# taz.de -- Rockband Faith no More in Berlin: Drucklos in Apricot | |
> Die Finanzkrise soll die Reunion der Rockband Faith No More möglich | |
> gemacht haben. Sänger Mike Patton war beim Konzert in Berlin aber immer | |
> noch eine Wucht - mit Krückstock. | |
Bild: Er samtete, fiepste, kreischte, keckerte, rülpste und röhrte: Mike Patt… | |
Es hätte auch richtig arg in die Hose gehen können. Faith No More haben | |
sich wiedervereinigt, raunt es seit Monaten aufgeregt durchs Internet, für | |
eine Sommertournee über die Festivals Europas. Und das elf Jahre nach dem | |
Auseinanderfallen dieser in Sachen Hardrock-Funk-Hiphop-Fusion für | |
mindestens eine Gymnasiastengeneration so wegweisenden Band. Elf Jahre, in | |
denen vor allem Sänger Mike Patton wiederholt betonte, mit diesem Teil | |
seiner Vergangenheit nie wieder etwas zu tun haben zu wollen. Aber dann hat | |
ihm, so raunte es ebenfalls, die Finanzkrise einen Strich durch die | |
Emanzipation vom Crossoverfrontmann zum Vokalartisten gemacht. Zumindest | |
hat er sich schließlich zu dieser Geldsammel-Reunion bewegen lassen. | |
Befürchtet hatte man eine lasche Greatest-Hits-Posse von einer | |
Endvierziger-Combo rund um einen äußerst halbherzig motivierten Sänger, der | |
fortgesetzt die mindere Qualität des alten Materials im Vergleich zur Kunst | |
seines FNM-Nachlebens (Fantomas, Tomahawk etc.) betont. So kam es nicht | |
ganz. In der Berliner Wuhlheide traten Faith No More am Dienstag vor roten | |
Opernvorhängen auf, in käsig-pastellfarbenen Anzügen, und begaben sich mit | |
der 1979er Schnulze "Reunited" von Peaches & Herb auf große Historienfahrt. | |
Vom ersten (1985) bis zum letzten Album (1997) wurde das gesamte Oeuvre | |
durchkreuzt. Keiner der Knaller, zu denen man Anfang der Neunziger erste | |
Pogo- ("The Real Thing", "Epic", "Midlife Crisis") und Romantikerfahrungen | |
("Easy") gesammelt hatte, wurde ausgelassen. | |
Der Bandsound emulierte exakt die Platteneinspielungen von damals. Die 80 | |
Prozent Männer im Publikum emulierten mit Pantera- und Biohazard-Shirts | |
exakt ihr damaliges Ich. Nur eines war neu: Man merkte, dass diese Musik, | |
diese drucklosen Nummern, die auf den ewiggleichen scheußlichen | |
Synthieflächen und Slapbass-Langweiligkeiten aufruhen, nicht mehr kickass | |
sind - es, oh Gott, womöglich nie waren. | |
Aber - und es ist ein großes Aber: Mike Patton, der ist immer noch und | |
immer wieder eine Wucht. Wie er in seinem apricotfarbenen Komplet mit | |
seinem zauberischen Gehstock auf die Bühne humpelte und eine ganze Weile | |
ein Hüftleiden vorschützte, bis es dann doch mit ihm durchging, er sich auf | |
die Knie warf, den Kopf gegen die Basstrommel knallte, besessen im Kreis | |
walzte, die Hände flattern ließ und sich in den | |
Hardcore-Shouter-Ausfallschritt dehnte, das war groß. Und wie engagiert | |
(bis auf die Zugaben, wo die Lust deutlich nachließ) er sein Stimmwunder | |
vorführte. Er samtete und fiepste, er kreischte, keckerte, rülpste und | |
röhrte, er schmonzettete, verführte und spuckte die Zeilen wie | |
infernalischen Auswurf ins Rund. Bei all dem wirkte er tatsächlich ehrlich | |
befeuert, auch der Schweiß schien echt. Feinfühlig gab er den | |
Albumversionen auch immer nur so viel Surplus zu, dass nichts durch zu viel | |
Verzerrung der Lächerlichkeit preisgegeben und weder Werk noch | |
Publikumserwartung verraten wurde. | |
Zwar ließ er die Zuhörer einmal Schweine nachmachen, aber auch das wirkte | |
eher wie die weltmännische Freudenäußerung eines begnadeten Impresarios. | |
Vielleicht hat der Kontrast zur Abgehangenheit des Bandsounds die | |
Pattonsche Performance noch angestachelt. Wahrscheinlicher aber ist, dass | |
Patton einfach verdammt gut, Faith No More mittlerweile aber völlig | |
überflüssig sind. | |
KIRSTEN RIESSELMANN | |
18 Jun 2009 | |
## AUTOREN | |
Kirsten Riesselmann | |
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