# taz.de -- Solarenergie aus dem eigenen Haushalt: Balkonkraft? Ja bitte | |
> Balkonsolarkraftwerke kann man jetzt auch beim Discounter kaufen. Lohnt | |
> sich das? Wie funktionieren die? Und was, wenn der Vermieter sich | |
> querstellt? | |
Bild: Je teurer der Netzstrom wird, desto rentabler wird ein Balkonkraftwerk | |
Balkonkraftwerke sind im Einzelhandel angekommen. Beim Discounter Lidl gibt | |
es bereits Solarmodule für 200 Euro, Aldi zieht im Juni nach. Lohnen sich | |
die Dinger? | |
Das kommt vor allem auf die Ausrichtung an. Der Balkon sollte einigermaßen | |
nach Süden orientiert sein und nicht zu viele Stunden am Tag im Schatten | |
liegen. | |
Lidl gibt für sein 150-Watt-Modul einen Ertrag von „bis zu 100 | |
Kilowattstunden pro Jahr“ an, was an einem vernünftigen Standort auch | |
durchaus zu erzielen ist. Geht man davon aus, dass man den Strom komplett | |
selbst verbraucht und damit Netzstrom ersetzt – dessen Preis mit 35 Cent je | |
Kilowattstunde kalkuliert sei –, lassen sich 35 Euro im Jahr an Stromkosten | |
sparen. Beim Kaufpreis von 200 Euro wäre das Modul somit nach sechs Jahren | |
amortisiert. | |
Die Rechnung stimmt natürlich nur, wenn man tatsächlich die gesamte | |
erzeugte Strommenge selbst nutzt, um Netzstrom zu ersetzen. Da das aber | |
nicht unbedingt immer gelingt, gelten in der Praxis eher | |
Amortisationszeiten von acht Jahren als realistisch. Aber: Je teurer der | |
Netzstrom wird, desto rentabler wird ein Balkonkraftwerk. | |
Wie funktioniert eine Balkonanlage überhaupt? | |
Solarmodule erzeugen Gleichstrom. Bei klassischen Dachanlagen gibt es einen | |
zentralen Wechselrichter, der den Strom auf die typische Netzspannung von | |
230 Volt Wechselstrom beziehungsweise 400 Volt Drehstrom bringt. | |
Balkonmodule hingegen sind mit einem kleinen Modulwechselrichter versehen, | |
der mitunter schon integriert ist oder separat mitgeliefert wird. Er | |
liefert die klassischen 230 Volt. Über ein Anschlusskabel, das einfach in | |
die Steckdose gesteckt wird, kann man den Strom dann ins eigene Hausnetz | |
einspeisen und an anderen Steckdosen in der Wohnung zeitgleich nutzen. | |
Braucht man für die Nutzung des Stroms eine spezielle Einspeisesteckdose? | |
Das ist ein juristischer Graubereich. Der Elektrotechnik-Verband VDE setzt | |
noch immer auf einen speziellen Stecker („Wieland-Stecker“), womit ein | |
Austausch der Dose nötig würde. Hingegen finden andere, wie etwa die | |
[1][Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie], den normalen | |
Schutzkontaktstecker völlig okay. Nach Erhebungen der Hochschule für | |
Technik und Wirtschaft in Berlin hat sich der Schukostecker mit rund 75 | |
Prozent Marktanteil ohnehin längst als Standardvariante etabliert, weil er | |
die einfachste und billigste Lösung ist. Einige Anbieter, wie etwa der | |
Baumarkt Obi, verkaufen die Module daher längst mit Schukostecker. Das | |
Bundeswirtschaftsministerium will die Standardstecker – um Rechtssicherheit | |
zu schaffen – gemäß seiner „Photovoltaikstrategie“ nun auch offiziell | |
zulassen. | |
Muss man sein Balkonkraftwerk anmelden? | |
Formal muss man auch Balkonkraftwerke beim Netzbetreiber anmelden und im | |
[2][Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur] registrieren. Ob das | |
sinnvoll ist, ist umstritten. Wegen des bürokratischen Aufwands werden | |
viele Balkonkraftwerke heute ohne Anmeldung betrieben – sogenannte | |
Guerilla-PV. Das Bundeswirtschaftsministerium geht davon aus, dass etwa die | |
Hälfte der Projekte unregistriert ist. | |
Welche maximale Leistung ist zulässig? | |
Derzeit sind bis zu 600 Watt pro Stromkreis zulässig. Wahrscheinlich wird | |
die Grenze bald auf 800 Watt erhöht. Diese Anhebung ist auch einer der | |
Punkte in einer [3][Petition von Solarinitiativen], die kürzlich im | |
Petitionsausschuss des Bundestags verhandelt wurde. Bei der Bemessung ist | |
übrigens alleine die Leistung des Wechselrichters relevant; die Leistung | |
der Module kann dann durchaus noch etwas höher sein. | |
In Zeiten, in denen man den Strom nicht im eigenen Haushalt verbraucht, | |
fließt der Überschuss ins Netz. Was passiert dann? | |
Das ist grundsätzlich kein Problem. Man muss allerdings sicherstellen, | |
dass der Stromzähler dann nicht rückwärts läuft, denn das wäre | |
strenggenommen Betrug. Zähler ohne Rücklaufsperre werden zwar wegen der | |
fortschreitenden Erneuerung der Elektroinstallationen immer seltener, doch | |
es gibt sie noch. Ist gesichert, dass der Zähler nicht rückwärts läuft, ist | |
eine Einspeisung zulässig. | |
Eine Vergütung erfolgt dann aber nicht, dafür bräuchte man einen | |
Einspeisezähler, der sich aber für die oft geringen Überschussmengen eines | |
Balkonmoduls nicht lohnt. Um einen schnellen Anschluss von Balkonmodulen zu | |
ermöglichen, fordern Solarfreunde rückwärts laufende Zähler für eine | |
Übergangszeit zu dulden, wenn der örtliche Netzbetreiber nicht kurzfristig | |
in der Lage ist, den Zähler zu tauschen. | |
Sind Batterien als Ergänzung sinnvoll? | |
Anders als bei größeren Dachanlagen, die meist erhebliche Überschüsse | |
erzeugen, bleibt bei Balkonmodulen oft nicht allzu viel Strom übrig, den | |
man speichern könnte. Die Anlagen müssen ja erst einmal die Grundlast in | |
der Wohnung decken, wie etwa den Verbrauch des Kühlschranks. Zudem sind | |
selbst kleine Speicher oft teurer als die Module, das macht sie unrentabel. | |
Braucht man eine [4][Erlaubnis des Vermieters]? | |
Ja, und oft auch noch eine von der Wohnungseigentümergemeinschaft. Die kann | |
bislang nämlich die Installation von Balkonmodulen per Mehrheitsentscheid | |
unterbinden. Gehört das Haus einer Wohnungsbaugesellschaft, dann muss man | |
bei dieser anfragen. Es gibt Gesellschaften, die Balkonmodule | |
grundsätzlich erlauben, und andere, die sich aus Prinzip querstellen. | |
Die Rechtslage könnte sich aber bald ändern. Balkonsolar-Initiativen | |
fordern die Aufnahme von Steckersolargeräten in den Katalog „privilegierter | |
Maßnahmen“ im Gesetz und auch das Bundeswirtschaftsministerium hat bereits | |
Unterstützung signalisiert. Dann würden Balkonanlagen zum Beispiel mit | |
Ladepunkten für Elektroautos gleichgestellt, die schon heute jeder Bewohner | |
eines Hauses verlangen und auf eigene Kosten installieren lassen darf. | |
Und wenn mein Vermieter nein sagt? | |
Dann kann Kreativität helfen. Zu den Bastelideen, die von Balkonsolar-Fans | |
vorgestellt werden, zählt etwa ein Balkontisch, der aus einem Solarmodul | |
mit Beinen besteht. Nutzt man den Tisch als solchen, geht zwar zeitweise | |
Strom verloren, in den meisten Stunden des Tages kann der ungenutzte Tisch | |
auf dem Balkon aber Energie einfangen. | |
Aber ist das nicht alles furchtbar kompliziert, viel zu bürokratisch und | |
spart letztendlich gar nicht so viel ein? | |
Wenn man ein wenig Interesse an Technik hat, ist das alles halb so wild. | |
Bei der Bürokratie gilt immerhin: Balkonanlagen sind steuerlich irrelevant. | |
Auch größere Anlagen auf dem privaten Hausdach sind inzwischen begünstigt: | |
Seit dem Steuerjahr 2022 müssen Erträge aus PV-Kraftwerken bis 30 Kilowatt | |
bei der Einkommensteuer nicht mehr angegeben werden. Da entsprechend keine | |
Einnahmen-Überschuss-Rechnung mehr erforderlich ist, entfällt Bürokratie. | |
Und es geht ja auch nicht allein ums Geldsparen. | |
Mit Solarenergie selbst Strom erzeugen macht Spaß und ein gutes Gewissen. | |
Und das ist unbezahlbar. | |
20 May 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.dgs.de/aktuell/ | |
[2] https://www.marktstammdatenregister.de/MaStR | |
[3] https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2023/_02/_17/Petition_146290.n… | |
[4] /Energiewende-in-Hamburg/!5874911 | |
## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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