# taz.de -- „Reflektionen über Sprache“ | |
> SOIREE Heiner Boehncke stellt die Schriftsteller des französichen | |
> „Oulipo“ vor – mit Schreibwerkstatt | |
taz: Herr Boehncke, Journalisten schreiben unter Druck. Nun sagen Sie, | |
darin läge ein ästhetischer Gewinn? | |
Heiner Boehncke: Beim Kommentar, z.B., unterliegen Journalisten einer | |
bestimmten Form, die sehr mit Zwang verbunden ist. Das kann helfen, | |
ästhetische Fähigkeiten zu mobilisieren. Manchmal gelingt es, manchmal ist | |
es schrecklich. Die französische Schreibbewegung „Oulipo“ (von „ouvroir … | |
littèrature potentielle“), die sich in den 1960er gründete und bis heute | |
aktiv ist, hatte den Einfall, dass alle Schreibformen, Gedichte oder | |
Prosatexte, nur unter bestimmten Regeln funktionieren. | |
Wie kann ich mir das vorstellen? | |
Beim Gedicht ist das Reimschema vorgegeben, aber es gibt ganz viele Formen | |
der Literatur, die sich unterschiedliche Regeln auferlegen: etwas das | |
Anagramm oder verschärft das Palindrom, wo man einen Satz oder ganzen Text | |
von hinten lesen kann und er dennoch Sinn ergibt. Autoren der Oulipo, wie | |
Raymond Queneau, Georges Perec oder Eugen Helmlé verschrieben sich solchen | |
Formzwängen. Das ist an sich nicht neu: Im Barock etwa gab es Bücher ohne | |
den Buchstaben „R“. Es ist etwas sportliches dabei. | |
Eine reine Sprachspielerei? | |
Perec hat einen ganzen Roman ohne den Buchstaben „E“ geschrieben – „La | |
Disparition“, auf Deutsch: „Anton Voylz Fortgang“. Er handelt vom | |
Verschwinden, vom Sterben, von der Vernichtung und verzichtet dabei auf den | |
allerwichtigsten Buchstaben. Das thematisiert den Mangel und das Fehlen und | |
ist keine Spielerei. | |
Inwiefern kann man die Kunst des Oulipo als eine politische begreifen? | |
Französische Intellektuelle sind meist sowieso kritisch und links, so ist | |
es auch bei den Autoren des Oulipo. Die Texte sind immer Reflexionen über | |
die Sprache, Reflexionen über das angewandte Verfahren. Wenn man das „E“ im | |
Deutschen weglässt, bleiben nur noch Kommando-Worte übrige: „Hau ab“, | |
„Marsch“, „Vorwärts“. Insofern ist es sehr politisch, es regt das | |
Nachdenken über die Sprache ungemein an. Interview:Jean-Philipp Baeck | |
20 Uhr, Gästehaus der Uni, Teerhof | |
1 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
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