# taz.de -- Vor dem UN-Ernährungs-Gipfel im Herbst: Kritik am Hunger-Gipfel | |
> Weltweit fordern Menschen eine Landwirtschaft, die Hunger beseitigt und | |
> nachhaltig ist. Wie das gehen kann, soll in Rom diskutiert werden. | |
Bild: Eine Bäuerin jätet Unkraut auf einem Sorghum-Feld in Burkina Faso | |
BERLIN taz | Wie die Menschheit künftig ausreichend gute Lebensmittel für | |
alle produzieren und dabei die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten kann, | |
darüber diskutieren ab dem heutigen Montag bis Mittwoch Politik, | |
Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Wirtschaft in Rom. | |
Auf diesem „Vor-Treffen“ bereiten sie den UN-Gipfel „United Nationals Food | |
Systems Summit“ im September in New York vor. Nichtregierungsorganisationen | |
wie Brot für die Welt, die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft | |
(AbL), Fian oder Inkota sehen in dem Gipfel „eine Chance, wichtige Weichen | |
zu stellen“, um Probleme wie die steigende Zahl der Hungernden oder die | |
[1][Gefahr des Klimawandels für die Nahrungsmittelproduktion] anzugehen. | |
Allerdings kritisieren die Organisationen die Themen- und Teilnehmerauswahl | |
auf dem Gipfel. „Das Machtgefälle zwischen Agrarkonzernen und kleinen- und | |
mittelständischen Lebensmittelerzeuger*innen wird nicht | |
berücksichtigt“, sagt Paula Gioia von der AbL. Zudem werfen die | |
Organisationen den UN vor, die „„Allianz für eine grüne Revolution in | |
Afrika“ nehme einen zu großen Einfluss. | |
Diese Allianz, kurz Agra, setzt darauf, die Erträge kleinbäuerlicher | |
Betriebe im globalen Süden zu steigern, in dem diese industrielles Saatgut, | |
Dünge- und Pflanzenschutzmittel einsetzen. Damit zeige sie keine Erfolge im | |
Kampf gegen den Hunger, vielmehr bereite sie durch politische Lobbyarbeit | |
Saatgut- und Düngemittelkonzernen einen Boden, etwa in Ghana und Burkina | |
Faso, heißt es in der Analyse [2][„Die Allianz für eine Grüne Revolution | |
ist gescheitert“, die sie kürzlich veröffentlicht haben]. | |
Die Kritik von Entwicklungsorganisationen an der Agra – die von der | |
Bill-und-Belinda-Gates-Stiftung und der Rockefeller-Stiftung initiiert und | |
hauptsächlich finanziert wird – ist nicht neu. Schon [3][im vergangenen | |
Jahr hatten sie diese in dem Bericht „Falsche Versprechen“ publiziert]. Neu | |
ist aber die Datengrundlage der Analyse, nämlich eine Evaluierung der Agra | |
selbst. Diese hatte die Allianz auf Druck der US-amerikanischen | |
Organisation „Right to Know“ veröffentlichen müssen und diente Brot für … | |
Welt und Co nun als Grundlage für ihren neuen Bericht. Demnach finanziert | |
das Bundesministerium (BMZ) für wirtschaftliche Zusammenarbeit die | |
Agra-Aktivitäten mit insgesamt 35 Millionen Euro. Fragen der taz zur | |
Zusammenarbeit des BMZ mit der Agra beantwortete das Ministerium nicht. | |
## Kritik an Agra-Ansatz | |
„Die Agra zugeschriebenen Kompetenzen bei der Hungerbekämpfung und die | |
Übernahme von einflussreichen Rollen wie derzeit beim Welternährungsgipfel | |
der UN erfolgen auf keiner empirischen Grundlage“, sagt Lena Bassermann, | |
Referentin für Welternährung beim Inkota-netzwerk. „Sogar aus den | |
Agra-eigenen Evaluierungen geht hervor, welche große Bedeutung bäuerliche | |
Saatgutsysteme und das Recht auf Saatgutnachbau in ihren Partnerländern | |
haben“, sagt Stig Tanzmann, Landwirtschaftsexperte von Brot für die Welt, | |
„doch statt auf dem bäuerlichen Wissen aufzubauen, verfolgt Agra | |
kompromisslos den Ansatz, der allein industrielles Saatgut anerkennt. | |
Der Agra-Ansatz verschaffe „den an Projekten beteiligten Bauern und | |
Bäuerinnen nicht einmal Einkommen oberhalb der Armutsgrenze“, heißt es in | |
dem Hintergrundpapier. Erfolgreich sei die Agra nur darin, politischen | |
Einfluss auf Ministerien und Beratungsgremien afrikanischer Regierungen | |
auszuüben, um „einen institutionellen Rahmen“ zu schaffen, der die eigenen | |
Ansätze der „Grünen Revolution durch Gesetze und Rahmenbedingungen | |
legitimiert“, heißt es weiter. | |
Den Kleinbauern aus der Armut zu helfen brauche Zeit, verteidigt sich die | |
Agra gegenüber den Vorwürfen. Zudem unterstütze die Allianz „lokale | |
afrikanische Unternehmen (KMUs), um lebensfähige Input-Geschäfte in | |
Saatgutsystemen zu betreiben“, so eine Sprecherin. „Agra finanziert keine | |
Düngemittelunternehmen; im Gegenteil, wir finanzieren Universitäten und | |
Forschungsinstitutionen, um Empfehlungen zu erarbeiten, wie die Menge an | |
Düngemitteln, die in landwirtschaftlichen Systemen eingesetzt werden, durch | |
Mischen und Mikrodosierung reduziert werden kann“, so die Sprecherin. | |
26 Jul 2021 | |
## LINKS | |
[1] /EU-Agrarminister-fuer-mehr-Bio/!5781791 | |
[2] https://www.brot-fuer-die-welt.de/fileadmin/mediapool/downloads/fachpublika… | |
[3] /Aktivist-ueber-Landwirtschaft-in-Afrika/!5698089 | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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