| # taz.de -- Ulrich Schnauss über die Musikindustrie: "Davon leben zu können, … | |
| > Ulrich Schnauss produziert Soloplatten, Soundtracks und Remixe. Das Netz | |
| > sei sinnvoll um bekannt zu werden, sagt er, doch um Geld zu verdienen, | |
| > brauche man die Industrie. | |
| Bild: Musik machen, die man selbst hören will: Ulrich Schnauss (r.) mit seinem… | |
| taz: Herr Schnauss, Sie haben mit Ihren Soloplatten, Soundtrackbeiträgen | |
| und Remixes für "Death Cab for Cutie" oder Depeche Mode mittlerweile einen | |
| Weltruf erarbeitet. Wie hat sich das entwickelt? | |
| Ulrich Schnauss: Ich habe Mitte der 90er angefangen, Musik zu | |
| veröffentlichen. Zunächst völlig erfolglos. der unerwartete Durchbruch kam | |
| dann schließlich mit dem Album "Far Away Trains Passing By" im Jahr 2001. | |
| Ich denke, das hat viel damit zu tun, dass diese Platte aus einer recht | |
| illusionslosen Situation heraus entstanden ist: Zuvor hatte ich stets | |
| versucht, für einen bestimmten Markt zu produzieren - bei "Far Away Trains" | |
| habe ich dann zum ersten Mal alle taktischen oder kommerziellen | |
| Überlegungen außen vor gelassen und einfach die Musik gemacht, die ich zu | |
| dem Zeitpunkt gerne hören wollte. | |
| Wie gut können Sie mittlerweile von Ihrer Musik leben? Was lohnt sich mehr, | |
| Platten, Remixarbeit oder Auftritte? | |
| Ich kann davon leben - und das ist bereits ein großes Privileg. Es ist | |
| schwer zu sagen, was sich am meisten lohnt. Wichtig ist, glaube ich, eine | |
| gesunde Mischung aus möglichst vielen Aktivitäten, die einem eine gewisse | |
| Unabhängigkeit ermöglichen. Allerdings - eins ist klar: Ohne | |
| Weiterverwertung in TV und Film und die daraus entstehenden, zusätzlichen | |
| Einnahmen wäre alles noch deutlich schwieriger. | |
| Sie haben in einem Interview einmal erzählt, dass Sie Ihre Platten | |
| mittlerweile komplett fertigstellen, bevor Sie sie einem Label anbieten. | |
| Welche Vorteile hat das? | |
| Ja, das war eigentlich immer mein Ansatz. In erster Linie einfach deshalb, | |
| weil ich selten kompetente Artist & Repertoire-Leute kennengelernt habe, | |
| deren Input nicht einfach nur auf egomanischem Manipulations-Drang beruht. | |
| Ich bin Kritik gegenüber sehr aufgeschlossen, aber sie muss von Freunden | |
| oder Kollegen kommen, deren Urteil sollte ich respektiere, auch wenn es | |
| harsch ausfallen. Das Redundante Geplapper von Industrie-Koksern, die es in | |
| keinem anderen Job in vergleichbare Positionen schaffen würden, hat mich | |
| noch nie interessiert - geschweige denn weitergeholfen. | |
| Wird sich dieser Trend fortsetzen, dass Bands die Platte machen, die sie | |
| machen wollen, um erst dann die Labelinfrastruktur zu nutzen? | |
| Ich denke die Frage ist einfach: Was bringt mir ein Label? Schließlich muss | |
| ich einen beträchtlichen Teil meiner Einnahmen an die entsprechende Firma | |
| abgeben. Wenn ich am Anfang einer "Karriere" stehe, wird es schwerer sein, | |
| diese Situation zu vermeiden: Es ist auf jeden fall hilfreich, einen | |
| starken Partner mit einer verlässlichen Infrastruktur auf meiner Seite zu | |
| haben. Diese Situation kann sich ab einem gewissen Popularitätsgrad | |
| verändern - es stellt sich dann die Frage, ob selbst ein gutes Label | |
| Ausreichendes leisten kann, um die entsprechenden Abzüge zu rechtfertigen, | |
| wenn ich mit einer Eigenveröffentlichung fast die gleiche Aufmerksamkeit | |
| erzielen kann. | |
| Wer wird künftig mehr Geld machen, das Label oder der Künstler? Jahrelang | |
| mussten sich die Künstler mit dem kleineren Teil zufriedengeben. | |
| Ich halte das nicht unbedingt für die wichtigste Frage - es geht mir eher | |
| darum, ob Labels und Künstler überhaupt genügend Geld verdienen, dass es | |
| ihnen ermöglicht, weiter zu existieren. Ich würde hier auch die sogenannten | |
| bösen Majors und Konzerne durchaus einschließen wollen - wer wirklich ein | |
| wenig Ahnung vom Geschäft hat, weiß, dass sich das eine vom anderen schwer | |
| trennen lässt. | |
| Ein kurzes Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung: Ende der 90er ging es mir | |
| finanziell nicht gerade gut - oftmals war es nur möglich, weiterzumachen, | |
| da sich hier und da Chancen ergaben, für Major Labels gut bezahlte Remixe | |
| anzufertigen, die oft dann noch nicht einmal veröffentlicht wurden. Auf | |
| diesem Weg war es damals möglich, durch das Anfertigen von durchaus | |
| fragwürdiger Musik, auch gute Sachen weiter zu finanzieren und nicht | |
| aufgeben zu müssen. Solche Nischen existieren heute kaum noch - und man | |
| sieht: alles hängt dann irgendwie doch miteinander zusammen. | |
| Sie haben auf Facebook kürzlich eine kleine Diskussion losgetreten, als Sie | |
| einen Link gepostet haben, in dem es darum ging, wie Künstler ihre Musik | |
| von Downloadplattformen wie dem gerade geschlossenen Megaupload | |
| herunterkriegen. Wie ist Ihre eigene Einstellung zu Dateitausch? Es gibt ja | |
| mittlerweile viele jüngere Künstler, die meinen, es sei eher hilfreich, um | |
| bekannt zu werden. | |
| Wenn es einem lediglich ums Bekanntwerden geht, ist das Internet sicher | |
| eine ausschließlich tolle Sache. Dieser Aspekt hat mich allerdings nie | |
| sonderlich interessiert - ich veröffentliche Musik, weil ich versuche, | |
| meinen Lebensunterhalt von etwas zu bestreiten, das ich als sinnstiftend | |
| empfinde und das mir Spaß macht. Was nützt mir Bekanntheit, wenn ich | |
| trotzdem kaum eine Chance habe, eine halbwegs solide ökonomische Grundlage | |
| für meine Existenz zu schaffen? | |
| Zudem ist Bekanntheit immer relativ - viel Musik, die mir gefällt und für | |
| deren Existenz-Möglichkeit ich deswegen unbedingt kämpfen möchte, wird auch | |
| mit geballter Netz-Präsenz nie über ein gewisses Nischenpublikum hinaus | |
| Gehör finden - wenn dann die wenigen potenziellen Käufer auch noch umsonst | |
| runterladen, anstatt ein Produkt zu kaufen, ist das schlechterdings ein | |
| Problem von existenziellem Ausmaß. | |
| 17 Feb 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Ben Schwan | |
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