# taz.de -- „Wichtig ist das Herz“ | |
> Vor dem Abstiegsduell im Fed Cup gegen Kroatien spricht Team-Chefin | |
> Barbara Rittner über die andauernde Krise des deutschen Frauentennis und | |
> ihre Nummer eins Anna-Lena Grönefeld | |
INTERVIEW ANDREAS RÜTTENAUER | |
taz: Frau Rittner, haben Sie Angst vor dem Abstiegsduell gegen Kroatien? | |
Barbara Rittner: Wenn ich Angst hätte, dann wäre ich in dem Job falsch. | |
Nein, ich freue mich darauf. Wir haben eine gute Trainingswoche hinter uns. | |
Ich bin einfach gespannt, wie wir uns verkaufen, wie Anna-Lena Grönefeld | |
nach ihrer Pause spielt, ob sie das, was sie im Training gezeigt hat, im | |
Match rüberbringen kann, und am meisten natürlich, wie es ausgeht. Egal | |
wie, wir wollen gewinnen. | |
Warum ist Anna-Lena Grönefeld plötzlich wieder ihre Nummer eins? | |
Eigentlich wollte ich Tatjana Malek und Sandra Klösel spielen lassen. Die | |
Anna hat aber so gut trainiert, sich auch von Tag zu Tag gesteigert, dass | |
ich gesagt habe, sie ist schon wieder so weit. Ihre Erfahrung im Fed Cup | |
und überhaupt in ihrer Karriere hat dann letztlich den Ausschlag gegeben. | |
Eine mutig Entscheidung. | |
Ich glaube, ich kenne die Anna-Lena ganz gut, auch wenn sie insgesamt ein | |
eher verschlossener Mensch ist. Wir haben im Fed Cup viele extreme | |
Situationen erlebt. Bei ihrem ersten Einsatz in der Ukraine zum Beispiel, | |
wo sie als ganz junge Spielerin zwei Matches verloren hat und ich sie | |
trösten musste, das Spiel in Kroatien, wo sie zwei Punkte gemacht hat, und | |
das auch für mich beinahe schon traumatische Ereignis letztes Jahr in | |
Ettenheim, als wir die Chance hatten, gegen die USA zu gewinnen, und als | |
der Anna die Nerven versagt haben. Anna hat einfach mein Vertrauen, das | |
wollte ich ihr auch zeigen. Ich hoffe, dass sie sich gut verkauft, dass | |
ihre Nerven mitspielen. Auch wenn sie noch lange nicht da ist, wo sie war. | |
Wie haben die anderen im Team auf ihre Entscheidung reagiert? | |
Im Team herrscht volle Akzeptanz und auch Respekt für alles, was die Anna | |
in den letzten Jahren geleistet hat. Wir haben einen super Teamgeist. | |
Das war nicht immer so. Die beste deutsche Tennisspielerin, Martina Müller, | |
gehört ja nicht mehr zum Team. | |
Ich denke, dass die Mannschaft zusammenhält. Nach der Niederlage in | |
Ettenheim ist ja alles völlig auseinander gebrochen. Und dass sie dann vor | |
der darauffolgenden Partie in China finanzielle Forderungen gestellt hat, | |
das hat mich schon enttäuscht. | |
Wird es ein Comeback von Müller im Fed Cup geben? | |
Die Martina ist den Schritt weggegangen von der Mannschaft. Wenn sie sich | |
an mich oder den Deutschen Tennisbund wendet, ist die Tür offen – aber | |
nicht zu den Bedingungen, die sie stellt. | |
Eine Spielerin von internationalem Spitzenniveau ist auch Müller nicht. | |
Wann ist denn mit dem Ende der Krise im Frauentennis zu rechnen? | |
Wir hatten mit der Anna eine, die unter den ersten 20 der Welt war, bevor | |
sie völlig den Faden verloren hat. Ich glaube, sie hat den Willen, da | |
wieder hinzukommen. Die jungen Spieler, die jetzt dabei sind, haben das | |
Zeug, unter die ersten 50 bis 30 zu kommen. Ich sehe allerdings keine | |
absolute Überfliegerin dabei. Es sind insgesamt zu wenige da, die sich | |
quälen wollen, bereit sind, sich auf die eine Sache Tennis zu | |
konzentrieren. Ich bin teilweise erschreckt, wie wenig da ist. | |
Bräuchte es also mehr strenge, ehrgeizige Tenniseltern, mehr diktatorische | |
Trainer? | |
Klar, das braucht man. Man darf aber nicht vergessen: Auch wenn Steffi Graf | |
einen strengen Vater hatte, das Wichtigste ist immer noch das eigene Herz, | |
ob man selber will, ob man hart arbeitet. Und das vermisse ich eben. | |
Hat man in Deutschland die Entwicklung zum physischen Spiel verschlafen? | |
Nein, das glaube ich nicht. Fest steht aber: Heute kann man nicht mehr mit | |
ein bisschen Talent und Training vorne mitspielen. Dass muss man den | |
Jugendlichen einhämmern: Wenn ihr vorne mitspielen wollt, dann gehört | |
einfach mehr dazu, als ein bisschen Bälle schlagen. Wenn man heute | |
Tennisprofi sein will, dann ist das harte Arbeit. | |
Das war früher anders? | |
Anfang der 90er, als ich selbst noch unter den ersten 30 der Welt gespielt | |
habe, da musste man schon einen verdammt schlechten Tag haben, um gegen | |
eine zu verlieren, die nicht unter den Top 100 stand. Die meisten | |
Amerikanerinnen konnten noch nicht auf Sand spielen. Die körperliche | |
Fitness war nicht so gefragt. Das hat sich in den letzten zehn Jahren sehr | |
verändert. | |
Deutschland spielt gegen den Abstieg in die Drittklassigkeit. Wo steht das | |
deutsche Frauentennis? | |
Die erste Weltgruppe hat acht Mannschaften, ebenso wie die zweite, wo wir | |
jetzt sind. Zu sagen, unser Ziel ist der Aufstieg, wäre nicht realistisch. | |
Wir sind da, wo wir hingehören. | |
21 Apr 2007 | |
## AUTOREN | |
ANDREAS RÜTTENAUER | |
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