# taz.de -- Rommel-Verehrung in Ägypten: Die Mumie von Marsa Matruh | |
> Weil es in der ägyptischen Provinz keine Pyramiden, Pharaonengräber oder | |
> sonstige touristische Attraktionen gibt, wird eben verehrt, wer mal da | |
> war: Hitlers Generalfeldmarschall Rommel. | |
Bild: Nazi-Sperrmüll im Rommel-Museum. | |
Zwei Männer in Uniform sitzen in einem Holzverschlag vor einem großen | |
Brocken Stein. Sie trinken Schwarztee und sagen, dass das, was es hier zu | |
sehen gebe, weltweit einzigartig sei. Zwanzig ägyptische Pfund, etwas mehr | |
als zwei Euro, koste der Eintritt, und ja, es würde sich lohnen. Über dem | |
Eingang, der in diesen Brocken Stein führt, ist der Schriftzug "Rommel | |
Museum" gemeißelt, in lateinischer und arabischer Schrift. | |
Die Besucher müssen durch einen Metalldetektor gehen, der nicht | |
funktioniert, und folgen dann einem Gang, der zwanzig Meter tief in eine | |
Höhle führt. An den Wänden hängen Fotos von Erwin Rommel, Bilder in | |
Schwarz-Weiß, die Hitlers Generalfeldmarschall in Uniform zeigen, dreizehn | |
Stück, die Bilder sind beleuchtet. Am Ende des Ganges gibt es einen Raum, | |
nicht viel größer als ein Wohnzimmer, in dem Rommels Mantel ausgestellt | |
ist, eine Hakenkreuzflagge, Karten, eine verstaubte Kiste und eine Büste. | |
Das ist so ziemlich alles, was es hier zu sehen gibt, im Rommel-Museum in | |
Marsa Matruh in Ägypten. Doch für die Bewohner ist dieser Ort mehr als eine | |
Höhle, in der ein kleiner Haufen Nazi-Sperrmüll liegt. Erwin Rommel ist | |
hier dermaßen beliebt, dass sie eine Insel nach ihm benannt haben, einen | |
Strand und eine neu gebaute Brücke. Es gibt ein Rommel-Café und ein | |
Rommel-Hotel, hier, in Marsa Matruh, einer Stadt am Mittelmeer, die | |
ziemlich genau zwischen Alexandria und der libyschen Grenze liegt und in | |
der ziemlich genau einhunderttausend Menschen leben, die an Allah glauben. | |
Die Frauen sind verschleiert, oft dermaßen lang und dick, dass nur die | |
Augen frei bleiben. Früher hatten die Menschen hier Angst vor Schakalen, | |
die in der Wüste lebten, und wenn sie selber in die Wüste gingen, | |
fürchteten sie sich vor den sieben Millionen Landminen, die im Zweiten | |
Weltkrieg vergraben wurden. Sie handelten mit Pfefferminze und Feigen und | |
pflanzten Rizinus an, den sie zu Öl pressten. In Marsa Matruh gibt kein | |
Bier zu kaufen. In Marsa Matruh beginnt die Wüste. Doch dann, Ende der | |
Siebzigerjahre, erinnerten sich plötzlich einige Bewohner, dass Erwin | |
Rommel hier lebte. | |
Rommel war Hitlers General, und mit Hitler können die meisten Ägypter etwas | |
anfangen, weil er die Juden hasste. Viele Ägypter hassen die Juden auch, | |
weil sie die Palästinenser vertrieben hätten, ihre muslimischen Brüder. In | |
Ägypten ist die arabische Ausgabe von "Mein Kampf" eines der populärsten | |
Bücher, das zwar kaum jemand versteht, aber in jedem Zeitungsladen zu | |
kaufen ist. Zeitungen, die über Israel und Palästina schreiben, drucken | |
Hakenkreuze, um das Geschriebene zu bebildern. | |
Es gibt Menschen in Marsa Matruh, die deutsche Touristen fragen, ob sie | |
stolz auf Hitler seien. Und es gibt Menschen wie Mohammed Hamsa Abdallah, | |
der auch nicht viel über Hitler und Rommel weiß, aber daraus Geld machen | |
möchte. | |
Mohammed Hamsa Abdallah ist 40 Jahre alt und hat Betriebswirtschaftslehre | |
studiert. Er ist der Direktor des "Rommel-House"-Hotels in Marsa Matruh. | |
Abdallah trägt eine Brille und blaues Hemd zu blauer Jeans. Er hat etwas | |
Hornhaut auf der Stirn, die vom vielen Beten kommt, weil die Stirn den | |
Teppich häufig und kräftig berührt. Abdallah ließ vor achtundzwanzig Jahren | |
ein Drei-Sterne-Hotel in den Wüstensand bauen, genau dort, wo früher eine | |
Hütte stand, in der sich Rommel versteckt haben soll. Ein massiver Klotz | |
mit elektrischem Aufzug, vier Stockwerke hoch, mit Betten für 112 Gäste und | |
nicht zu nah an der Corniche, der Küstenstraße. | |
Das Rommel-House war ausgebucht, die Araber aus den reichen Ölstaaten | |
entdeckten damals das Reisen und flohen im Sommer an das kühlere | |
Mittelmeer, und schon bald wurden mehr und mehr Häuser und Hotels gebaut, | |
so nah, dass sich die Gäste nun von Balkon zu Balkon die Hand reichen | |
können. Das ärgert Abdallah, denn er hat sein bestes Zimmer dadurch | |
verloren, Nummer zwölf, vierter Stock. Jenes mit dem Doppelbett für zehn | |
Euro die Nacht, mit Kühlschrank und Fernsehgerät und den gelb-braunen | |
Vorhängen. Das Besondere an diesem Zimmer war der Ausblick. Die Gäste | |
konnten das türkisfarbene Meer sehen und sie sahen die Rommel-Insel, auf | |
der das Rommel-Museum steht. | |
Auf der Insel gibt es auch den Rommel-Strand, an dem sich der General | |
erholt haben soll, so erzählt man es in der Stadt. Der Strand ist sauber, | |
im Sand stecken weiße Plastikstühle und blau-rot gestreifte Sonnenschirme | |
und Autos stehen da, denn die Ägypter laufen nicht zum Strand, sie fahren. | |
Es gibt in Marsa Matruh mittlerweile fünfundsiebzig Hotels, fünf Kinos und | |
McDonalds und Burger King, die ausschließlich von Juni bis Oktober geöffnet | |
haben. Im Winter kommt niemand nach Marsa Matruh. Es ist zu kalt. | |
Hitler kommandierte Rommel im Winter 1941 nach Nordafrika, um den | |
Italienern zu helfen. Er sollte gegen den britischen General Montgomery in | |
den Krieg ziehen. Rommel kämpfte in der Wüste Libyens und Ägyptens. Das war | |
die "Operation Sonnenblume". "Ägypter und Deutsche haben sich im Krieg gut | |
verstanden", sagt Abdallah. Das war deshalb so, sagt er, weil Rommel nicht | |
als Besatzer gekommen sei, die Briten aber schon. Was Hitler über Afrikaner | |
dachte, über Menschen mit dunkler Hautfarbe, Menschen wie ihn, das wisse er | |
nicht. Im Herbst 1942 wurde Rommel in El Alamein, 184 Kilometer östlich von | |
Marsa Matruh, vernichtend geschlagen. In seinen letzten Tagen in Marsa | |
Matruh soll er in einer Höhle, die nun das Museum ist, geheime Kriegspläne | |
entworfen haben. "Deutschland ist ein reiches Land. Wir Ägypter sind arm. | |
Sie müssen stolz sein auf Leute wie Rommel, die Deutschland so weit nach | |
vorne gebracht haben", sagt Abdallah. So wie der Hoteldirektor denken viele | |
Menschen in Ägypten, die nicht wissen oder nicht wissen wollen, was in der | |
Nazi-Zeit passierte. Der ehemalige Gouverneur von Kairo, General Saad | |
Mamun, ließ deshalb vor dreißig Jahren das Rommel-Museum eröffnen, "aus | |
Verehrung für den Kommandanten und aus Bewunderung für die Disziplin der | |
deutschen Soldaten im Afrika-Korps". Die Ausstellungsstücke in der Höhle | |
seien Geschenke von Rommels Sohn, sagt Abdallah. Viel gibt es jedenfalls | |
nicht zu sehen, und manches versteht man auch nicht, wie die zwei Zitate, | |
die in Bilder gerahmt sind, mit Worten auf Arabisch und Englisch, die | |
schlampig übersetzt wurden. Sie sollen das Wirken Rommels beschreiben. | |
Eines geht so: "Rommel sagte: Moderne Kriegsführung braucht persönliche | |
Führung durch Funk, nicht durch Konferenzen oder aus Büros." Die Region | |
brauche solche Attraktionen wie das Museum, sagt Abdallah, denn das | |
Tourismusgeschäft sei kein leichtes mehr… Die terroristischen Anschläge | |
geschahen in Luxor und am Roten Meer, weit weg von Marsa Matruh, doch die | |
Gäste kamen trotzdem nicht mehr. Und wenn sie ans Mittelmeer fahren, an die | |
muslimische Mittelmeerküste Ägyptens, übernachten sie in den abgesperrten | |
Urlaubsresorts, die in den vergangenen Jahren in den Sand betoniert wurden. | |
"Wir haben keine Pyramiden und keine Pharaonengräber, wir haben nur eine | |
wunderbare Landschaft, die uns Gott gegeben hat", sagt Abdallah. "Und wir | |
haben Rommel, den die ganze Welt kennt." | |
Das staatliche Tourismusbüro lässt Prospekte in fünf Sprachen drucken. In | |
der deutschen Ausgabe steht geschrieben, dass "sich die Stadt durch die das | |
ganze Jahr hindurch aufgehende Sonne auszeichnet" und dass "auf dem Sand | |
des Gouvernorats Matruh die heftigste Schlacht des Weltkrieges stattfand". | |
Und weil der Übersetzer des Prospekts das ß durch ein b ersetzte, liest man | |
auch, dass "Alexander der Grobe" in Marsa Matruh übernachtete, als er auf | |
dem Weg zur Oase Siwa war. Das Rommel-Museum wird im Kapitel "Die | |
wichtigsten touristischen und archäologischen Plätze" vorgestellt. Viele | |
seiner arabischen Gäste im Hotel hätten eine gute Meinung von Rommel, und | |
denjenigen, die nichts mit Rommel anfangen können, sagt Abdallah das, was | |
er über ihn weiß: dass der Mann Deutscher war und Hitlers bester General. | |
Ausländische Gäste, und damit meint Abdallah die Gäste aus Europa, kommen | |
nur wenige nach Marsa Matruh, weil kaum jemand die Stadt kennt. Er hofft, | |
dass sich das bald ändern wird, denn die Europäer könnten die Region | |
internationaler machen und damit reicher, denn die Europäer haben mehr Geld | |
als seine Stammgäste aus Ägypten und den arabischen Staaten. Im vergangenen | |
Sommer zählte er dreißig Urlauber aus Europa, viele davon waren Deutsche, | |
sagt er. Die Deutschen würden hier übernachten, weil ihnen der Name Rommel | |
vertraut sei. Manche kommen auch, weil sie an Geschichte interessiert sind. | |
Das hätten ihm die Gäste so erzählt. | |
Vor zehn Jahren reiste eine Gruppe deutscher Männer in den muslimischen | |
Badeort. Sie kamen mit Übersetzern und erzählten, dass sie Journalisten | |
seien und eine Dokumentation über Rommel drehen wollten. Sie seien sehr | |
nett gewesen, sagt Abdallah. Sie haben ihm ein Foto von Erwin Rommel in | |
Schwarz-Weiß geschenkt, das nun in seinem Büro hängt. Mehr haben die Leute | |
nicht gesagt. "Solche Leute", sagt Abdallah, "kommen ab und zu in mein | |
Hotel." Rommel sei eben ein bekannter Mann gewesen. Ob manche dieser Gäste | |
Nazis sind, weiß der Hoteldirektor nicht. Abdallah sagt, er wisse nicht, | |
"was ein Nazi ist". | |
19 Dec 2008 | |
## AUTOREN | |
Gerald Drissner | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |