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# taz.de -- Väter der Konzept-Musik
> Vierzig Jahre nach ihrem Debüt feierten The Monks in der Volksbühne ihre
> Wiedervereinigung
von JENNI ZYLKA
Wer denkt, die Rolling Stones seien revolutionär gewesen, Velvet
Underground subversiv, Black Sabbath blasphemisch, der hat wohl noch nie
die einzige (und in den USA bis 1997 nicht mal erschienene) Monks-LP „Black
Time“ gehört. Man spinnt in diesen Zeiten, in denen nichts mehr originär
ist, gern Legenden um potenzielle Väter von potenziellen Szenen. Die Monks
waren die Väter der anarchistischen Konzeptmusik, heißt es, verstörend und
destruktiv, und dabei mitreißend bis zum Umfallen.
Vierzig Jahre nach der kurzen und eher mäßig flachen als steilen Karriere
der US-Band, die sich Anfang der 60er während des GI-Daseins im öden
hessischen Gelnhausen gründete und jahrelang als durchschnittliche
Coverband The Torquays an jeder Milchkanne der Republik spielte, bevor sie
kurzzeitig als „Anti-Beatles“ The Monks durch ein paar Boulevardblätter und
größere Auftrittsorte geisterte, gibt es eine Reunion, eine kleine
Europatournee mit nur einem Auftritt in Deutschland.
Am Montag fand in der Volksbühne eine Monks-Gala statt, mit
Pressekonferenz, Dokumentarfilmrelease und Konzert plus Gästen. Auch in der
Musikwelt hat man die verstiegene Durchschlagkraft der Monks erkannt und
eine Tribute-CD herausgebracht, auf der sich unter anderem Alexander Hacke
und Jon Spencer, The Fall und Chicks on Speed abmühen, die archaische
Monks-Bombe neu zu interpretieren, und leider so gut wie alle scheitern
daran – was super ist, kann man nur schwer besser machen.
Der Dokumentarfilm „The Monks – The transatlantic feedback“ von Lucia
Palacios und Dietmar Post versucht dagegen, das Phänomen Monks, das erst im
Nachhinein als Phänomen erkannt wurde – für die Monks selber war es den
Großteil ihres Lebens nur eine fast vergessene, wilde Jugendsünde – zu
erklären: Was hatten die Fünf nur im Kopf, als sie die an die Beatles
erinnernden Harmoniegesang gewöhnte und höchstens mal drei steife
Tanzmooves beherrschende Jugend 1966, noch vor Love, Peace and Politics,
mit „I hate you – but call me!“ verschreckten? Und was dachte sich Uschi
Nerkes, als sie, ganz adrettes Frollein Pop in Prä-Psychedelic-Bluse, die
Monks bei einem Beatclub-Auftritt ankündigte, um dann erstaunt zu
beobachten, wie sie eine improvisierte laute Performance zu hämmerndem
Schlagzeug, verzerrtem, hypnotischem Bassriff, wirrer Orgel und
Schellenkränzen hinlegten?
Laut Roger, Gary, Larry, Eddie und Dave, die in „It’s monk time!“ mit den
in Garys energetischem, wegkieksendem Timbre geschrienen Antikriegs-Lyrics
sowohl eine Parodie auf die weichgespülten „Monkees“ hinlegten, als auch
ein klares Statement zur Vietnampolitik ihrer Heimat machten, waren vor
allem zwei deutsche Designstudenten für das Monks-Projekt verantwortlich:
Karl-Heinz Remy und Walther Niemann, von Philosophie und modernen
Wirtschaftsideen beeinflusste Radikale im Anzug, erschufen eine eigene
Monks-Corporate Identity samt Regeln („Immer ein Monk sein! Auch auf der
Straße!“), Kostüm (schwarze Kutte, Strick statt Schlips und Tonsur statt
der damals längst Establishment-kompatiblen moderaten Langhaarfrisur) und
musikalischem Konzept: „Sie sagten uns, wir sollten reduzieren, nur einen
durchgehenden Beat, statt sechs Akkorde nur zwei, statt 15 Wörter nur
drei“, erklärt Bassist Eddie im Film.
Live im großen, komplett mit Menschen und Begeisterung gefüllten Saal der
Volksbühne sind die Monks, von denen nur noch drei Original-Mönche
mitmachen konnten und wollten, eine eigene, stabil-naive Kraft, die in
Lautstärke lässig Hardrockbands übertrifft und an Peinlichkeit lange nicht
an andere Ex-Helden heranreicht. Obwohl man nach einer Stunde schon an
seine Grenzen stößt, sowohl auf der Monks-Seite an spielerische, als auch
auf der Publikumsseite an Geduldsgrenzen: So viele verschiedene Stücke
haben die Recken ja nun mal nicht, und das hypnotisch-minimalistische
Element, das man in den frühen Auftritten fühlt, hängt traurigerweise auch
irgendwie mit der Jugend, der Zeit und der dazugehörigen Naivität zusammen,
die man gesetzten älteren Herren mit zwei Hunden und
Tiffany-Schreibtischlampe zu Hause einfach nicht mehr richtig ansehen kann.
Da wirkte es eher wie eine freundliche Reminiszenz als wie ein Akt purer
anarchistischer Lebensfreude, wenn die Monks sich auf die Bühne knieten wie
weiland im Beatclub, um gemeinsam auf Garys liegende Gitarre einzuhacken.
Aber was soll’s – das gemeinsame Erinnern war jedenfalls sehr schön.
25 Oct 2006
## AUTOREN
JENNI ZYLKA
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