| # taz.de -- Urteil im Schreiber-Prozess: Politskandal endet unpolitisch | |
| > Waffenlobbyist Schreiber muss wegen Steuerbetrugs ins Gefängnis. Brisante | |
| > Fragen bleiben ungeklärt. Gut möglich, dass jetzt in manchem | |
| > Politikerbüro die Sektkorken knallen. | |
| Bild: Karlheinz Schreiber winkt aus einem Polizeiauto, aufgenommen im August 20… | |
| AUGSBURG taz | Wie immer grüßt Karlheinz Schreiber, einen Aktenordner unter | |
| dem Arm, lächelnd ins Publikum, als er den Sitzungssaal im Augsburger | |
| Landgericht betritt. Doch der 76-Jährige wirkt an diesem Mittwochmorgen | |
| besonders angespannt. Sein Gesicht ist fahl, nervös streicht sich Schreiber | |
| übers spärliche graue Haar, bevor der Vorsitzende Richter Rudolf Weigell | |
| das Urteil verkündet: acht Jahre Gefängnis. | |
| Eine hohe Strafe. Schreibers Blick geht ins Leere. Andere prominente | |
| Steuerhinterzieher kamen deutlich glimpflicher davon: Ex-Postchef Klaus | |
| Zumwinkel etwa, der eine Bewährungsstrafe erhielt, oder | |
| Schrauben-Milliardär Reinhold Würth, gegen den nur eine Geldstrafe verhängt | |
| wurde. Bei Schreiber sieht das Gericht "einen besonders schweren Fall" von | |
| Steuerhinterziehung. "Raffgierig" und "maßlos" habe er gehandelt. Seine | |
| Verteidigung deutet nach der Urteilsverkündung an, in Revision gehen zu | |
| wollen. | |
| So also endet vorläufig einer der größten deutschen Politskandale. | |
| Karlheinz Schreiber war die Schlüsselfigur der CDU-Spendenaffäre vor zehn | |
| Jahren. Ermittlungen gegen ihn hatten illegale Spendenpraktiken der | |
| Christdemokraten ans Licht befördert, dunkle Geldkanäle, gefälschte | |
| Rechenschaftsberichte. Die Partei stürzte damals in eine tiefe Krise, | |
| Altkanzler Helmut Kohl verlor seinen Ehrenvorsitz und Wolfgang Schäuble | |
| seinen Job als CDU-Bundeschef. | |
| Am Ende ist die Causa Karlheinz Schreiber erstaunlich geschrumpft - auf die | |
| eines gemeinen Steuerhinterziehers. Es ging um Provisionszahlungen in Höhe | |
| von insgesamt rund 65 Millionen Mark, die Schreiber zwischen 1988 und 1993 | |
| für die Vermittlung verschiedener Rüstungsgeschäfte kassiert und vor dem | |
| Fiskus versteckt habe. Teile der Schmiergelder gingen an Thyssen-Manager, | |
| 3,8 Millionen Mark an den damaligen CSU-Rüstungsstaatssekretär | |
| Ludwig-Holger Pfahls. Mindestens 1,1 Millionen Mark bekam die CDU als | |
| Spende. So viel steht fest. | |
| Wie mit dem Skalpell schnitten die Augsburger Richter bei diesem Prozess | |
| all jene Vorwürfe aus dem Verfahren heraus, die eine heikle politische | |
| Affinität haben. Bestechung? Sei bereits verjährt. Beihilfe zum Betrug beim | |
| "Fuchs"-Panzer-Deal mit Saudi-Arabien, für den die Kohl-Regierung 1991 | |
| grünes Licht gegeben hatte und bei dem insgesamt sage und schreibe 220 | |
| Millionen Mark Schmiergelder flossen? Sei nicht beweisbar. Selbst | |
| Schreibers Steuerschuld korrigierten die Richter, gegen die Rechnung der | |
| Anklage, nach unten: von fast zwölf auf 7,5 Millionen Euro. | |
| Gut möglich, dass jetzt in manchem Politikerbüro die Sektkorken knallen. | |
| Der Langzeit-Skandal scheint endgültig ausgestanden. Der Vorhang fällt. Und | |
| viele - brisante - Fragen bleiben offen: Wie käuflich war die Politik in | |
| der Ära Kohl? An wen gingen die ungeklärten Teile der Schreiber-Gelder - an | |
| Parteien? Wer waren die klandestinen Millionen-Spender, die Helmut Kohl bis | |
| heute nicht genannt hat? Die Justiz duckte sich bei diesen Fragen | |
| weitgehend weg. Auch das taugt zum Skandal. | |
| 5 May 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Rainer Nübel | |
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