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# taz.de -- Tennis-Profi Nikolai Dawydenko: Eine halbe Portion in der Grauzone
> Dem unscheinbaren Nikolai Dawydenko gelingt beim ATP-Finale der größte
> Coup seiner Karriere. Nun hofft er, seine russische Heimat möge ihm
> endlich angemessene Anerkennung zollen.
Bild: Nikolai Dawydenko im ATP-Finale gegen den Spanier Rafael Nadal.
LONDON taz | Als sich die besten acht Spieler des Jahres zwei Tage vor
Beginn des ATP-Finales in London zum obligatorischen Pressetermin an runden
Tischen einfanden, waren bei Nikolai Dawydenko wie immer kaum Stühle
besetzt. Nebenan gabs das übliche Gedrängel bei Rafael Nadal und Novak
Djokovic, und als Roger Federer mit Verspätung kam, ging es drunter und
drüber. Dawydenko wunderte sich nicht; er ist daran gewöhnt, links liegen
gelassen zu werden, im Schatten der anderen zu stehen. Und normalerweise
fühlt er sich in der Grauzone auch wohl. So berühmt wie Federer oder Nadal
zu sein, überall angesprochen zu werden und immer präsent sein zu müssen,
sagt er, das sei nicht sein Ding.
Die Gefahr, aufzufallen, war bisher nicht allzu groß. Das Spiel des in der
Ukraine geborenen Russen, der auch eine Zeit lang in Deutschland zu Hause
war, ist ausgesprochen effektiv, aber meist wenig spektakulär. Dass er
bisweilen ganz witzig sein kann, ist nur schwer zu erkennen, weil er sich
mit der Umgangssprache Englisch auch nach zehn Jahren auf der Tour nicht
angefreundet hat. Zudem wirkt der 28-Jährige mit seinen lichten Haaren zehn
Jahre älter, als er tatsächlich ist. Neulich, beim Turnier in Schanghai,
musste er gar den unverblümten Hinweis kontern, er sehe ja nicht gerade
toll aus: "Wäre ich nicht verheiratet, könnte ich viele Freundinnen in
Russland haben. Ich weiß ja nicht, wie es hier in China ist, aber für
Russland sehe ich ganz gut aus."
So gut wie in London aber sah er selten zuvor aus. Der Hänfling hatte zwar
im Laufe der letzten Turnierwoche des Jahres in London jeden Tag abgenommen
und wog am Ende nach eigener Einschätzung bei einer Größe von 1,78 Metern
nur noch 68 Kilo, aber die Freude über den bisher größten Coup seiner
Karriere stand ihm ausgesprochen gut.
Nach dem Finale, das er in zwei Sätzen dominiert hatte, meinte der besiegte
Juan Martin del Potro, das Turnier habe einen großen Champion. Im Laufe der
Woche gewann Dawydenko gegen die Gewinner aller vier Grand-Turniere dieses
Jahres, gegen Nadal (Melbourne), Federer (Paris und Wimbledon) und del
Potro (New York), und er war nicht nur meist der schnellere Mann im Spiel,
er überzeugte auch mit seiner Bereitschaft zum Risiko und blieb standhaft,
als die anderen müde wurden.
Als Federer gefragt wurde, ob Dawydenko genügend Respekt erfahre, meinte
der Branchenprimus: "Ich weiß nicht, ob ihr den Respekt habt, ich schon.
Über seinem Namen hing eine Zeit lang eine Wolke, was nicht besonders fair
war, wie sich herausgestellt hat". Die vor zwei Jahren erhobenen Vorwürfe,
Dawydenko sei an Wettmanipulationen beteiligt gewesen, wurden in einer
offiziellen Untersuchung ausgeräumt. "Trotz vieler Fragen die ganze Zeit
gut zu spielen kann nicht leicht für ihn gewesen sein. Ich respektiere ihn
dafür, aber auch dafür, was er für ein Spieler ist."
Was für ein Spieler Dawydenko ist, musste Federer schmerzlich im Halbfinale
erfahren. Dieser erste Sieg gegen den Schweizer nach zuvor zwölf
erfolglosen Versuchen lässt den Russen daran glauben, im nächsten Jahr auch
eine Chance auf einen Grand-Slam-Titel zu haben, selbst als halbe Portion.
Im Gegensatz zu seinen erfolgreichen russischen Vorgängern Jewgeni
Kafelnikow und Marat Safin fehlt ihm nach wie vor ein Titel bei einem der
großen vier Turniere, weswegen er auch in der Heimat noch nicht so
wahrgenommen wird, wie er es gern hätte. "Ich hoffe", sagte Dawydenko nach
seinem Sieg, "dass ich jetzt in Russland berühmter werde."
Momentan allerdings besitzt Dawydenko noch nicht einmal einen
Schlägersponsor. Auf die Frage, warum der alte Vertrag mit einem
amerikanischen Unternehmen nicht verlängert worden sei, antwortete er
grinsend: "Die haben kein Geld mehr. Krise. Haben Scharapowa alles Geld
gegeben". Die Kollegin Scharapowa spielt in jeder Hinsicht in einer anderen
Liga, aber offensichtlich kann man auch mit einem Schläger erfolgreich
sein, auf dem gerade kein Logo prangt.
1 Dec 2009
## AUTOREN
Doris Henkel
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