| # taz.de -- Rundgang im Hamburger Park: Der Präsentierteller der Stadt | |
| > Planten un Blomen ist der seltene Fall eines Parks, der keine Erholung | |
| > verspricht. Immer und überall lugt hier die Großstadt hinein. | |
| Bild: Anderswo mag es um das Gefühl von landschaftlicher Weite gehen. In Plant… | |
| Planten un Blomen ist gnadenlos. Es ließe sich sogar mit guten Gründen | |
| fragen, ob Planten un Blomen überhaupt ein Park ist - oder nicht eher eine | |
| überdimensionierte Verkehrsinsel. Denn selbst dann noch, wenn du nicht | |
| gerade unter einer der drei Straßenbrücken stehst, die den Park | |
| durchschneiden, selbst dann noch, wenn du dich in den letzten grünen Winkel | |
| verziehst: Hupende, bremsende, beschleunigende Autos und Busse hörst du | |
| immer. Und längst nicht nur die. | |
| Immerhin grenzt der Park an das Heiligengeistfeld. Von dort dröhnt, gefühlt | |
| das ganze Jahr, der Trubel des Dom herüber, angeblich Norddeutschlands | |
| größtes Volksfest; dazu Schlachtengesänge oder auch mal Konzerte aus dem | |
| Millerntorstadion und gern schon morgens die Pauken und Trompeten des | |
| probenden Theaterzelts "Fliegende Bauten". Von all den Schlager-Moves, | |
| Rewe-Familie- und sonstigen Fan-Festen einmal ganz zu schweigen. | |
| Dieser Park träumt nicht | |
| Wenns nur der Lärm wäre. Der Mensch hat aber auch Augen. Andere Hamburger | |
| Grünanlagen wie der Jenisch- oder der Stadtpark träumen mit gewundenen | |
| Flussläufen, Wäldern und Wiesen von der Naturlandschaft. Planten un Blomen | |
| aber träumt gar nicht. Jede Grünfläche prallt an eine Mauer, jeder Blick | |
| knallt dort an einer Fassade. | |
| Am deutlichsten wird das im hübsch angelegten japanischen Garten, der | |
| allerdings ein zentrales Moment japanischer Gartenarchitektur völlig auf | |
| den Kopf stellt, das der "geborgten Landschaft": In Japan werden | |
| Landschaftsgärten mit Vorliebe so angelegt, dass noch ein ferner Berg, ein | |
| Hügel oder auch nur Wäldchen hineinlugt, um ein Gefühl von landschaftlicher | |
| Weite zu vermitteln. Nicht so in Planten un Blomen: Dort ragt von der einen | |
| Seite drohend das Scheibenhochhaus des Radisson-Hotels herein. Von der | |
| anderen Seite erschlägt dich der Fernsehturm. | |
| Planten un Blomen ist gnadenlos. Gnadenlos ehrlich. Klar, es gibt ein paar | |
| Pflanzen und Blumen, in die Rabatten wird tüchtig Geld gebuttert. So viel, | |
| dass zu jeder Zeit im Park irgendwas blüht. Vor allem aber gibt es im Park: | |
| die Stadt. In lauen Sommernächten lauscht man hier nicht dem Gesang der | |
| Grillen, sondern einem Wasserkonzert; in Winternächten kann man nicht den | |
| Schnee aus einem schwarzen Himmel rieseln sehen, sondern Paare, die sich zu | |
| Hits der letzten 50 Jahre über die flutbeleuchtete Eisbahn schieben. | |
| Das ist allerdings nichts, worüber Klage zu führen angebracht wäre. Es ist | |
| der Clou dieses Parks: Er verspricht keine Erholung von der Stadt, sondern | |
| ermöglicht einen guten, vielleicht sogar den besten Ausblick auf sie. Hier | |
| zeigen sich ein paar ihrer gelungensten Gebäude, vor allem aber: ihre | |
| Menschen mit ihrem rastlosen Arbeiten, ihrem unermüdlichen Schaffen und | |
| ihre pausenlosen Vergnügungen. | |
| Dazu passt, dass Planten un Blomen wie kein zweiter ein Park für alle ist. | |
| Im Sommer hockt im nördlichen, zum Dammtor und Stephansplatz gelegenen | |
| Teil, dem ehemaligen Botanischen Garten, gern die Anzugträgerwelt der | |
| Innenstadt auf den Bänken, in den Händen Smoothie und BlackBerry. Gegenüber | |
| des von Fritz Schumacher gebauten Hamburgmuseums, einen Steinwurf von der | |
| Reeperbahn entfernt, streckt sich der Penner mit der Bierdose aus. | |
| Pirouetten dreht das Leben | |
| Neben der Eis- und Rollschuhbahn residiert ein auf Hochtouren laufender | |
| Altentreff. Die Spielplätze entlarven mit ihrem Kinder-Kuddelmuddel noch | |
| jedes Wimmelbuch von Ali Mitgutsch als halbherzige Fiktion. Ja, ein Park | |
| für alle - einschließlich derer, die aus der Gesellschaft ausgeschlossen | |
| sind. Nach Westen grenzt Planten un Blomen an das Untersuchungsgefängnis | |
| Glacischaussee. Stacheldraht, Wachtürme, Kameras. Und Häftlinge hinter den | |
| Gittern, die ins Grüne schauen oder den gelegentlich dort auflaufenden | |
| Angehörigen und Freunden kaum verständliche Botschaften zurufen. | |
| Man kanns auch so sagen: Planten un Blomen ist mehr als ein Park. Planten | |
| un Blomen ist der Präsentierteller der Stadt, auf dem das pralle Leben | |
| seine Pirouetten dreht. | |
| 4 Jan 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Maximilian Probst | |
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