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# taz.de -- Wie mit Rechten reden?: Wortgewandt statt sprachlos
> Kann praktische Ideologiekritik, kann das Diskutieren mit Rechten
> funktionieren? Manchmal schon, meint die Gruppe „Zweifel & Diskurs“. Ein
> Gespräch.
Bild: Nicht alle Rechten sind gleich stur, mit manchen kann man sogar reden
Dennis Pestel vom Projekt „[1][Echt Jetzt?!]“ der [2][Gruppe Zweifel &
Diskurs] organisiert Argumentationstrainings gegen Rechts in verschiedenen
Orten in Sachsen-Anhalt und in Berlin. Er erklärt, wann es sich lohnen
kann, auf rechte Aussagen einzugehen.
## taz: [3][Sollen wir mit Rechten reden?]
Dennis Pestel: Im Alltag reden Rechte sowieso die ganze Zeit indirekt mit
uns: Unter Kollegen, auf dem Schulhof oder auf Familienfeiern bekommen wir
rechte Argumente zu hören. Bekannte, die kein geschlossen rechtes Weltbild
vertreten, empfinden ein Unbehagen mit der Gesellschaft und äußern
Gedanken, wie sie von AfD und Co. propagiert werden. So sind wir immer
wieder, vermittelt über andere, mit den Aussagen der Rechten konfrontiert
und müssen uns dazu verhalten.
## Wir kommen also gar nicht umhin, uns mit Rechten oder ihren
Sympathisanten auseinanderzusetzen?
Hier unterscheide ich zwischen Rechten oder [4][Rechtsextremen] mit einem
geschlossenen Weltbild auf der einen Seite, denen oftmals nicht an
gemeinsamem Erkenntnisgewinn gelegen ist, und auf der anderen Seite
offenen, ansprechbaren Leuten, die rechtes Gedankengut aufgeschnappt haben
und das gerne diskutieren würden.
## Wie sollen wir denn diese Unterscheidung treffen?
Mich interessiert dabei, ob mein Gegenüber mir zuhören möchte und auch
meine Gedanken ernst nimmt, oder nur noch Parolen abspult. Nach kurzer Zeit
merkt man: geht es der Person noch um die Sache an sich oder sucht sie nur
Bestätigung für ihre chauvinistische Haltung? Im ersteren Fall würde ich
eher von Vorurteilen sprechen: Die Person kann mittels eigener Erfahrung,
zusätzlichen Informationen oder neuer Gedankengänge die pauschalen Urteile
revidieren.
## Warum sollte das denn nicht bei allen funktionieren, auch bei
überzeugten Rechten?
Diese Frage führt uns zum Ressentiment, was im Gegensatz zum Vorurteil die
realen Erfahrungen nicht mehr zulässt. Dabei wird all das, was nicht ins
eigene Weltbild passt, geleugnet. Die eigenen verdrängten Ängste oder
Sehnsüchte werden dabei als Ressentiment auf andere Menschen projiziert. So
kommt es etwa, dass Menschen ihre eigene Sorge um sozialen Abstieg in Hass
auf Obdachlose und „Schmarotzer“ kanalisieren.
## An anderer Stelle sprechen Sie von Ideologiekritik. Was meinen Sie
damit?
Die kapitalistische Gesellschaft ist [5][katastrophal] eingerichtet und
lässt jede*n die eigene Ohnmacht spüren. Um aber in der Gesellschaft
mitmachen zu dürfen, müssen wir all diese falschen Selbstverständlichkeiten
täglich reproduzieren. Das Unbehagen mit all den Zumutungen wird
beispielsweise „den Bankern“ oder „den Flüchtlingen“ angelastet. Diese
Personifizierung von gesellschaftlichen Verhältnissen ist aufzudecken.
## Das klingt zunächst recht theoretisch. Wie kann diese abstrakte Kritik
greifbar werden?
Da gibt es zum Beispiel einfache Nachfragen: „Glaubst du, dass wenn den
Flüchtlingen die Gelder gekürzt werden, dann automatisch mehr Geld auf die
Konten der deutschen Rentner kommt?“ An diesen Beispielen zeigt sich,
weshalb personalisierte Kritik am Kapitalismus verkürzt und nicht nur
unzureichend, sondern gefährlich ist.
## In Ihren Workshops geht es genau um solche Gesprächssituationen. Wie
gehen Sie dabei vor?
Vermutlich kennt jede*r Momente von Sprachlosigkeit, wenn in der
Mittagspause der Kollege etwas gegen Flüchtlinge sagt. In unseren Workshops
setzen wir bei diesem Gefühl der Ohnmacht an, das wir haben, wenn wir auf
rechte Aussagen nicht antworten können. Weil es schwer ist, die eigene
Sprachlosigkeit vor anderen zu thematisieren, gibt es die „Ideolotterie“.
Nach kurzem theoretischen Input notieren Teilnehmer*innen [6][unserer
Workshops] auf Zetteln ihre Erlebnisse mit solchen Statements und werfen
diese in unsere „Lostrommel“.
## Was passiert dann mit diesen Zetteln?
Immer wieder faszinierend ist, wie eifrig alle nach kurzem Überlegen ihre
Erfahrungen niederschreiben. Allein die Ermunterung, sich mit der
persönlich erfahren Sprachlosigkeit zu befassen, erscheint mir hilfreich.
In der gemeinsamen Diskussion ziehen wir Zettel für Zettel. Ein*e
Referent*in versucht spontane Antworten zu finden. Dabei wird deutlich,
dass auch langjährige Erfahrung mit politischer Theorie und Kommunikation
nur selten eine spontane Antwort ermöglicht. Wir wollen zeigen, dass es
ganz normal ist, zu zögern, zu hadern und sich Zeit zum Nachdenken zu
nehmen.
## Wie passiert das in den Workshops?
Auf einem Zettel stand „Ich kann mir meine Miete kaum noch leisten, aber
Geld und Mitgefühl ist nur noch für Flüchtlinge da“. Hier würde ich auf d…
berechtigten Ärger über hohe Mieten eingehen. Wer sowas sagt, ist eventuell
ansprechbar für aktuell laufende Kampagnen gegen die
[7][Wohnungssituation]. Die reale Erfahrung, mit Leuten verschiedener
Herkunft über gemeinsame Probleme zu sprechen und sich zusammenzutun, ist
vermutlich das beste Mittel gegen Rassismus.
## An wen richten sich Ihre Workshops?
Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene nehmen teil. Viele sagen, dass
sie mit den Aussagen intuitiv ein Problem haben, weil sie die
diskriminierende Bedeutung erkennen. Sie suchen noch einen eigenen Umgang
damit. Außerdem kommen gern Multiplikator*innen, die mit Jugendlichen
arbeiten und im Job immer wieder in solchen Situationen kommen. Wir wollen,
dass eine inhaltliche Auseinandersetzung mit rechtem Gedankengut nicht nur
an der Universität passiert.
Die Fragen stellte [8][Laurin Lorenz].
6 Dec 2018
## LINKS
[1] http://echt-jetzt.mobi/
[2] http://zweifelunddiskurs.blogsport.de/
[3] /Debatte-Reden-mit-Rechten/!5548652/
[4] /!5541242/
[5] /!t5007647/
[6] http://echt-jetzt.mobi/
[7] /!t5013826/
[8] /!a46562/
## AUTOREN
Laurin Lorenz
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