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# taz.de -- Sportlerflucht aus Kuba: Krankes System
> Wieder kehren zwei kubanische Baseballstars ihrer Heimat den Rücken. Der
> internationale Bedeutungsverlust des Inselsports setzt sich weiter fort -
> auch wegen der Mangelwirtschaft.
Bild: Gute Stimmung beim kubanischen Team für die Panamerikanischen Spiele 200…
Am Samstag hat Kubas Nationalcoach Higinio Vélez das vorläufige 45-köpfige
Aufgebot für das wichtigste Baseballturnier der Welt nominiert. Im März
stehen die World Classics Baseball an, und dann sollen die Staatsamateure
von der Insel wieder für Furore sorgen. Zeigen sollen sie der
professionellen Konkurrenz aus den USA, Japan, Südkorea und Co., wie man in
Kuba pelota spielt. Beim ersten Mal ist das den Kubanern ganz gut gelungen.
Da scheiterte man erst im Finale an den wieselflinken Japanern. Doch für
die kubanische Equipe steht die zweite Auflage unter schlechten Vorzeichen.
Mit Yardel Martí wird nämlich der wurfgewaltige Spieler fehlen, der die
gegnerischen Schläger bei den ersten World Classics mit seinen präzisen
Würfen schier zu Verzweiflung brachte.
Martí, ein 29-jähriger Mann von den Industriales aus Havanna, hat sich
gemeinsam mit Yasser Gómez zum Jahreswechsel nach Mexiko abgesetzt. Eine
Republikflucht, die erst im zweiten Anlauf glückte. Die beiden Cracks der
Industriales hatten bereits im November einen Fluchtversuch unternommen.
Daraufhin waren beide von der Nationalmannschaft und dem Ligabetrieb
verbannt worden.
Der zweite Fluchtversuch war dann nur noch eine Frage der Zeit, wie eine
ganze Reihe von Beispielen zeigt. So flüchtete Orlando "El Duque"
Hernández, eine Legende unter Kubas Baseballwerfern, genauso wie
Boxweltmeister Erislandy Lara, nachdem man sie suspendiert hatte. Ohne den
Sport und seine Privilegien lässt es sich in Kuba nur schlecht aushalten,
wenn obendrein lukrative Verträge im Ausland winken.
Bei Martí und Gómez ist das der Fall. Die beiden Spieler, die sich
mittlerweile in New York aufhalten, können derzeit in Ruhe die Angebote
ihres Agenten Jaime Torres sondieren. Während Martí als Pitcher bereits
einen exzellenten Ruf im Baseball-Mekka USA hat, muss Gómez, ein
sprintstarker Outfielder, noch an seinem Ruf arbeiten. Er gehört zwar zu
den besten und schlagkräftigsten Spielern der kubanischen Liga, wurde aber
kaum in die Nationalmannschaft berufen. Ein Grund für die Flucht, denn in
Kuba sah er sich von dem Trainerteam um Coach Higinio Vélez immer
geschnitten. Für Martí war hingegen der zentrale Grund für die Flucht die
ständige Bevormundung. "Sie behandeln uns wie Kinder", hatte er in einem
Interview mit dem Canal 41 aus Miami geklagt.
"Allerdings gibt es noch ein anderes Problem. Es fehlt uns an den
körperlichen Voraussetzungen. Das ist der Preis der período especial",
erklärt Iván García, ein unabhängiger kubanischer Sportjournalist. Die
schlechte Ernährung in den Neunzigerjahren, als die Insel eine tiefgehende
Wirtschaftskrise durchlitt, macht der 41-jährige Hüne für den
Leistungsabfall im kubanischen Sportbetrieb verantwortlich. "Noch nie haben
wir bei Olympischen Spielen so schlecht abgeschnitten, und obendrein fehlen
den Sportlern hier die Perspektiven", moniert García.
Im Baseball, dem Nationalsport, werden die Spieler zwar mit relativ hohen
Gehältern, Devisenprämien und Unterbringung in Luxushotels versorgt, aber
in anderen Sportarten ist das nicht mehr der Fall. Ein triftiger Grund,
weshalb Abwanderung im kubanischen Sportbetrieb längst nicht mehr die
Ausnahme ist. Das trägt zur Verschlechterung der Performance der
Sportnation Kuba genauso bei wie die dünner werdende Decke an Talenten.
Zwar funktioniert das Talentsichtungssystem an Schulen und Hochschulen nach
wie vor, aber die Zahl der Schüler und Studenten ist aufgrund gesunkener
Geburtenraten rückläufig. Groß gewachsene Sportler werden beim Volley- und
Basketball mittlerweile genauso händeringend gesucht wie kräftige Boxer
fürs Schwergewicht. Eine Folge der Mangelwirtschaft, die mehr oder minder
auch für die Flucht der Baseballstars verantwortlich war.
13 Jan 2009
## AUTOREN
Bernd Bieberitz
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