| # taz.de -- Vom Verband gerädert | |
| > ■ Jens Schwedler startet bei der Radcross-WM in Belgien obwohl er schon | |
| > zurückgetreten war | |
| Stell dir vor, Du willst Weltcup fahren und deine Startnummer fehlt. Weil | |
| Dein Verband vergessen hat, Dich offiziell anzumelden. „Die hätten uns rein | |
| theoretisch auch nach Hause schicken können. Das ist das Peinlichste, was | |
| passieren kann.“ Jens Schwedler könnte – hat er sich erstmal in Fahrt | |
| geredet – viele solcher Anekdoten erzählen, die den schwachen Stellenwert | |
| seiner Disziplin im Bund Deutscher Radfahrer (BDR) belegen. Aber eigentlich | |
| will er das ja gar nicht mehr, „negative Wäsche waschen. Es gibt ja auch | |
| Positives. Alle müssten sich nur mal zusammenreißen, die Fehler angucken | |
| und dann was verbessern. Aber das macht keiner. Alle bemühen sich, aber das | |
| ist im Prinzip zu wenig.“ | |
| Als Chef des Hamburger MTB-Rennstalls „Stevens-JeanTex“ ist der 33-jährige | |
| Pinneberger finanziell inzwischen vom BDR völlig unabhängig. Das sah in den | |
| 1990ern noch anders aus, doch bereits damals war Schwedler mit öffentlicher | |
| Kritik am maroden Cross-Betrieb unter Ex-Bundestrainer Klaus Jödens zum | |
| Buhmann der Funktionäre avanciert. Die Konsequenz: Internationale | |
| Wettkämpfe fanden trotz entsprechender Leistung meist ohne ihn statt. | |
| Bei der Weltmeisterschaft am Sonntag in Zolder (Belgien) darf Jens | |
| Schwedler allerdings wieder für Deutschland in die Pedale treten. Der | |
| Verband kann es sich ja kaum leisten, den amtierenden Deutschen Meister im | |
| Querfeldein-Rennen nicht zu nominieren. Nach zweijähriger Wettkampfpause | |
| und gerade mal vier Monaten Vorbereitung konnte Schwedler kürzlich in | |
| Magstadt ganz oben aufs Treppchen steigen. Das kurzfristige Comeback des | |
| ungeliebten Gewinners, der wieder „Spaß am Rennfahren“ fand, ist | |
| symptomatisch für das aktuelle Niveau einer Disziplin, die einst mit | |
| Top-Fahrern wie Rolf Wolfshohl, Klaus-Peter Thaler und Mike Kluge auch | |
| international reüssieren konnte. „Gesundes Mittelmaß“ attestiert Schwedler | |
| seinem Gewerbe, sieht aber „nicht nur schwarz. Wir hinken halt der Zeit | |
| hinterher, wie viele Nationen“ hinter den dominierenden Ländern Belgien und | |
| Holland. „Müßig“ sei es, sagt Schwedler, über die Fehler in den verloren… | |
| Jahren zu sprechen. Was ihn vor allem wurmt, ist aber, dass das Know-How | |
| von Veteranen wie Mike Kluge kaum genutzt wurde. „Es ist das Dümmste, so | |
| einen Mann nicht zu integrieren.“ Bezeichnend stattdessen, dass der | |
| Cross-Bereich vorübergehend sogar von einem Verbandsmann verwaltet wurde, | |
| der sonst Bahnspezialist ist. Auch der aktuelle BDR-Trainer Peter Weibel | |
| kommt nur von der Straße. Da nützt auch viel Engagement wenig. Schwedler: | |
| „Cross hat anders als Straßenrennen viel mehr mit Fahrtechnik zu tun, da | |
| fehlt noch jemand, der da was bewegen könnte. Sonst wird sich so schnell | |
| nichts ändern.“ | |
| Dabei sieht er großes Potenzial für die Hatz über Stock, Stein und ein paar | |
| Hindernisse. „Cross ist hautnah, die Zuschauer stehen praktisch neben dir | |
| in den Laufpassagen. Es gibt immer Zwei- oder Dreikämpfe, die man | |
| beobachten kann, dazu die technischen Anforderungen bei den Hindernissen. | |
| Das ist schon hochinteressant.“ Dass die Cross-Renner vom jüngsten Boom der | |
| Asphalt-Kollegen profitieren können, glaubt Schwedler eher nicht. Zumal | |
| die, die die Seiten gewechselt haben, wie Ex-Meister Malte Urban (Team | |
| Coast), auf Stallregie hin nur noch Straße fahren. „Es ist sehr aufwendig, | |
| zweigleisig zu fahren. Da muss man sich ein Umfeld aufbauen.“ Auch mangelt | |
| es insgesamt an Wettkampfmöglichkeiten. „Wir bräuchten nochmal drei | |
| hochklassige Rennen in Deutschland, dazu zehn für den Nachwuchs, das wäre | |
| eine Basis.“ Darüberhinaus „hängt alles an der Leistung. Wenn man wieder | |
| einen Weltmeister hätte, und das ein bisschen vermarktet mit Sponsoren und | |
| Agenturen, wäre das ein Selbstgänger“, glaubt Schwedler, der in Zolder auch | |
| auf ein Gespräch mit Sylvia Schenk hofft. Der neuen BDR-Präsidentin traut | |
| er „die Power“ zu, „was zu bewegen“. | |
| Und was kann Jens Schwedler bei der WM bewegen? Der Weltmeister, der dem | |
| deutschen Cross-Sport gut täte, wird er jedenfalls nicht sein. Schwedler | |
| hofft auf einen Platz unter den besten 20. Darauf, dass sich seine | |
| Erkältung nicht verschlimmert: Drastische Gewichtsreduktion und hartes | |
| Training scheinen jetzt ihren Tribut vom Körper zu fordern. Und er hofft | |
| auf die WM-Strecke, die für einen 30er-Schnitt gut sein müsste. Schwedler: | |
| „Das ist viel schnelles Gefahre und wird mir entgegenkommen.“ Hauptsache, | |
| die Startnummer fehlt nicht wieder.Jörg Feyer | |
| 1 Feb 2002 | |
| ## AUTOREN | |
| Jörg Feyer | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA |