Geschmack des Bodens im Wein genussvoll wiederfinden –
für die meisten von uns gilt das nicht. Wer denkt schon beim Essen an den
Boden, auf dem fast alle unsere Lebensmittel gedeihen?
Dabei wäre gerade das wichtig. Denn Böden sind die Grundlage für unsere
Lebensmittelproduktion. Sie versorgen die Pflanzen mit Nährstoffen und
Wasser. In jeder Kartoffel, jedem Brot, jeder Maniok und jeder Polenta,
aber auch in jedem Schnitzel und jedem Brathähnchen stecken Nährstoffe aus
dem Boden. Ohne gesunde Böden kann keine gute Nahrung produziert werden.
## Böden schaffen Trinkwasser
Aber Böden sind nicht nur wichtig für die Lebensmittelproduktion. Sie
filtern Regenwasser und schaffen so neues, sauberes Trinkwasser. Sie
regulieren das Klima, denn sie sind nach den Ozeanen der größte
Kohlenstoffspeicher der Erde: Sie speichern mehr Kohlenstoff als alle
Wälder der Welt gemeinsam. Und Böden sind höchst lebendig! In einer
Handvoll Erde leben mehr Organismen als Menschen auf unserem Planeten. Zwei
Drittel aller Arten der Welt leben versteckt unter der Erdoberfläche.
Die Weltgemeinschaft hat sich drei wichtige Ziele gesetzt: Der Verlust der
Biodiversität soll gestoppt werden, die Klimaerwärmung soll auf höchstens
2° Grad Celsius ansteigen und jeder Mensch das Recht auf ausgewogene
Nahrung haben. Ohne fruchtbare Böden wird keines dieser Ziele erreicht
werden. Denn Böden erfüllen all ihre Funktionen nur, wenn das Bodenleben
intakt, die Humusschicht gesund und die Landrechte gesichert sind. Doch
trotz ihrer lebenswichtigen Funktionen und zentralen Bedeutung schützen wir
die Böden nicht. Tatsächlich gehen durch falsche Nutzung jährlich rund 24
Milliarden Tonnen fruchtbarer Boden verloren.
## Asphalt versiegelt fruchtbaren Boden
Die Ursachen für den Verlust sind vielfältig. Städte und das Straßennetz
dehnen sich aus. Asphalt versiegelt fruchtbaren Boden und schädigt ihn
unwiederbringlich. Sogar in Ländern mit sinkenden Bevölkerungszahlen wie
Deutschland verlieren täglich 77 Hektar Boden ganz oder teilweise ihre
Funktion. Das sind umgerechnet mehr als 100 Fußballfelder, die allein in
Deutschland nicht mehr für die Produktion von Nahrungsmitteln zur Verfügung
stehen. Aber auch die Landwirtschaft, die selbst von der Qualität der Böden
abhängig ist, trägt eine Mitverantwortung für diesen Verlust. Große
Maschinen verdichten die Bodenstruktur, Pestizide und Mineraldünger
verringern das Bodenleben, Wind und Wassererosion wehen oder schwemmen den
fruchtbaren Boden einfach davon.
Wir nutzen die Böden der Welt, als wären sie unerschöpflich, und heben
dabei von einem Konto ab, auf das wir nicht einzahlen. Denn es braucht
häufig mehrere tausend Jahre bis sich eine dünne Schicht fruchtbarer
Oberboden bilden kann, aber nur eine Stunde starken Regens, um ihn zu
verlieren. Böden sind in menschlichen Zeiträumen nicht erneuerbar.
## Bedrohung durch Landlosigkeit
Hinzu kommt, dass der Zugang zu Böden weltweit sehr ungleich verteilt ist.
Landlosigkeit oder das Wirtschaften auf sehr kleinen Flächen bedrohen das
Überleben vieler Familien. 1,3 Hektar braucht ein durchschnittlicher
Europäer im Jahr für die Produktion der von ihm konsumierten Produkte. Das
ist rund sechsmal mehr als einer Person in Bangladesch zur Verfügung
stehen. Fast 60 Prozent der für den europäischen Konsum genutzten Flächen
liegen zudem außerhalb der EU.
Immer mehr wächst der weltweite Hunger nach Nahrungsmitteln, Futtermitteln
und Biomasse für Treibstoffe. Immer mehr wächst damit der Wert von Land.
Der Kampf um sichere Landrechte, seien sie gemeinschaftlich oder
individuell, ist eine zentrale Frage des Überlebens in vielen Regionen der
Welt. Die globale Bedeutung der Böden verlangt nach globalen Antworten.
Antworten, die die Menschenrechte aller Nutzer ernst nehmen. Und doch ist
auch aufgrund des deutschen Widerstands der Vorschlag für einen gemeinsamen
europäischen Bodenschutz nicht umgesetzt worden. Im Gegenteil, die
zaghaften Reformen der EU-Agrarpolitik zeigen, wie schwer es ist, alte
Strukturen zu verändern und nachhaltige und gerechte Produktionsweisen zu
stärken.
Das Jahr 2015 ist das Internationale Jahr der Böden. Die UN will mit diesem
Jahr für den Bodenschutz werben. Und wir wollen mit dem Bodenatlas zeigen,
wie das gelingen kann und warum Böden uns alle angehen. Es lohnt sich, für
eine gerechte und nachhaltige Land- und Bodenpolitik zu streiten und beim
täglichen Einkauf immer häufiger auch an den Schutz der Böden zu denken.
Barbara Unmüßig (Heinrich-Böll-Stiftung), Klaus Töpfer (Institute for
Advanced Sustainability Studies), Hubert Weiger (Bund für Umwelt und
Naturschutz Deutschland), Barbara Bauer (LE MONDE diplomatique)
5 Jan 2015
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