# taz.de -- Tod des NPD-Vize Jürgen Rieger: Unklarheit über das Erbe | |
> Fast vierzig Jahre war Jürgen Rieger im rechtsextremen Milieu verankert. | |
> Nach dem Tod des NPD-Vizechefs will seine Familie verhindern, dass sein | |
> Grab zum Wallfahrtsort wird. | |
Bild: "Multifunktionär der rechten Szene": Jürgen Rieger. | |
BERLIN taz | Der NPD-Bundesvize Jürgen Rieger ist verstorben. Seit dem | |
Wochenende lag der Neonazianwalt aus Hamburg in einer Berliner Klinik im | |
Koma. Am Donnerstag gegen 13 Uhr wurden die intensivmedizinischen Maßnahmen | |
eingestellt. Den Tod bestätigte die Familie. NPD-Bundesvorstandsmitglied | |
und Rieger-Intimus Thomas Wulff erklärte zeitgleich: "Kameraden, | |
Kameradinnen, Deutsche! Ich habe die traurige Pflicht, euch bekanntzugeben: | |
Der Anwalt für Deutschland – Jürgen Rieger – ist tot". | |
Vor fünf Tagen, am Samstag den 24. September, hatte Rieger auf einer | |
NPD-Bundesvorstandssitzung einen Schlaganfall erlitten. Der 63-Jährige, der | |
fast vierzig Jahre in dem rechtsextremen Milieu verankert war, wurde in | |
einer Intensivstation untergebracht. Dort, in dem Klinikum besuchte am | |
Montag der NPD-Bundesvize Udo Voigt, nach eigenem Bekunden, mit Teilen der | |
Familie seinen "echten Freund und Kameraden". "Lieber Jürgen, kämpf! Sei | |
versichert, dass der Kampf um unser Deutschland weitergeführt wird", will | |
Voigt gesagt haben. Er betont aber, schon nicht mehr sicher gewesen zu | |
sein, ob Rieger diese Worte noch habe vernehmen können. | |
Nach Außen versuchte die NPD indes den Zustand ihres Bundesvize, der die | |
Partei mit geschätzten Darlehen in Höhe von etwa 500.000 Euro finanziell | |
stark unterstützte, lange im Vagen zu halten. Nach den ersten Gerüchten | |
trat in der Szene von NPD bis Freie Kameradschaften fast ein Schockzustand | |
ein. In den Internetforen der Szene bangten Kommentatoren um Riegers Leben, | |
wünschten "vollständige Genesung" und hofften, dass er nicht nach "Walhall" | |
abgerufen wird. Schnell sprachen Kameraden dort aber auch aus, was die NPD | |
sich sicher ebenso fragt: Wie ist der Nachlass geregelt? | |
Denn mit seinem Vermögen hat der Sohn einer angesehenen Ärztefamilie nicht | |
bloß der Partei geholfen. Der 1946 in Blexen bei Oldenburg geborene Anwalt | |
finanzierte immer wieder Immobilien für die "nationale Bewegung" und half | |
mit Privatkrediten "treuen Kameraden". Kurz nach dem Schlaganfall meinte so | |
auch der Hamburger Kameradschaftler Thorsten de Vries, dass abgewartet | |
werden müsse, welche "Anweisungen" der von ihm geschätzte Kamerad "für den | |
Fall seines Ablebens" getroffen habe. Der niedersächsische | |
NPD-Kommunalpolitiker Daniel Fürstenberg, der mal in Riegers "Heisenhof" in | |
Dörverden lebte, wurde vor der Todesmeldung schon deutlicher: "Auch wenn | |
die Frage in dieser schweren Stunde pietätlos erscheinen mag: die nationale | |
Bewegung MUSS ein Interesse daran haben, das Vermögen unseres Vorkämpfers | |
in der Bewegung zu halten". | |
Doch wie Rieger, den die Verfassungsschutzämter als "Multifunktionär der | |
rechten Szene" bezeichnen, seinen Nachlass geregelt haben könnte, ist | |
unbekannt. Was nicht bloß die NPD sorgen dürfte, ist aber, dass Riegers | |
Bruder und seine Kinder Riegers offene Hitler-Verehrung nicht teilten. | |
Keines der vier Kinder von Rieger gehöre der Szene an, bestätigt eine | |
Sprecherin des niedersächsischen Verfassungsschutz (VS) der taz. Sollte | |
Rieger, der dank Erbschaften von Altnazis und Immobiliengeschäften ein | |
Vermögen angehäuft hat, keine testamentarische Vereinbarungen hinterlassen | |
haben, könnte der NPD diese Finanzquelle versiegen. Einer seiner Söhne | |
sagte gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, dass tatsächlich noch unklar | |
sei, was mit dem Vermögen geschehen soll. Die VS-Sprecherin betont: "Herr | |
Rieger hat viele Eigenschaften auf sich vereint, er kannte sich bestens im | |
Immobilienrecht aus, dachte strategisch und hatte das Kapital. Wir sehen | |
bisher niemanden, der in seine Fußstapfen treten könnte". | |
Die Unklarheit über die Erbschaft löst aber auch Erleichterung aus. So im | |
niedersächsischen Faßberg, wo Rieger in einem ehemaligen Hotel ein | |
Neonazizentrum eröffnen wollte. Bürgermeister Hans-Werner Schlitte | |
(parteilos) erklärte: "Nach der Nachricht über die Erkrankung war die | |
Situation schon deutlich entspannter". | |
Nach dem Tod des umtriebigen Anwalts mit unzähligen Kontakten in die rechte | |
Szene, will die Familie nun verhindern, dass sein Grab zu einem | |
Wallfahrtsort der Szene wird. Daher denke die Familie über eine Feuer- oder | |
Seebestattung nach. | |
In der NPD scheint der Tod von Rieger alte interne Streitereien zu | |
entkrampfen. Glaubt man den Gerüchten, dann soll sich der sächsische | |
NPD-Fraktionschef Holger Apfel dem Bundesvorsitzenden Voigt wieder | |
annähern. Apfel störte Voigts Nähe zu Rieger, da er in Riegers Politik | |
einen "unpolitische Nostalgiepflege" sah, statt vermeintlich bürgerlich nah | |
soziale Themen aufzugreifen. Rieger polarisierte in der Szene auch mit | |
arischen Rassenaufzuchtsideen, Hitler-Verehrung und harten internen | |
Anfeindungen. Frank Fösterling, der gerade die Hamburger NPD verließ, sagte | |
zu taz unlängst: "Riegers Positionen erscheinen manchmal etwas speziell, er | |
wird gefürchtet, aber auch sehr geschätzt". | |
30 Oct 2009 | |
## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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