| # taz.de -- Südafrika-Doku im ZDF: Momente der Wahrhaftigkeit | |
| > Südafrika nennt sich "Rainbow Nation". Wie weit der 1994 von der | |
| > Apartheid befreite Staat von einer Nation entfernt ist, zeigt eine | |
| > ZDF-Dokumentation. | |
| Bild: Kapstadt bei Nacht: Mit Mo Asumang durch Südafrika. | |
| Wie schon bei der WM 2006 ruft auch jetzt ein archaisches Ballspiel | |
| patriotische Wallungen bei Menschen hervor, die sonst über jeden Verdacht | |
| der nationalen Bewegtheit erhaben sind. Die Spiele der siegreichen | |
| Nationalmannschaft sind dem Staatsvolk willkommener Anlass, sich zu sammeln | |
| und das alle vereinende Glück der nationalen Identität in der Gemeinschaft | |
| zu erfahren. | |
| Nicht alle Menschen auf der Welt teilen dieses Glück. Das kann daran | |
| liegen, dass ihre Nationalmannschaften schon aus dem Turnier ausgeschieden | |
| sind. Und es kann daran liegen, dass sie mit ihrer Nation nicht in der | |
| gleichen Weise im Reinen sind wie die geschichtsbewusst nach vorn (auf das | |
| nächste Spiel) blickenden Deutschen. | |
| Auf das Gastgeberland des Wettbewerbs trifft beides zu. Südafrika nennt | |
| sich stolz „Rainbow Nation“ – aber wie weit der 1994 aus der „Apartheid… | |
| entlassene Staat noch von einer Nation entfernt ist, zeigt ein ZDF-Film zu | |
| später Stunde. | |
| Gemacht hat ihn Mo Asumang, die als Moderatorin der anfangs ambitionierten | |
| Sex-Fernsehsendung „Liebe Sünde“ bekannt wurde und inzwischen lieber | |
| ambitionierte Dokumentarfilme dreht. Wie schon bei „Roots Germania“ wählt | |
| sie auch für „Road to Rainbow“ die Form eines sehr subjektiven Filmessays | |
| mit autobiographischen Bezugnahmen: „Rassismus habe ich als Afro-Deutsche | |
| in Deutschland am eigenen Leib erfahren – und ich weiß, was es ganz tief im | |
| Inneren für einen Schaden anrichtet. Hat es das auch mit den Südafrikanern | |
| getan? Und wer weiß eigentlich Genaues über die Vision der | |
| Regenbogennation? Das möchte ich herausfinden.“ | |
| Also steigt sie zusammen mit dem in Südafrika bekannten „Comedian“ Kagiso | |
| Lediga in einen klapprigen Minibus, trifft bekannte und unbekannte Menschen | |
| (z.B. Erzbischof Tutu und Ex-Präsident de Klerk), kurvt fotogen über die | |
| Highways von Kapstadt und Johannesburg, wird nur einmal ungeplant von einer | |
| im Nirgendwo endenden Brücke aufgehalten. | |
| Ein Kameramann mit hellseherischen Fähigkeiten ist schon vorher zur Stelle, | |
| um den metaphorischen Gehalt der Situation in einer schönen Totale | |
| festhalten zu können. Weiter geht’s: „Wir fahren jetzt seit Stunden durch | |
| die Townships – und mir fällt auf: Es wohnen überhaupt keine Weißen hier.�… | |
| Na sowas. Asumang wähnt sich im Logomobil und bedient sich einer sonst nur | |
| aus dem Kinderprogramm – und von Johannes Baptist Kerner – bekannten, | |
| natürlich aufgesetzten Naivität. | |
| Überhaupt dürfte die Machart des Films polarisieren. Asumang adaptiert den | |
| B-Movie-Klassiker „The Incredible Shrinking Man“ und führt Gespräche mit | |
| einem miniaturisierten und in eine rostige Dose verfrachteten kleinen | |
| Jungen. Bescheuert! Asumang erfindet ein neues Gesetz, das die Reichen dazu | |
| verpflichtet, freiwillig in den Townships zu arbeiten. | |
| Paradox! Aber dann doch auch aufschlussreich: Ein weißes Pärchen willigt | |
| sofort ein. Alle gefragten schwarzen Wohlstandsbürger – Porsche, Maserati | |
| und Mercedes fahrend – weisen das Ansinnen ebenso verlegen wie bestimmt | |
| zurück. Asumangs unbefangene, unbedarfte Herangehensweise fällt auf die | |
| Nerven – und doch ist es wohl gerade diese Haltung, der der Film einige | |
| Momente von großer Wahrhaftigkeit verdankt. | |
| Etwa wenn sich die kindlich staunende Asumang die schier unglaublichen und | |
| an Fort Knox erinnernden Sicherheitsvorkehrungen in den Villen der Reichen | |
| vorführen lässt. Oder wenn eine Bewohnerin des Deutschen Altersheims | |
| Johannesburg beschwichtigend erklärt: „Eigentlich gab es für uns keine | |
| Apartheid, das war Politik. – Ich hatte ein schwarzes Mädchen, für | |
| ,Putzing‘ und für alles!“ | |
| Es sind solche Momente, die Asumangs Film unterm Strich sehenswerter machen | |
| als alle anderen Afrika-Dokus, die das deutsche Fernsehen in den | |
| vergangenen Wochen in nicht geringer Zahl gesendet hat. Na ja, als fast | |
| alle. | |
| "Road to Rainbow – Willkommen in Südafrika" (Mittwoch, 23.15 Uhr, ZDF) | |
| 29 Jun 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Müller | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA |