| # taz.de -- Vom Saxofonspieler zur Militärmarionette | |
| > Nachruf 70 Jahre auf dem Thron machten aus König Bhumibol den Garanten | |
| > eines maroden Systems | |
| Thailands mit 88 Jahren verstorbener König Bhumibol Adulyadej war das | |
| dienstälteste Staatsoberhaupt der Welt. Geboren wurde er am 5. Dezember | |
| 1927 im US-Bundesstaat Massachusetts, wo sein Vater Medizin studierte. | |
| Seine Mutter war eine Bürgerliche. Die Jugend verbrachte Bhumibol | |
| überwiegend in der Schweiz. Er studierte Jura und Politik, begeisterte sich | |
| für Fotografie und spielte Saxofon. Ende April 1950 heiratete er Sirikit | |
| Kitiyakara. Eine Woche später wurde er gekrönt – König war er da schon seit | |
| vier Jahren. Sein älterer Bruder Ananda war unter mysteriösen Umständen | |
| erschossen worden. | |
| Die Ära Bhumibol war immer ambivalent. Auf Militärdiktaturen folgten blutig | |
| unterdrückte Volksaufstände, Wahlen und erneute Putsche. Einerseits | |
| intervenierte der konstitutionelle Monarch, wenn die Armee | |
| pro-demokratische Demonstrationen niederschlug; 1973 ließ er die Palasttore | |
| öffnen, um Verfolgten Zuflucht zu gewähren, als das Militär brutal gegen | |
| Studenten vorging. Andererseits segnete er Militärputsche ab und umgab sich | |
| mit royalistischen Hardlinern. Diese Wendung hat auch damit zu tun, dass | |
| 1975 in den Nachbarländern Vietnam, Laos und Kambodscha die Kommunisten die | |
| Oberhand gewannen. | |
| Thailands Establishment stilisiert Bhumibol zum Mythos politischer | |
| Neutralität und Garant gesellschaftlicher Stabilität. Bis heute beteuern | |
| Kronrat, Militärs, Technokraten und Bangkoker Geldadel, das Königshaus | |
| stünde über der Politik. Zugleich missbrauchen jene konservativen Kreise | |
| die Monarchie, um politische Einmischung in Form von Militärputschen zu | |
| legitimieren und sich ihre Privilegien in Thailands marodem Feudalsystem zu | |
| sichern. | |
| Palast, royales Netzwerk und Armee sind eng miteinander verflochten und | |
| hoch politisiert. Wie viel Einfluss der verehrte König hier tatsächlich | |
| hat, ist offen. Die Monarchie existiere nur, um das Wirken der Eliten zu | |
| rechtfertigen, so der Thai-Brite Giles Ji Ungpakorn, der der | |
| Majestätsbeleidigung bezichtigt wurde und 2009 nach Großbritannien floh. | |
| Ob aus Überzeugung oder nicht: Nach außen billigte Bhumibol die | |
| Staatsstreiche von 2006 und 2014, bei denen die gewählten Regierungen unter | |
| Thaksin Shinawatra und dessen Schwester Yingluck Shinawatra gestürzt | |
| wurden. Beiden Putschen waren Straßenproteste und von der Opposition | |
| boykottierte Wahlen vorangegangen. Die Militärs bezichtigten Thaksin des | |
| Machtmissbrauchs und mangelnden Respekts vor dem Königshaus. Bei dem als | |
| „sanfter Putsch“ bezeichneten Umsturz 2006 waren die Gewehre der Soldaten | |
| mit Bändern in Gelb umwickelt – der Symbolfarbe Bhumibols. | |
| In den folgenden teils blutigen Jahren standen sich Thaksin-Gegner | |
| (Gelbhemden) und Thaksin-Anhänger (Rothemden) auf der Straße gegenüber – | |
| und der „Vater der Nation“ schwieg. Ob aus politischer Schwäche oder | |
| fortschreitender Krankheit: Bhumibol intervenierte auch nicht gegen die | |
| seit dem Putsch vom Mai 2014 regierende Junta unter Diktator Prayuth | |
| Chan-ocha. Diese stützt sich ungeniert auf das drakonische Gesetz gegen | |
| Majestätsbeleidigung, das pro Anklagepunkt bis zu 15 Jahre Haft vorsieht. | |
| „Wenn gesagt wird, der König könne nicht kritisiert werden“, hatte Bhumib… | |
| bei seiner Geburtstagsansprache 2005 noch erklärt, „dann würde das | |
| bedeuten, dass der König nicht menschlich ist.“ Nicola Glass | |
| 14 Oct 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Nicola Glass | |
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