# taz.de -- Risiken im Journalismus: Im Kriegsgebiet | |
> Kriegsreporter nehmen Risiken auf sich, die keiner tragen kann. Aber ohne | |
> eigenen Augenschein sind wir den Lügen der Krieger ausgeliefert. | |
Bild: Am 22. Februar wurde der französische Kriegsfotograf Remi Ochlik, hier z… | |
Der Beruf des Reporters gehört zu den gefährlichsten der Welt. Die laufende | |
Zählung getöteter Journalisten auf der Welt durch die Organisation Reporter | |
ohne Grenzen liegt für das Jahr 2014 bisher bei 54; Syrien liegt mit 11 | |
getöteten Journalisten an der Spitze. Unterschiedlichen Auflistungen | |
zufolge sind in Syrien seit Beginn des Bürgerkrieges zwischen 110 und 153 | |
lokale und ausländische Journalisten ums Leben gekommen. | |
## Verantwortung für die Berichterstattung | |
Für eine Zeitung wie die taz, bei der die Vor-Ort-Berichterstattung aus | |
aller Welt einen besonderen Stellenwert einnimmt, stellt das eine besondere | |
Grundsatzfrage dar. Ist es verantwortbar, Mitarbeiter in Gebiete oder | |
Umstände zu entsenden, in denen ihnen Lebensgefahr droht? Wenn man keine | |
eigenen Mitarbeiter losschickt: Wie verhält man sich gegenüber | |
freischaffenden Journalisten, die sich auf eigene Verantwortung ins | |
Kriegsgebiet begeben haben? | |
Ist es verantwortbar, Beiträge zu veröffentlichen, deren Zustandekommen mit | |
hohen Risiken verbunden sind, welche man als Zeitungsverlag aber nicht | |
übernimmt? Aber ist es nicht noch schlimmer für den Reporter, unter Verweis | |
auf dieses Dilemma seine Arbeit abzulehnen, nachdem er schon die Kosten | |
dafür trägt? | |
## Wer einen Auftrag erteilt, trägt das Risiko | |
Es gibt auf diese Fragen nicht die eine, allgemeingültige Antwort. | |
Grundsätzlich gilt die Regel: Wer einen Auftrag erteilt, übernimmt das | |
Risiko. Eine Zeitung, die jemanden in den Krieg schickt, muss die damit | |
einhergehenden Risiken abdecken können – aber auch die größten | |
Medienkonzerne der Welt können nicht alles selbst schultern bis hin zu | |
Verhandlungen und Lösegeldzahlungen in Millionenhöhe im Falle einer | |
Geiselnahme. Ein Journalist, der ohne Auftrag in den Krieg zieht, weiß, | |
dass er keinen Anspruch darauf geltend machen kann, im Notfall | |
herausgehauen zu werden – aber im Notfall wird natürlich jeder, der mit | |
diesem Journalisten zu tun hatte, das Mögliche tun. | |
## Ausnahmen bestätigen die Regel | |
Die taz hat entschieden, Angebote freier Reporter aus Syrien grundsätzlich | |
abzulehnen, weil sie keinen Anreiz für Journalisten bieten will, sich in | |
Lebensgefahr zu begeben, und auch, weil Fakten in vielen Fällen nicht | |
nachprüfbar sind. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel, wie die | |
beeindruckende Reportage aus Aleppo zeigt, die vor einer Woche in der | |
taz.am wochenende stand. Und während bei einer Entsendung von | |
taz-Mitarbeitern in ein Kriegsgebiet Risiken und Gefahren vorab sorgfältig | |
abgewogen werden können, entstehen gefährliche Situationen oft in anderen, | |
banalen Zusammenhängen: an Straßensperren, die man jeden Tag problemlos | |
passiert und wo dann plötzlich doch jemand das Feuer eröffnet; oder in | |
außer Kontrolle geratenden Straßenprotesten. | |
## Gefahren kennen und ihnen begegnen | |
Es gibt natürlich Möglichkeiten, Risiken zu minimieren. Reporter sollten | |
sich in den Gebieten und mit den Menschen auskennen, über die sie berichten | |
wollen; sie sollten gute lokale Kontakte haben, die ihnen im Notfall zur | |
Seite stehen; sie sollten kein leichtsinniges Heldentum an den Tag legen, | |
sich nicht mit einer Seite gemein machen, ihren Status immer offenlegen und | |
sich absichern, auch wenn das auf Kosten des Nervenkitzels geht. | |
Redaktionen sollten ebenfalls Orts- und Themenkenntnis haben, die | |
Arbeitsweise und wichtigsten Kontakte des Reporters selbst kennen, über | |
seine Arbeit, Bewegungen und Pläne auf dem Laufenden sein um im Krisenfall | |
sofort an der richtigen Stelle Alarm schlagen zu können. | |
Wenn all dies gewährleistet ist, kann am Ende auch eine erstklassige | |
Kriegsberichterstattung herauskommen. Denn eines geht nicht: Sich aus | |
Vorsicht vom Anspruch verabschieden, durch eigenen Augenschein die | |
Verhältnisse zu verstehen. Wenn Journalisten in Kriegsgebieten heute | |
gefährdeter sind als früher, dann genau deswegen: weil journalistisches | |
Handwerk unbequeme Wahrheiten an den Tag fördert und die Handwerker zum | |
Schweigen gebracht werden sollen. Umso wichtiger, die Gefahren dieser | |
Arbeit zu kennen und ihnen zu begegnen. | |
Dominic Johnson leitet das Auslandsressort der taz | |
27 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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