| # taz.de -- Wilhelmshavener Industriedenkmal bedroht: Unterschätztes Erbe | |
| > Bremens Speicher XI, Schleswig-Holsteins Leuchttürme, Niedersachsens | |
| > Bergwerke: In Norddeutschland gibt es einige Beispiele gelungener | |
| > Industriedenkmalpflege. Weniger erfreulich ist die Situation der | |
| > Südzentrale Wilhelmshaven: Ihr droht der Abriss. | |
| Bild: Parkplätze statt stolze Kraftwerksarchitektur: Die Wilhelmshavener Südz… | |
| WILHELMSHAVEN taz | Dass Schlösser, alte Rathäuser und Kirchen, aber auch | |
| historische Gärten als anerkannte Denkmäler gelten, ist kultureller Konsens | |
| in Deutschland. Schwieriger scheint die Akzeptanz der teils großflächigen | |
| Nachlässe technik- und industriegeschichtlicher Art, also der Fabriken, | |
| Kraftwerke, Getreidemühlen und - entlang norddeutscher Küsten - Anlagen der | |
| Seehafenwirtschaft. | |
| Nach einer Nutzungsaufgabe werden diese häufig als Störfaktor einer | |
| privatwirtschaftlichen Neuverwertbarkeit der Areale gesehen und in | |
| vorauseilendem Gehorsam weggeplant. | |
| Damit wird unterschlagen, dass die Kulturlandschaften einer Industrienation | |
| wie Deutschland ebenso stark von ihren technischen Bauwerken geprägt sind | |
| wie von Dorfkirchen, Schlössern und reetgedeckten Bauernhäusern. | |
| Wie sieht nach 40 Jahren Industriedenkmalpflege die Situation in | |
| Norddeutschland aus? Erfreulich scheint beispielsweise die Wendung, die | |
| Bremens Überseestadt genommen hat. Suggerierte das gigantische erste | |
| Masterplan-Modell 2003 noch für das 300 Hektar große innenstadtnahe Areal | |
| rund um den aufgegebenen und verfüllten Überseehafen die konventionelle | |
| Flächensanierung weitgehend ohne alte Bestandsbauten, so kann | |
| Landeskonservator Skalecki dort mittlerweile auf 16 denkmal- oder | |
| erhaltungswürdige Objekte verweisen. | |
| Deren Charme und Potential konnte Investoren vermittelt werden. Neben dem | |
| 400 Meter langen Speicher XI aus dem Jahr 1910 sind es vor allem jüngere | |
| Gebäude wie der markante Schuppen 1 von 1959. | |
| Sie alle wurden oder werden baukonstruktiv einfach, ohne überzogene | |
| technische Anforderungen für eine bestandsverträgliche Neunutzung | |
| ertüchtigt, in der Regel für die üblichen Interessenten des kreativen | |
| Sektors. | |
| Es bleibt allerdings die Frage, ob sich diese Einzelbauten gegen das | |
| unvermeidliche Architektur-Spektakel aus neuen Citylofts, Kranhäusern und | |
| Landmarktowers werden behaupten, gar so etwas wie eine Charakteristik für | |
| das gesamte Quartier prägen können. Und ob die Mischung mit verbliebener, | |
| ganz handfester Hafenwirtschaft längerfristig funktionieren kann. | |
| Nicht gegen, sondern nur mit Eigentümern und Investoren lassen sich | |
| Denkmäler entwickeln. Häufig bedarf es aber erst einmal kultureller | |
| Basisarbeit privater Initiativen, um auf die historische Bedeutung und | |
| Identitätsstiftende Qualität gerade technischer Bauten aufmerksam zu | |
| machen. | |
| Denn die amtliche Denkmalpflege in Kommunen und beratenden Landesämtern | |
| scheint längst überfordert, allen Objekten eines modernen, erweiterten | |
| Denkmalbegriffes noch Herr werden zu können. | |
| Die Behörden werden zudem kontinuierlich "verschlankt", ihre Förderetats | |
| sind ohnehin eher symbolischer Art. So musste zum Beispiel ein Bürgerverein | |
| ins Leben gerufen werden, um die Zerstörung der erschöpften Erzförderstätte | |
| Rammelsberg im Harz zu verhindern. | |
| Zusammen mit der Altstadt Goslars zählt das stillgelegte Bergwerk seit 1992 | |
| gar zum Unesco-Weltkulturerbe, mittlerweile erweitert um die Oberharzer | |
| Wasserwirtschaft, das Kloster Walkenried und die historische Grube Samson. | |
| Die touristisch-museale Vermarktung ist ein Segen für die strukturschwache | |
| Harzregion. | |
| Darauf setzt man auch in Schleswig-Holstein: dort ist es die maritime | |
| Technikkultur aus Leuchttürmen und Seezeichen. Man hofft auf private | |
| Partnerschaften, um den Erhalt dieser bei Bevölkerung wie Touristen | |
| gleichermaßen beliebten authentischen Objekte zu sichern. | |
| Nun sollte wahrlich nicht jedes Baudenkmal musealisiert werden, | |
| andererseits degradiert manch radikale Umnutzung einen Bestandsbau zur | |
| reinen "Architekturhülse", wie Axel Föhl, Nestor der Industriedenkmalpflege | |
| in Deutschland, warnt. | |
| Den Königsweg seiner Disziplin sieht er in einer Funktionskontinuität, also | |
| der nahe liegenden gewerblichen, gar industriellen Nachnutzung eines | |
| Bestandsobjektes und seines Areals. | |
| Derartige, auch wirtschaftlich belegte Konzepte hatten eine lokale | |
| Initiative und ein Workshop des Bundes Deutscher Architekten BDA bereits | |
| 2004 für die vom Abriss bedrohte Südzentrale in Wilhelmshaven aufgezeigt. | |
| Dieses ehemalige Kraftwerk der kaiserlichen Marine, ab 1909 in mehreren | |
| Bauphasen am "Großen Hafen" zu einem der seinerzeit leistungsstärksten | |
| Stromerzeuger Europas ausgebaut, steht zwar seit 1991 unter Denkmalschutz - | |
| übrigens auf Antrag eines einzelnen Bürgers, nicht einer Behörde - verfällt | |
| aber sukzessive seit der Betriebseinstellung 1993. | |
| Im Sinne einer "friedlichen Koexistenz" wurde den Entscheidungsträgern nahe | |
| gelegt, dem benachbarten Kühlhausbetreiber die gewünschte Erweiterung auf | |
| das Gelände der Südzentrale zu ermöglichen, und den Erlös abzuschöpfen für | |
| eine schrittweise, behutsame Nutzungsertüchtigung der Südzentrale für | |
| maritimes Gewerbe. | |
| Eine unselige Allianz jedoch aus chronischem Geldmangel und ignoranter | |
| Tatenlosigkeit sowie allmächtiger Hafenwirtschaft im Hintergrund vereitelte | |
| immer wieder, was in anderen Städten mit konstruktivem Wollen gelingt. | |
| Wilhelmshaven setzt auf Alles oder Nichts - und seien es Parkplätze | |
| anstelle der stolzen Kraftwerksarchitektur. Seit einem neuerlichen | |
| Abrissantrag Anfang des Jahres sieht es einmal mehr nach Nichts aus. | |
| 16 May 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Bettina Maria Brosowsky | |
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