| # taz.de -- Rondo der Kataströphchen | |
| > Die Kanadierin Patricia Rozema verfilmt Jane Austens „Mansfield Park“ | |
| > über die Schärfe der Vorlage hinweg. Aus seelischen Erdbeben wird eine | |
| > Choreografie der Putzigkeiten | |
| Sie ist von Anfang an eine komplette Heldin und muss es nicht erst werden. | |
| Charakterfest und mit einer stabilen Ethik unterfüttert, verkörpert sie ein | |
| intellektuelles Aschenputtel, das sich so schnell nicht in eine höhere | |
| Klasse küssen lässt. Von wohlhabenden Verwandten nach „Mansfield Park“ | |
| geschickt, um zu überleben und zu heiraten, hat Fanny Price nicht nur | |
| „wissende dunkle Augen“, sie ist auch furchtbar klug. Ihre Pointen sind | |
| scharfsinnig, ihre Beobachtungen bestechend und ihre Moral tadellos. | |
| An dieser Ehrbarkeit müssen sich die anderen erst einmal abarbeiten. Die | |
| abgetakelten Cousinen, die die Adoptierte spüren lassen, dass ihr nur durch | |
| die Zuwendung ihrer Familien Erziehung, Anstand und andere zivilisatorische | |
| Angebote zuteil wurden. Und all die heiratsbereiten Söhne, die glauben, mit | |
| ein bisschen Charme und Hartnäckigkeit ließe sich jede junge Frau wie ein | |
| Tischfeuerzeug mit nach Hause nehmen. Allen voran Schürzenjäger Henry | |
| Crawford, mit einem Talent „fürs Geliebtwerden, aber nicht fürs Lieben“, | |
| wie Fanny rasch bemerkt. | |
| Lange lässt sich die Skeptische, die längst in Cousin Edmund ihr Pendant | |
| weiß, umwerben, bis ihr Henrys Affären mit dem Rest der heiratswilligen | |
| Familie endlich Recht geben. | |
| Am Ende kriegen sie sich alle. Die, die sich lieben, und auch die sich | |
| nicht lieben, aber gegenseitig verdienen. Ein Finale, so unaufgeregt wie | |
| das Lösen einer Matheaufgabe. Niemand fällt vor lauter Euphorie in | |
| Ohnmacht, keine Romantik plustert sich hier hinter der Häkelspitze eines | |
| Gefühls auf. Die Kolonialherren und der Adel bleiben blasiert, die sozialen | |
| Regungen einem gesellschaftlichen Schnittmuster verhaftet. | |
| Jane Austen entschied sich in ihrem Roman „Mansfield Park“ (1814) von | |
| Anfang an gegen einen Entwicklungsroman und für eine unbestechliche | |
| Idealfigur. Wie ihre Erfinderin wird Fanny Price unter der Regie der | |
| Kanadierin Patricia Rozema („Gesang der Meerjungfrauen“) zu einer | |
| bestechenden Beobachterin und glänzenden Dekonstrukteurin konventioneller | |
| Rituale. | |
| Die übrigen Figuren tragen ihre moralischen Defekte und menschlichen | |
| Rückschläge mit freundlichem Fatalismus. Sie haben gelernt, Haltung zu | |
| bewahren. Auf jede Misere folgt schließlich ein Fest. Von der Hemdspitze | |
| bis zum Häubchen der laudanumberauschten Tante malt Patricia Rozema die | |
| Regency-Ära der Austen aus. Viel Eigensinniges steuert sie jedoch außer der | |
| Alter-Ego-Konstruktion nicht bei. So legt Rozemas Inszenierung vor allem | |
| einen Rekonstruktionswillen an den Tag, der die Brisanz der Vorlage fast | |
| übergeht. | |
| Nur einmal schwingt sich Fanny kühn als humanistische Vorreiterin aufs | |
| Pferd und galoppiert mit spitzer Zunge gegen den Sklavenhandel, der das | |
| Anwesen „Mansfield Park“ und den Lebenswandel seiner Bewohner erst | |
| ermöglicht. Und während sein Besitzer, Sir Thomas Bertram, in Westindien | |
| auf dem Rücken seiner Leibeigenen ein Vermögen scheffelt, zeichnet sein | |
| versoffener Sohn Tom daheim wüste Skizzen, in denen zivilisatorisches | |
| Sendungsbewusstsein in obszöner Barbarei aufgeht. Der Rest des Geschehens | |
| bleibt dem „schnellen Wechsel eines geschäftigen Nichts“ unterworfen, wie | |
| Fanny fleißig notiert. | |
| Rozema bleibt mit ihrer hübschen Bebilderung weit hinter der Subtilität und | |
| versteckten Dramatik der Vorlage zurück. Das Spiel aus gesenkten Blicken | |
| und zu Boden segelnden Taschentüchern, aus künstlichen Verzögerungen und | |
| schamdampfenden Annäherungen bleibt hier eine Choreografie der | |
| Putzigkeiten. | |
| Dabei nehmen Austens emotionale Großbrände oder seelische Erdbeben ihren | |
| unheilvollen Verlauf in Gesprächen, die sie wie eine Katastrophenzeichnerin | |
| sorgfältig skizzierte. Bei Rozema taugen sie nur zu Kataströphchen in einem | |
| abgeklärten Rondo aus Kalkül und Erwartungen. BIRGIT GLOMBITZA | |
| „Mansfield Park“. Regie: PatriciaRozema. Mit Frances O’Connor,Embeth | |
| Davidtz, Alessandro Nivolau. a. Großbritannien 1999, 112 Min. | |
| 20 Jul 2000 | |
| ## AUTOREN | |
| BIRGIT GLOMBITZA | |
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