| # taz.de -- Saxofon oder so schlimm kann das Leid gar nicht sein | |
| > POP Der große R&B-Romantiker Dev Hynes veröffentlicht mit „Cupid Deluxe“ | |
| > ein neues Album | |
| Oh ja, dieser Mann kann leiden. Einsam, niemals geliebt und nicht gut genug | |
| für die neue Liebschaft: Devonté „Dev“ Hynes alias Blood Orange suhlt sich | |
| auf seinem neuen Album „Cupid Deluxe“ knietief im Selbstmitleid. Er sehnt | |
| sich, windet sich, zweifelt, steht sich selbst im Weg. | |
| Musikalisch klingt das allerdings gar nicht so bitter, wie man von den | |
| Texten her schließen könnte. Im Gegenteil: Dev Hynes bringt den R’n’B der | |
| Neunziger zurück, und zwar auf eine ganz charmante, süßliche Art. | |
| Dev Hynes ist ein Meister der Verwandlung. Zuerst tauchte er 2004 als | |
| Mitglied des Post-Punk-Trios Test Icicles auf. Etwas später machte er als | |
| Lightspeed Champion barocken Indiefolk und begann schließlich Popstars zu | |
| produzieren: Elektro für die Chemical Brothers, HipHop für Theophilus | |
| London, R’n’B für Solange Knowles, die Schwester von Beyoncé. | |
| Er selbst ist seit 2011 als Blood Orange unterwegs. Mit seinem Debütalbum | |
| „Coastal Grooves“ bewegte er sich schon in Richtung R’n’B, Soulfunk und | |
| New-Wave-Pop. Mit „Cupid Deluxe“ geht er diesen Schritt nun konsequent | |
| weiter. Gitarren mit Wah-Wah-Effekten, funkige Bässe und schmachtende | |
| Saxofon-Soli. Dazu wird mit viel Gefühl gehaucht und gesungen, bevorzugt im | |
| Falsett und im Duett, zum Beispiel mit Caroline Polachek von Chairlift. | |
| Mit ihr zusammen eröffnet Hynes das Album. „Chamakay“ heißt das Stück, a… | |
| dem sich Polachek in fragiler Höhenlage und Hynes mit warmen Tenor | |
| anschmachten, um schließlich im weinerlichen Duett „I’ll never leave you / | |
| If you’re thinking that it’s all the same“ zu singen. Das klingt so sehr | |
| nach Schlafzimmer, dass man die beiden förmlich im Bett sieht, wie sie sich | |
| zwischen seidenen Laken räkeln. Hätte Hynes hier ein „Sexual Healing“ | |
| eingebaut, es würde perfekt zur Softerotik passen, der das Saxofon am Ende | |
| die Krone aufsetzt. Und so geht es weiter: Große Emotionen, kitschig ja, | |
| aber nie klebrig, verpackt mal in lässigem Funk, bei dem man die | |
| Prince-Anleihen kaum überhören kann („You’re not good enough“), mal in | |
| Disco-Beats mit Bläsersatz. Der Sinnlichkeit, die auf dem Album oft auf die | |
| Spitze getrieben wird, setzt Hynes in einigen Stücken harte Sounds | |
| entgegen: Oldschoolige Rap-Parts. In „High Street“ überlässt er Skepta das | |
| Mikro und steuert nur die Beats bei. Mit seinen Dubstep-Anleihen ist es das | |
| einzige Stück, dass aus der R’n’B-Anmutung rausfällt. | |
| Old School HipHop, R’n’B, soulige Frauenstimmen – all das klingt so sehr | |
| nach New York City, man könnte glatt vergessen, dass Dev Hynes eigentlich | |
| Brite ist. Geschuldet ist das zum einen Hynes’ Produzententätigkeit. Sie | |
| hat für „Cupid Deluxe“ eine große Rolle gespielt. Zumindest gibt es einige | |
| Stücke, die sehr nach Solange Knowles Single „Losing you“ klingen, einem | |
| der besten Popsongs des Jahres 2012, der auch aus Hynes’ Feder stammt. | |
| Zum anderen lebt Hynes seit sechs Jahren in New York. Ein bisschen | |
| Downtown-Atmosphäre hat er sogar auf sein Album geschmuggelt: | |
| Fieldrecordings mit Gesprächen von der Straße, solche und andere | |
| Soundschnipsel verbinden die Tracks und führen heraus aus dem Schlafzimmer, | |
| in dem die meisten Stücke textlich spielen. | |
| Am Ende wächst der stets mit sich und der großen Liebe Hadernde dann doch | |
| noch über sich hinaus: „Come into my bedroom“ raunt er da mit fester | |
| Stimme. So schlimm kann sein Leid also gar nicht sein. Schon gar nicht, | |
| wenn Dev Hynes solche Musik machen kann. | |
| ANNE FROMM | |
| ■ Blood Orange: Cupid Deluxe (Domino/Goodtogo) | |
| 3 Dec 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| ANNE FROMM | |
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