| # taz.de -- „Sie finden mich toll und bodenständig“ | |
| > KanuGoldmedaillenkandidat Sebastian Brendel erklärt, weshalb sein Sport | |
| > trotz der vielen deutschen Erfolge nur so wenige Fans hat, was sich | |
| > ändern muss und warum ihm die Wasserqualität in Rio egal ist | |
| Bild: Seit drei Jahren rudert er von Erfolg zu Erfolg: Sebastian Brendel bereit… | |
| Interview Markus Völker | |
| taz: Herr Brendel, ist alles in Ordnung mit der Lagoa dos Freitas? | |
| Sebastian Brendel: Beim Testwettkampf vor einem Jahr war noch nicht alles | |
| okay. Es gab Algen und die Strecke war an einigen Metern nicht tief genug. | |
| Nicht tief genug? | |
| Sie war an manchen Stellen nur einen Meter tief, obwohl es drei Meter tief | |
| hätte sein müssen. Je flacher es ist, desto mehr bremst es. Das Wasser hier | |
| sieht schon manchmal komisch aus, rostbraun und so, aber mal ehrlich: Ich | |
| habe jetzt vier Jahre trainiert, um Olympiasieger zu werden, da ist mir die | |
| Wasserqualität eigentlich egal. Auch die Mücken sind mir wurscht. | |
| Wurden diese Themen in den Medien Ihrer Meinung nach aufgebauscht? | |
| Vor London und Peking gab es auch Probleme, die wurden dann gut gelöst. Ich | |
| will hier nur schnell paddeln. | |
| In den vergangenen drei Jahren sind sie ungeschlagen geblieben. Mit ihrer | |
| Goldmedaille rechnet der Verband fest. | |
| Ja, von 2014 bis jetzt lief es gut für mich. 2013 bei der EM wurde ich nur | |
| Sechster und bei der WM im gleichen Jahr Zweiter. Danach ging der Knoten | |
| auf. | |
| Sie sind am stärksten auf der 1.000-Meter-Strecke und lassen jetzt, im | |
| Gegensatz zu den Spielen in London, die 200 Meter aus. Warum? | |
| Ich komme eigentlich von der 500-Meter-Strecke. Als Junior bin ich die gern | |
| gefahren. Zwischen 200 und 1.000 Metern ist der Spagat natürlich viel | |
| größer. 2012 in London wurden die 500 Meter gestrichen und dafür die 200 | |
| Meter olympisch. Andreas Dittmer (dreimaliger Olympiasieger aus | |
| Brandenburg; d. Red.) konnte noch 500 und 1.000 Meter fahren, das ging | |
| besser, weil sich die Distanzen ähnlicher sind. | |
| Wie sind Sie zum Canadier-Paddeln gekommen? | |
| Ich habe als Kind viele Sportarten ausprobiert. Beim Kanu bin ich dann | |
| hängen geblieben, weil es abwechslungsreich ist und man im Sommer draußen | |
| auf dem Wasser sein kann. Da fällt man auch ab und zu mal rein, das macht | |
| Spaß. Ich habe aber erst mit Kajak angefangen, und aus einer Laune heraus | |
| habe ich mal den Canadier probiert. Ich habe mich ganz gut angestellt, und | |
| in meinem Verein wurde noch ein Linksfahrer gesucht. Es gab einen | |
| Rechtsfahrer, und der konnte immer nur Einer fahren und nicht Zweier. So | |
| wurde ich Canadier-Fahrer. | |
| Wie oft sind Sie am Anfang gekentert? | |
| Das zählt man nicht, sehr oft. Man versucht zuerst, im Boot zu bleiben. | |
| Dann versucht man, geradeaus zu fahren. Und dann, mit den anderen | |
| mitzuhalten. | |
| Wie lange haben Sie gebraucht, um mit dem Boot halbwegs zurechtzukommen? | |
| Einen Monat braucht man schon, um das Boot fahren zu können. Damals war ich | |
| elf. Ich habe das als Herausforderung gesehen. | |
| Wie gut sind Sie abgesichert als Kanute? | |
| Ich bin angestellt bei der Bundespolizei, Polizeiobermeister, Beamter auf | |
| Lebenszeit. Das lässt mich in Ruhe schlafen. Wenn ich verletzt bin oder | |
| etwas anderes ist, dann kommt trotzdem monatlich das Gehalt. So habe ich | |
| nach dem Sport auch eine abgeschlossene Ausbildung. Außerdem gibt auch die | |
| Sporthilfe Deutschland und die Sporthilfe Brandenburg etwas dazu. Ich habe | |
| auch persönliche Sponsoren. Die finden, dass ich ein toller, bodenständiger | |
| Typ bin. | |
| Bedauern Sie es, sich nur in der sportlichen Nische zu bewegen? | |
| Ja, denn die Erfolge sind ja da. Das könnte medial breiter ausgeschlachtet | |
| werden. Aber die Strukturen im nationalen und internationalen Verband sind | |
| nicht so, dass mein Sport populärer und interessanter für die Zuschauer und | |
| die Medien werden könnte. Leider. | |
| Inwiefern? | |
| Wir bräuchten die Saison über mehr Wettkämpfe, die dann auch übertragen | |
| werden. Wir haben zurzeit nur drei Weltcups im Jahr, zudem EM und WM. Das | |
| ist zu wenig. Die Weltcups haben sich komplett im Mai abgespielt, und davon | |
| wurde nur einer übertragen. | |
| Wo lief der denn? | |
| Ich glaube, auf Eurosport oder es gab einen kleinen Beitrag im ZDF oder in | |
| der ARD. Wenn es übertragen wird, wundert man sich doch, dass die | |
| Einschaltquote sehr gering ist. Das Problem ist: Die Leute kennen die | |
| Sportler gar nicht, die da paddeln. Es muss eine persönliche Bindung zum | |
| Sportler hergestellt werden. Wer steht dahinter? Was sind das für Typen? | |
| Das muss erklärt werden. Nur so geht das. | |
| Nach Ihrem Olympiasieg in London haben Sie keinen Schub gespürt? | |
| Ich selbst habe alles gegeben. Ich habe viel probiert und alles | |
| wahrgenommen, was man wahrnehmen konnte. Aber wie gesagt: Es fehlen die | |
| Verbandsstrukturen. Bei den Weltcups fehlt es auch manchmal an | |
| professioneller Kameratechnik, um das medienwirksam zu übertragen. Selbst | |
| die Ruderer haben mehr zu bieten, etwa mit der Rotsee-Regatta. Dabei holen | |
| wir doch in Relation viel mehr Medaillen. Es fehlt so ein bisschen die | |
| Geschichte, die Tradition bei uns. Und das Marketing. Aber wir sind ja | |
| nicht allein: Wann hat man das letzte Mal außerhalb der Olympische Spiele | |
| Judo im Fernsehen gesehen? Ich kann mich nicht erinnern. | |
| Oder eben Kanu. | |
| Der Verband muss sich etwas einfallen lassen im Rennen um Aufmerksamkeit. | |
| Er muss den Medien und den Zuschauern etwas anbieten. | |
| 16 Aug 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Markus Völker | |
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