# taz.de -- Studie zu Frauenanteil unter Managern: "Was will die Frau mit Macht… | |
> Der Frauenanteil unter Managern wird und wird nicht höher. Wie Frauen am | |
> Aufstieg in Top-Positionen gehindert werden, zeigt eine neue Studie des | |
> Sinus-Instituts | |
Bild: Accenture-Managerin Susanne Kloess. | |
Stellen wir uns einmal vor: | |
Das Cosinus-Institut hat erstmals in einer repräsentativen Umfrage Frauen | |
im Management danach befragt, warum ihrer Meinung nach so wenige Männer in | |
Deutschland Führungspositionen besetzen. | |
Die Forscherinnen fanden drei Begründungsmuster. Das Urteil konservativ | |
denkender Frauen war, dass Männer für verantwortungsvolle Posten schlicht | |
ungeeignet seien. Besonders gefürchtet waren ihre Testosteronschübe, die | |
Neigung zu unkontrollierten Dominanzausbrüchen und überlangen Redebeiträgen | |
bei wichtigen Verhandlungen. Dies würde Verhandlungspartner verschrecken. | |
Eine zweite Befragtengruppe lehnte solche pauschalen Vorurteile ab. Sie | |
betonten, sehr aufgeschlossen gegenüber Männern als Chefs zu sein. | |
Allerdings dürfe man nicht vernachlässigen, dass das gesellschaftliche Bild | |
von Männern von der traditionell konservativen Vorstellung geprägt sei - | |
Männer, die sich anders verhielten, wirkten deshalb nicht authentisch. Da | |
Authentizität aber für Führungsposten unabdingbar sei, kämen diese Männer, | |
die sich quasi wie Frauen verhielten, für repräsentative Aufgaben oft nicht | |
in Frage. | |
Eine dritte Gruppe befürwortete Männer in Führungspositionen | |
uneingeschränkt. Allerdings würden sich viele Männer durch ihr Verhalten | |
selbst Steine in den Weg legen: Überambitioniertheit und ausgedehnte | |
Bürozeiten ohne wirklich effizienten Output sowie ihre Neigung, sich in | |
Seilschaften zu organisieren, werfe sie aus dem Wettbewerb. | |
Eine solche Befragung hat es nie gegeben | |
Leider hat es aus unverständlichen Gründen eine solche Befragung nie | |
gegeben. Stattdessen gibt es eine Studie des Sinus-Instituts "Brücken und | |
Barrieren für Frauen zu Führungspositionen", das Manager befragte, warum so | |
wenig Frauen in Chefsesseln sitzen. | |
Es zeigten sich drei Gruppen: Eine konservative, die meinte, Frauen seien | |
qua Geschlecht ungeeignet und würden die Männerrunden stören. Eine | |
mittlere, die das Authentizitätsproblem thematisierte: Frauen, die sich wie | |
Männer verhalten, gelten nicht mehr als authentisch und sind damit | |
ungeeignet für die Härte der Führungsjobs. | |
Und eine aufgeschlossene, die Frauen alles zutraut, aber meint, Frauen | |
hätten meist Besseres zu tun, als sich den Männerritualen zu unterwerfen. | |
Deshalb werde es immer nur wenige geben, die in die Topjobs gehen wollten. | |
Kurz gesagt haben wir hier einen hübschen Teufelskreis der | |
Vorurteilsstrukturen: Frauen können per "Weiblichkeit" nicht Chef werden. | |
Ändern sie ihr Verhalten Richtung "Männlichkeit", können sie erst recht | |
nicht Chef werden, weil sie dann nicht authentisch sind. | |
Irgendwie ahnen sämtliche Befragte, dass aus diesem Kreis kein Entrinnen | |
ist: Nur 26 Prozent der befragten Frauen und 29 Prozent der Männer meinte, | |
die Zahl von Frauen in Führungsjobs werde sich demnächst erhöhen. "Die | |
gläserne Decke ist dreifach gesichert", meint resignierend der Soziologe | |
Carsten Wippermann, einer der AutorInnen der Studie. | |
Aber, aber, alles halb so schlimm, meint nun unsere neue Regierung. Wir | |
haben ja unsere Kanzlerin. Und Anne Will, und Maybrit Illner und Friede | |
Springer und Liz Mohn. Leben wir nicht schon längst in einer | |
Frauenrepublik, in der sehr bald die eingangs erwähnte Studie erstellt | |
werden wird? | |
Sogar die Kirche hat eine Frau als oberste Sprecherin installiert – wenn | |
auch nur die evangelische. Auch die Wählerinnen scheinen das großenteils so | |
zu sehen, sie huldigen vergnügt der Kanzlerin und fühlen sich emanzipiert, | |
wenn sie CDU wählen, weil die ja neuerdings ein modernes Familienbild | |
vertrete. | |
Die Sinus-Studie dagegen enthüllt, warum jede einzelne Frau im Führungsjob | |
so frenetisch gefeiert wird, dass es glatt zu einer Kanzlerinnen-Wiederwahl | |
reicht. Weil sie Ausnahmen sind. Sogar Frauen, die in quasidynastischer | |
Nachfolge die Macht ihrer Ehemänner erbten wie Liz Mohn und Friede | |
Springer, werden dann zu Rolemodels stilisiert. | |
Bei Angela Merkel wiegt glücklicherweise der Umstand, dass wir uns mit | |
einer Kanzlerin so irre modern und besonders fühlen können, die viele | |
Abwehr auf, die sie ebenfalls auslöst. Viel von dieser Abwehr hat genau mit | |
dem Problem zu tun, dass die Eheleute Wippermann und ihr Team beschrieben | |
haben. | |
Verhält Merkel sich "weiblich", also konziliant und ausgleichend, was ihr | |
im Moment vorzugsweise bescheinigt wird, finden die KommentatorInnen das | |
bedenklich: "Nie hat sie ihr Amt riskiert, um eigene Vorstellungen | |
durchzusetzen", mäkelt etwa der Spiegel und klagt sie des fehlenden | |
Heroismus an: "Von mutig kann keine Rede sein." Das Heldische aber war | |
bisher eine Domäne des Männlichen. Also: Man vermisst Männlichkeit. | |
Auch die neueste Mode, sie als "Mutti" abzuwerten, passt in dieses Bild. | |
Mutti muss man gehorchen – aber ernst nehmen muss man sie nicht. Zur Mutti | |
wurde sie übrigens paradoxerweise in einem Moment, als sie Machtpolitik | |
betrieb. Der von ihr abgesägte Exwirtschaftsminister Glos soll Urheber des | |
Spitznamens sein: Da hat ja nur die Mutti einen übel bestraft – in der | |
männlichen Hierarchie hat das quasi nichts zu sagen. | |
Glos versucht damit, wieder Mitglied im Jungsverband zu werden: Der | |
Jungsverband kann sich über das Stichwort "Mutti" gegen Merkels Macht | |
immunisieren, "Mutti" gehört nämlich per definitionem nicht dazu. Verhält | |
Merkel sich "männlich", dann wird das auch nicht goutiert. | |
Dann ist sie eine "schwarze Witwe", die das arme Männchen Westerwelle bald | |
verspeisen wird. Kaum ein Beobachter, der ihren Machtwillen nicht | |
unheimlich oder rätselhaft findet. Im Vergleich zu ihrem sich hyperviril | |
gebenden Vorgänger fällt das besonders auf: Der rüttelte schon als | |
Bürschchen am Zaun des Kanzleramts. Der Mann will nach oben. Grund: Völlig | |
schnuppe. | |
Aber die Frau, was will denn die Frau mit dieser Macht? Ja, Angela Merkels | |
Machtwille, der vielleicht genauso banale Ursachen hat wie Schröders, der | |
ist unheimlich, rätselhaft, bedenklich. Er gehört nicht zu unserem Bild von | |
Weiblichkeit, er ist das, was die Manager in Wippermanns Studie | |
"unauthentisch" nannten. | |
Angela Merkel ist die historische Großtat zuzuschreiben, dass ihr solche | |
Verdikte absolut wurscht sind. Denn Vorurteile, auch wenn sie Betondecken | |
bilden, bleiben nun mal Vorurteile. Merkel durchbricht diese Betondecke mit | |
ihrem lapidar hingeworfenen "Das wollen wir doch mal sehen." Charmant. | |
Nur, diese einzelnen Wunderwesen, die sich durch den Beton der Vorurteile | |
kämpfen, sind wenige. Schöner wäre es, man würde den ganzen Quatsch laut | |
und deutlich benennen - und politisch etwas dagegen unternehmen. Schon | |
deshalb müssen Quoten ein politisches Mittel bleiben: Wer eine Quote will, | |
muss erklären, warum. | |
Und wird dann diese vielen interessanten Studien vorlegen, nach denen | |
Frauen erschreckend oft dann eine Chance bekommen, wenn das Gegenüber | |
annahm, bei dem anonymen Bewerber habe es sich um einen Mann gehandelt. | |
Man wird diese Vorurteile nicht vollends wegargumentieren können. | |
Vorurteile sind bequeme und einfache Mittel, um Komplexität zu reduzieren. | |
Aber man kann sie eindämmen, zum Beispiel mit Kampagnen und Quoten. Und | |
vielleicht wird dann eines Tages mal ein Gleichgewicht der Vorurteile | |
herrschen. | |
Sodass das Cosinus-Institut erschüttert feststellen wird, dass Frauen in | |
Chefsesseln erschreckende Vorurteile gegenüber Männern haben – und dass man | |
dagegen dringend etwas tun muss. Dann wird man sich wahrscheinlich des | |
Gender-Mainstreaming erinnern, das vor vielen Jahren als Mittel zum Abbau | |
gegenseitiger Vorurteile erfunden wurde, dann aber in Vergessenheit geriet. | |
Irgendwann mal wird das sein, wenn eine Regierung wieder | |
Geschlechterpolitik machen will. | |
25 Nov 2009 | |
## AUTOREN | |
Heide Oestreich | |
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