| # taz.de -- Waldbesitzer im Sauerland: Einmal Fichte, immer Fichte | |
| > Die Waldbesitzer im Sauerland haben aus den verheerenden Sturmschäden | |
| > nach "Kyrill" nichts gelernt. Sie pflanzen Fichten in Monokulturen. | |
| Bild: Fichte: Im Sauerland das dominierende Holz. | |
| Die Fichte steht für Stabilität, selbst wenn sie fällt. Vor vier Jahren | |
| mähte der Orkan "Kyrill" sie im Sauerland hektarweise nieder. Die | |
| Waldbauern sahen, verzweifelten und pflanzten: die Fichte. Im stark | |
| betroffenen Hochsauerland wachsen auf rund 3.000 Hektar nun wieder dicht an | |
| dicht die altbekannten Nadelbäume. | |
| Das internationale "Jahr der Wälder" könnte damit ein düsteres für die in | |
| Nordrhein-Westfalen werden. Denn Landesregierung und Umweltschützer | |
| diagnostizieren der Fichte latente Fallneigung bei Stürmen und eine | |
| unzeitgemäße Einstellung zum Klima. Letzteres, weil sie relativ viel | |
| Feuchtigkeit braucht, bei steigenden Temperaturen. | |
| Die stängelartigen Hölzer werden vorwiegend in Reinkulturen gepflanzt. | |
| Andere heimische Arten wie Buche und Eiche müssen draußen bleiben. Die | |
| Wurzeln der Fichten graben sich im Vergleich zu diesen Laubbäumen aber nur | |
| in den oberen Bereich der Erde. Dem Orkan von 2007 gaben sie schnell nach. | |
| Rund 15 Prozent aller Fichten allein in NRW fielen Anfang 2007 um. | |
| Danach hätte alles anders werden können. In seltener Einigkeit forderten | |
| Naturschutzbund und Forstämter, die Fichten müssten sich zu robusteren | |
| Buchen oder Eichen gesellen. So hätten sie kommende Stürme abwettern | |
| können. Es hätte sie auch besser vor dem Borkenkäfer geschützt, für den | |
| Reinbestände ein Festmahl darstellen. All das ist passiert, teilweise. Im | |
| Hochsauerland darf sich der Wald auf immerhin 2.500 Hektar nun ohne | |
| künstliche Eingriffe austoben. Auch Mischwälder wachsen nun auf den | |
| Sturmflächen. Doch mit rund 3.000 Hektar, das sind 35 Prozent, dominierten | |
| flächenmäßig wieder Fichten. Etwa 30 Prozent sind es im Märkischen | |
| Sauerland. | |
| Forstwirtschaftlich fahren die Waldbauern damit auf Sicht. "Die denken | |
| sich, so ein Kyrill kommt ja nicht jedes Jahr", sagt Hans von der Goltz, | |
| Forstamtsleiter im Oberen Sauerland. Das stimmt, aber er kommt alle 10 bis | |
| 20 Jahre, statistisch gesehen. | |
| Zwei Drittel der Waldflächen in Nordrhein-Westfalen liegen in privater | |
| Hand, der höchste Anteil deutschlandweit. "Das reicht vom Biolehrer zum | |
| Augenarzt", sagt Christoph Grüner vom Landesbetrieb Wald und Holz. Wer | |
| davon für sein Erbe pflanzt, hat sich überzeugen lassen von neuen | |
| Baumarten. Die wachsen teils nur halb so schnell wie die Fichte, erleben | |
| aber mit größerer Gewissheit ihren Lebensabend. | |
| Andere suchen das schnelle Geld im Forst und klammern sich an das, was bis | |
| zum Sturm funktioniert hatte. Die Landesförderung für nachhaltigen Wald | |
| verschmähten sie. "Trotz dieser Gelder waren Mischbestände nicht billiger | |
| als die Fichten", sagt Forstämtler von der Goltz. | |
| Heidrun Buß-Schöne vom Waldbesitzerverband rechtfertigt solche | |
| Entscheidungen: "Mischwälder sind insgesamt sicher sinnvoller, aber auch | |
| Reinbestände haben ihren Platz in der Natur." Zudem habe "Kyrill" viele | |
| Waldbauern in Existenznot gebracht. Die Preise für Fichtenholz fielen 2007 | |
| fast um die Hälfte, da der Orkan Massen davon auf den Markt geworfen hatte. | |
| Die Einnahmen der Waldbauern brachen in dieser Zeit ein. Wälder mussten | |
| geräumt und neu bepflanzt werden: Also statt knorriger Eichen lieber erneut | |
| schnelle Fichten, vermeintlich sicheres Geld. Oder noch schnellere | |
| Nordmanntannen, der Deutschen liebste Weihnachtsbäume. "Die Forstbetriebe | |
| wollen nicht 60 Jahre lang warten, bis das nächste Geld fließt", sagt | |
| Meinolf Mütherich, Vorsitzender der regionalen Weihnachtsbaumerzeuger. | |
| Bei den Weihnachtsbäumen fließt das Geld schon nach höchstens zwölf Jahren. | |
| "Wenn man alles durcheinander pflanzt, wird die Ernte schwierig", weiß | |
| Geschäftsmann Mütherich. Knapp zwölf Prozent der vom Sturm gefällten | |
| Flächen im Hochsauerland werden derzeit mit Nordmanntannen versehen. Auch | |
| das hätte Forstamtsleiter von der Goltz gerne verhindert. So steht der Wald | |
| schlechter da als vorher. Der Tannendünger belaste die Erde, die | |
| Artenvielfalt leide. | |
| 18 Feb 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Moritz Schröder | |
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