Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Tod einer Frau auf Video: "Neda" wird zum Protestruf der Iraner
> Ein junge Frau bricht getroffen zusammen und stirbt – gefilmt von einer
> Handykamera. Sie könnte zur Märtyrerin der Proteste gegen die Wahl
> Ahmadinedschads im Iran werden.
Bild: Die junge Frau namens Neda bricht zusammen: Aus dem Video.
BERLIN taz | Der Kommentar des You-Tube-Users "feelthelight" ist nüchtern:
"Basij [eine Miliz der Revolutionsgarde] erschossen eine junge Frau während
Teherans Protesten vom Samstag, 21. Juni. Um 19:05 Uhr. Ort: Karekar Ave.
an der Kreuzung Khosravi St. und Salehi St."
Dazu gehört ein 40 sekündiges, sehr schockierendes Video das zeigt, wie
eine Frau gekleidet in Jeans und schwarzem Schleier auf der Straße
zusammenbricht, wie mehrere Männer ihr helfen wollen, ihr auf den Brustkorb
drücken, sie anreden mit ihrem Namen "Neda", schließlich schreien "Bleib
bei mir, Neda", wie die Frau das Bewusstsein verliert, ihr schließlich Blut
aus dem Mund tritt – und sie offenbar stirbt.
Dieses Video kursiert seit dem Wochenende im Internet, wurde ursprünglich
anscheinend mit einem Farsi-Kommentar hochgeladen, schließlich von Usern
ins Englische übersetzt erneut. Mehrfach wurde es von der
YouTube-Selbstkontrolle wegen des schockierenden Inhaltes gelöscht – nur um
von anderen Usern erneut hochgeladen zu werden.
Achtung, dieses Video kann sehr verstörend wirken!
Allein das hier eingebettete Video wurde 180.000mal geklickt. Ein anderes
Posting desselben Videos 90.000mal. Und es dürfte Dutzende weiterer
Postings geben.
Links auf dieses Video kursieren überall im Netz: Auf Twitter, Facebook,
Blogs. Man muss gar nicht danach suchen: Viele fanden den Link etwa bei
ihren Freunden in einem der Social Networks.
Seit die iranische Oppositionsbewegung gegen die Wahl Ahmadinedschads
protestiert, kursieren viele Fotos und Berichte im Internet, deren
Bedeutung erheblich gestiegen ist, seit die iranischen Sicherheitskräfte
massiv gegen die freie Presse vorgehen. Doch ein derartig beklemmendes
Dokument war bisher nicht zu sehen.
Und es zeigt Wirkung: "Das war ein wegweisender Moment in der Geschichte
des Iran - Du bist als Märtyrerin gestorben" schreibt etwa "PaganChild" in
Twitter. Ein Iraner, der unter dem Namen "Hateiri" bloggt, schreibt dazu,
"sie wird das neue Symbol des Iran sein". Es lassen sich haufenweise solche
Einschätzungen im Netz finden. Auf Twitter ersetzten vieler User ihr
Profil-Foto durch ein grünes gebrochenes Herz mit dem Namen "Neda"
darunter.
"Neda" bedeutet auf persisch "die Warnung, die von Gott kommt" oder auch
einfach "Stimme". In einigen Beiträgen wird sie bereits als "die Stimme der
iranischen Revolution" tituliert. Ihr Fall - die Tatsache, dass die
unterdrückte iranische Oppositionsbewegung nun ein Gesicht und einen Namen
hat, könnte starken Einfluss auf den weiteren Verlauf der Proteste haben.
Doch wie bei all den anderen Postings von Fotos und Videos der Proteste im
Netz lässt sich der Wahrheitsgehalt des Videos nicht überprüfen. Wie auch?
Auf den ersten Blick wirkt es authentisch. [1][CNN zeigt ein weiteres
Video], dass auf YouTube gepostet war, dass den Vater und seine Tochter
kurz vor dem Schuss zeigen soll.
Trotzdem ist die Geschichte zu dem Video schwer zu glauben: Der
YouTube-User schreibt in dem Posting "die junge Frau, die mit ihrem Vater
am Rand stand und die Proteste betrachtete, wurde von einem Basij-Mitglied
vom Dach eines zivilen Hauses erschossen... Er zielte genau auf ihr Herz
... ich bin ein Doktor, also lief ich hin, um ihr zu helfen... doch die
Kugel war in ihrer Brust zersprengt, und sie starb in weniger als zwei
Minuten". Der Film sei von seinem Freund gefilmt worden.
Am Montag kommen weitere, teilweise widersprechende Informationen von einem
aus Kanada bloggenden Beobachter namens Farhad Mortaz, der, wie er sagt, in
Kontakt mit der Familie der Erschossenen steht. Demnach sei sie nicht von
einem Haus aus erschossen worden, sondern von einem vorbeifahrenden
Milizionär auf einem Motorrad. Ihr ganzer Name sei Neda Agha-Soltan,
geboren 1982, schreibt er weiter. Auch handele es sich bei ihren Begleiter
nicht um ihren Vater, wie zuvor berichtet wurde, sondern um ihren
Professor. Geschrieben hat der Blogger auf persisch, die Übersetzung
erschien auf dem renommierten Blog Daily Dish von Andrew Sullivan.
Es bleiben Fragen: Wenn ein Schütze schon auf Protestler schießt, wieso nur
auf einen? Und wieso auf eine Frau, wenn sie doch nur am Rande stand?
Fragen, die vermutlich keine Antwort finden werden. Für die
Oppositionsbewegung im Iran sind Kommunikationskanäle wie Twitter, Youtube
und Facebook die einzige Möglichkeit, sich zu organisieren – und ihr
Anliegen publik zu machen.
Doch der Fall "Neda" zeigt auch, wie problematisch es für Medien ist, sich
allein Informationen von Youtube, Twitter und Facebook bedienen zu müssen.
Denn deren Wahrheitsgehalt kann nicht überprüft werden, solange
ausländische Reporter systematisch des Landes verwiesen werden. Was nicht
heißt, dass nicht auch User von Twitter und Blogs nachrecherchierten – und
zuweilen Meldungen, wie oben erwähnt, dementieren oder korrigieren.
Angesichts der Repression derzeit im Iran bleiben die dortigen Quellen aber
anonym.
22 Jun 2009
## LINKS
[1] http://edition.cnn.com/2009/WORLD/meast/06/21/iran.woman.twitter/index.html…
## AUTOREN
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.