# taz.de -- Völkemord in Ruanda: Frankreichs einseitige Ermittlungen | |
> Die Anwälte der von der französischen Justiz verfolgten Politiker in | |
> Ruanda beenden die Kooperation mit Paris. Frankreich weigert sich, die | |
> Ermittlungen neu und neutral aufzurollen | |
Bild: Ruandas Präsident Kagame | |
BRÜSSEL taz Einen Monat nach der Veröffentlichung eines | |
Untersuchungsberichts in Ruanda über die Verwicklung Frankreichs in den | |
ruandischen Völkermord 1994 verschärft sich der Ton zwischen beiden Ländern | |
weiter. Die Anwälte dreier Ruander, gegen die der französische | |
Untersuchungsrichter Jean-Louis Bruguière Haftbefehl ausgestellt hat, | |
warfen am Donnerstag der französischen Justiz die Missachtung ihrer Rechte | |
und der französischen Gesetze vor. | |
Bruguière hatte im Frühjahr 2007 Haftbefehl gegen neun führende Ruander | |
erlassen, darunter Präsident Paul Kagame sowie seine Mitarbeiterin Rose | |
Kabuye, früher Bürgermeisterin der ruandischen Hauptstadt Kigali. Sie seien | |
für den Abschuss des Flugzeugs des früheren ruandischen Präsidenten Juvénal | |
Habyarimana über dem Flughafen von Kigali am 6. April 1994 verantwortlich. | |
Dieses Attentat gilt als Startschuss für den Völkermord an über 800.000 | |
Menschen in Ruanda in den drei Folgemonaten: Radikale Hutu-Militärs, die | |
Habyarimana zuvor als zu versöhnlich kritisiert hatten, ergriffen direkt | |
nach dem Attentat die Macht und versuchten, alle Tutsi Ruandas umzubringen. | |
Der explosive Vorwurf, nicht diese Militärs hätten den Abschuss angeordnet, | |
sondern der Tutsi Kagame und die von ihm geführte damalige Guerillabewegung | |
RPF (Ruandische Patriotische Front), stützt sich allerdings nicht auf vor | |
Ort geführte Ermittlungen oder Beweismittel, sondern einzig auf Aussagen | |
ruandischer Exilanten. Die Beschuldigten wurden nicht vernommen, angehört | |
oder überhaupt vorgeladen. Die Haftbefehle gelten dennoch und sorgen für | |
diplomatische Dauerprobleme, beispielsweise bei Kagames Deutschlandbesuch | |
in Begleitung Kabuyes im April. Bruguière ist inzwischen Politiker und | |
kandidierte bei Frankreichs Parlamentswahlen 2007 erfolglos für die | |
regierende UMP (Union der präsidialen Mehrheit). | |
Die Anwälte von Rose Kabuye und zwei weiteren Beschuldigten verlangen schon | |
seit langem von der französischen Seite, Bruguières Ermittlungen neu | |
aufzurollen und das Rechtsprinzip zu beachten, wonach nicht einseitig | |
ermittelt werden darf. Sie sollten nach Kigali reisen, mit den ruandischen | |
Behörden Kontakt aufnehmen und dort Zeugen vernehmen. Dazu gehörten der | |
Chef des Kontrollturms des Flughafens von Kigali zum Zeitpunkt des | |
Attentats sowie die damals dort stationierten belgischen Militärs. Es sei | |
nicht verständlich, wie Bruguière Kagame und der RPF die Verantwortung für | |
den Abschuss zuschreiben könnte, ohne den Tatort in Augenschein genommen zu | |
haben. Schließlich befand sich das fragliche Gebiet unter Kontrolle | |
Habyarimana-treuer Soldaten. Wie ein RPF-Abschusskommando unerkannt dorthin | |
und vor allem hinterher wieder heraus hätte kommen können, sei nicht | |
erklärt. | |
Dass die Forderungen der beiden Anwälte Bernard Maingain und Lev Forster | |
von der französischen Seite ignoriert wurden, brachte sie nun dazu, in | |
Brüssel vor die Presse zu treten. "Es hat keine Reaktion gegeben. Es gab | |
Schweigen", so Maingain. Die Rechte der Verteidigung würden "nicht | |
respektiert", die Beschuldigten hätten nie die Chance gehabt, ihre Version | |
der Dinge darzulegen. Daher würden die Verteidiger nun die Zusammenarbeit | |
mit den französischen Ermittlungsbehörden einstellen. | |
Im November soll eine ruandische Untersuchungskommission einen eigenen | |
Bericht über den Flugzeugabschuss vorlegen. Der Bericht dürfte Bruguière | |
widersprechen. | |
6 Sep 2008 | |
## AUTOREN | |
François Misser | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |