| # taz.de -- Umbenennung in Rudi-Dutschke-Straße: Eine „neue feine Adresse“ | |
| > Aus der Kochstraße in Berlin wird 2008 die Rudi-Dutschke-Straße – auf | |
| > Initiative der taz hin. 500 Menschen feierten mit. | |
| Bild: Die Rudi-Dutschke-Straße hat Vorfahrt vor der Axel-Springer-Straße. | |
| Was, verdammt!, heißt denn nun "Revolutionierung der Revolutionäre"? Was | |
| meinte Rudi Dutschke damit? Und warum wurde ein solches Plakat am | |
| Mittwochabend in Berlin getragen? Das, immerhin, ist klar: Es war eine | |
| Verbeugung vor dem Studentenführer von 1968. Der 1979 verstorbene | |
| Berufsrevolutionär wurde an diesem Abend erstmals in Deutschland und mitten | |
| in der Hauptstadt mit einem Straßennamen geehrt. Ein Teil der Kochstraße in | |
| Kreuzberg heißt nun "Rudi-Dutschke-Straße". Und sie kreuzt, mit Vorfahrt, | |
| die "Axel-Springer-Straße". | |
| Die taz, die nun an der "Rudi-Dutschke-Straße" liegt, hatte Ende 2004 die | |
| Initiative für diese Umbenennung ergriffen. Verbissen bekämpften die CDU | |
| und der Springer-Verlag das Ansinnen jahrelang, politisch und juristisch. | |
| Doch der Volkswille, ermittelt mit Hilfe eines Bürgerentscheids und eines | |
| Votums des Bezirksparlaments von Friedrichshain-Kreuzberg, war eindeutig: | |
| 40 Jahre nach dem Attentat sollte Dutschke wieder auf die Straße. Und 400 | |
| bis 500 Menschen, darunter die ganze Familie Dutschkes, feierten dies. Auf | |
| einer Demo. Auf seiner Straße. | |
| Direkt unter dem mächtigen Springer-Hochhaus sagte Dutschkes Sohn Marek auf | |
| dem Demowagen, das Foto seines Vaters auf einem großen Poster im Rücken: | |
| Die Ehrung sei ein "starkes Zeichen", dass seine Ideen und Taten weiter | |
| lebten. Dann enthüllte der Kreuzberger Bürgermeister Franz Schulz (Grüne) | |
| um 17.15 Uhr schwungvoll das mit einem weißen Tuch verhüllte neue | |
| Straßenschild. Jubel, ja Jubel brandete auf. Schulz hob hervor, es hätte | |
| Dutschke wohl gefallen, dass diese Ehrung "erkämpft werden musste" und so | |
| stark demokratisch legitimiert wurde. | |
| Wirtschaftssenator Harald Wolf von der "Linken", die die Dutschke-Straße | |
| unterstützt hatte, sagte, Berlin habe nun "eine neue feine Adresse". Die | |
| Vizepräsidentin des Bundestags, Petra Pau (Linke), wurde politischer und | |
| erinnerte daran, wie sehr die CDU und Springer die Straße bekämpft hätten. | |
| Der grüne EU-Parlamentarier Michael Cramer erntete viel Beifall mit seinen | |
| Worten: "Eine schönere Kreuzung kann ich mir nicht vorstellen." Am | |
| schärfsten aber war Christian Ströbele, der "König von Kreuzberg", wie | |
| taz-Berlin-Chef Gereon Asmuth ihn vorstellte: Der grüne | |
| Bundestagsabgeordnete und Weggefährte Dutschkes rief, ganz unironisch: | |
| "Entmachtet Springer!", ja: "der Kampf geht weiter!" - und erhielt am | |
| meisten Applaus. | |
| Dann bewegte sich die Demo über die vielleicht fünfhundert Meter zum | |
| Rudi-Dutschke-Haus, wo sich die taz befindet. Dutschkes Witwe Gretchen | |
| sagte mit einem strahlenden Lächeln und amerikanischem Akzent auf dem | |
| Marsch: Rudi habe zwar nie ein Denkmal sein wollen, aber er hätte sich wohl | |
| über die Ehrung gefreut - sie jedenfalls tue es. Meinhard Schröder brachte | |
| ein eigenes Plakat mit: "Nie wieder 2, 3, viele Vietnams." Der 64-jährige | |
| Berliner war vor 40 Jahren nach den Schüssen auf Dutschke unter den | |
| Tausenden, die genau hier gegen Springer protestiert hatten. Am Kopf des | |
| Umzugs lief der französische Student Alain, der mit seinen spanischen | |
| Freunden zur Demo gekommen war. Dutschke und 1968 "interessieren uns | |
| wirklich", sagte der 22-Jährige, dies sei "ein Wendepunkt gewesen". | |
| Für Piero de Vitis, der 1979 auf Dutschkes Beerdigung war, bedeutet die | |
| Umbenennung der Straße zunächst einmal Kosten. Denn er ist Chef eines | |
| italienischen Edel-Restaurants im Dutschke-Haus. Dennoch, sagte der | |
| 57-Jährige, trage er die Kosten "mit Vergnügen". Nur seine Köche seien | |
| gegen die Ehrung, da sie nun nicht mehr in der "Kochstraße" arbeiteten. Im | |
| taz-Café las und kommentierte wenig später der Kabarettist Serdar Somuncu | |
| die Bild-Zeitung. Man müsse "der Globalisierung der Interessen die | |
| Differenzierung der eigenen Haltung" entgegensetzen, sagte er. Was, | |
| verdammt!, meinte er damit? Rudi Dutschke hätte seine Freude gehabt. | |
| Philipp Gessler | |
| 10 Jul 2013 | |
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