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# taz.de -- Skandal in Bosnien: Wirbel um geflüchteten Kriegsverbrecher
> Dem in Kroatien verurteilten Warlord Branimir Glavas gelang es, sich nach
> Bosnien abzusetzen Dort ist er nach einem Verfahren jetzt wieder auf
> freiem Fuss.
Bild: Branimir Glavas wurde wegen zehnfachen Mordes zu zehn Jahren Gefängnis v…
SARAJEVO tazDie Freilassung des nach Bosnien und Herzegowina geflohenen
kroatischen Kriegsverbrechers Branimir Glavas hat in Sarajevo zu Empörung
und kontroversen Diskussionen geführt. Dass der vor zehn Tagen in Kroatien
zu 10 Jahren Haft verurteilte Glavas nach seiner Flucht nach Bosnien und
einem Verfahren vor dem Staatsgericht in Sarajevo auf freien Fuß gesetzt
wurde, ist für die zivilgesellschaftliche Öffentlichkeit in Sarajevo
schlicht ein Skandal. Und niemand weiß jetzt, wie mit dem Fall weiter
verfahren werden soll.
Branimir Glavas gehört zu den machtvollen Überbleibseln der Kriege der
90er-Jahre. 1991 hatte sich Glavas als fähiger Organisator der Verteidigung
seiner Region Ostslawonien um die Städte Osijek und Vukovar erwiesen, die
damals von Serbien angegriffen wurde. Die serbischen Streitkräfte
belagerten und zerstörten die Barockstadt Vukovar, viele ortsansässige
Serben schlossen sich den serbischen Streitkräften an und versuchten, die
gesamte Region in ihre Gewalt zu bekommen. Hunderte von Kroaten der Region
wurden von Serben massakriert, zehntausende mussten fliehen.
Glavas saß damals einem Verteidigungsausschuss der Kroaten vor und trug
damit auch die Verantwortung für die Racheakte der kroatischen Seite. Denn
es gelang den Kroaten, eine Frontlinie südlich der Großstadt Osijek zu
halten. Und weil diese Gebiete ebenfalls ethnisch gemischt waren, befanden
sich serbische Zivilisten auf kroatisch kontrolliertem Gebiet, die zum Ziel
von Racheakten wurden. Die kroatische Seite beging damals ebenfalls
Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Branimir Glavas gelang es, zu einer Art Warlord in der Region aufzusteigen.
In der vom damaligen kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman geleiteten
rechtslastigen Regierungspartei Kroatisch-Demokratische Gemeinschaft (HDZ)
gehörte er dem extremistischen Flügel an. Als Tudjman 1999 starb, die HDZ
die Wahlen 2000 verlor und sich begann, unter Ivo Sanader, dem jetzigen
Premierminister, zu einer konservativen Volkspartei mit europäischer
Perspektive zu wandeln, wurden Glavas und sein Parteiflügel zu einem Klotz
am Bein der neuen HDZ. Schritt für Schritt wurden die Rechtsradikalen aus
der Partei gedrängt. Und die kroatische Justiz begann zu den kroatischen
Verbrechen dieser Zeit zu ermitteln.
2008 wurde Glavas verhaftet und nach einem über einem Jahr dauernden
Prozess wegen des Mordes an zehn serbischen Zivilisten zu zehn Jahren
Gefängnis verurteilt. Glavas hatte jedoch schon in weiser Voraussicht 2008
die Staatsbürgerschaft Bosnien und Herzegowinas angenommen. Da seine Eltern
aus der Herzegowina stammen, wurde sie ihm auch zugesprochen.
Sofort nach dem Urteil in Kroatien setzte er sich nach Bosnien und
Herzegowina ab, wo er verhaftet wurde, doch am letzten Wochenende auf
freien Fuß kam. Das Gericht befolgte mit seiner Entscheidung die Gesetze,
laut derer ein bosnisch-herzegowinischer Staatsbürger nicht an einen
anderen Staat ausgeliefert werden darf. Diese aus der Rechtstradition
Jugoslawiens stammende Bestimmung gilt auch für Kroatien, Serbien und
Montenegro.
Mit diesem Argument seien in Serbien die Forderungen des
UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag unterlaufen worden, und auch
Kroatien habe sich bisher geweigert, den in Bosnien verurteilten ehemaligen
bosnischen Kroatenführer Ante Jelavic an Bosnien auszuliefern, erklärte der
Menschenrechtler Srdjan Dizdarevic. Er fordert die Gesetzgeber aller dieser
Staaten auf, die diesbezüglichen Gesetze zu ändern, um sich nicht von
Kriegsverbrechern instrumentalisieren zu lassen.
17 May 2009
## AUTOREN
Erich Rathfelder
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