| # taz.de -- Taumelnde Tiger | |
| > 1997 hat die Asienkrise um Europa und die USA einen Bogen gemacht. Das | |
| > muss nicht so bleiben | |
| von HERMANNUS PFEIFFER | |
| Der allwissende Internationale Währungsfonds wurde im Sommer 1997 von der | |
| Asienkrise vollkommen überrascht. Unter dem Druck westlicher | |
| Währungsspekulanten musste am 2. Juli 1997 die thailändische Regierung den | |
| Wechselkurs des Baht freigeben. Die Nachbarn Philippinen, Malaysia und | |
| Indonesien wurden mit in den Strudel der Finanzkatastrophe gezogen. | |
| Nach jahrzehntelangem Aufschwung brachen die Volkswirtschaften der | |
| südostasiatischen Tigerstaaten in sich zusammen: Die Inflation raste, | |
| Währungen stürzten ins Bodenlose, und viele Millionen Menschen verloren | |
| Jobs und Einkommen. | |
| ## Berechtigte Kritik | |
| Der von den Finanzmärkten düpierte IWF kritisierte daraufhin die Opfer der | |
| Krise. Schuld seien volkswirtschaftliche Ungleichgewichte in Asien, kranke | |
| Finanzstrukturen, falsche Wechselkurse und politische Instabilität. | |
| Unglücklicherweise hatten IWF und Bundesbank damit Recht. So entpuppten | |
| sich die östlichen Geldgiganten und Zentralbanken schnell als marode, da | |
| sie viel zu wenig Eigenkapital und Finanzwissen besaßen. Weniger gern hörte | |
| man dagegen in westlichen Bankvorständen, dass eine übereilte | |
| Liberalisierung Mitschuld an der Asienkrise trage. | |
| Zu den mehr oder weniger hausgemachten Problemen der Tigerstaaten gesellte | |
| sich noch ein weiterer wesentlicher Faktor: der Herdentrieb. War in der | |
| Begeisterung der Achtziger- und frühen Neunzigerjahre das internationale | |
| und heimische Kapital in fetten Strömen gen Osten geflossen, floh es nun in | |
| die sicheren Finanzhäfen von New York, Paris oder Frankfurt zurück. Die | |
| Spekulationsblase platzte. | |
| Fünf Jahre später hat sich wenig geändert. „Die Finanzmärkte sind nicht | |
| sicherer geworden“, kritisiert Professor Jörg Huffschmid, Mitglied der | |
| Bundestags-Enquetekommission zur Globalisierung. Die asiatischen | |
| Banksysteme sind weiterhin schwach und könnten in vielen Ländern jederzeit | |
| kollabieren. | |
| Mit dem Pleitestaat Argentinien, mit Brasilien und Mexiko, Russland, Türkei | |
| und Japan – dessen Banken im vergangenen Jahr 26 Milliarden Euro Verlust | |
| verbuchten – sowie mit dem neuen Liebling der Finanzmärkte, China, stehen | |
| weitere Wackelkandidaten bereit, um einen Finanzkrach auszulösen – der | |
| dieses Mal auch in die westlichen Metropolen überschwappen könnte. Bislang | |
| konnte niemand der Masse des Kapitals Herr werden: Noch immer wechseln über | |
| zwei Billionen Euro täglich aus spekulativen Gründen immer wieder den Ort. | |
| Als Konsequenz aus der Asienkrise wird an einer Reform des IWF gearbeitet. | |
| Banker und Politiker gründeten im April 1999 das Financial Stability Forum | |
| (FSF), eine Idee des früheren Bundesbankpräsidenten Hans Tietmeyer. Das FSF | |
| will die globalen Finanzmärkte stabilisieren und Systemrisiken abbauen. Da | |
| dies offenkundig nicht durch einen neoliberalen Verzicht auf Regularien | |
| möglich ist, wurde ein quasistaatlicher Zwölfpunkteplan entworfen, dem sich | |
| alle Länder und Geldinstitute anschließen sollen. | |
| Dass korrekte kaufmännische Prinzipien und nationale staatliche Aufsicht | |
| künftig ausreichen, um Finanzkrisen zu verhindern, muss bezweifelt werden. | |
| Es fehlen eine internationale Regulierung und die Einführung eines | |
| Verursacherprinzips: Wer eine Finanzkrise heraufbeschwört, soll auch für | |
| den Schaden geradestehen. | |
| ## Veto der Geldriesen | |
| Solche Pläne scheitern jedoch am Veto der 20 globalen Geldriesen, die den | |
| Devisenhandel dominieren. Entwicklungsländer fordern zudem, der Westen | |
| solle endlich auch im eigenen Haus für Ordnung sorgen. Die Kursschwankungen | |
| zwischen Yen, Dollar und Euro sind nach wie vor das größte globale | |
| Geldproblem für den „Rest der Welt“. | |
| 1997 hat die Finanzkrise um die USA und Europa noch einen weiten Bogen | |
| gemacht, vor allem weil beide Regionen damals wirtschaftlich und finanziell | |
| stark genug waren, um alle Anfeindungen am heimischen Markt abprallen zu | |
| lassen. Das muss nicht so bleiben. Die japanische Dauerdepression, das | |
| atlantische Konjunkturtief, Bilanzskandale an der Wall Street, taumelnde | |
| Börsen und ein kränkelnder Dollar schwächen die Abwehrfront gegen einen | |
| globalen Crash. | |
| 2 Jul 2002 | |
| ## AUTOREN | |
| HERMANNUS PFEIFFER | |
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