# taz.de -- Recherche-Literatur: „In der Not fing ich an zu schreiben“ | |
> Die nordfriesische Autorin Kari Köster-Lösche schreibt historische Romane | |
> mit Bodenhaftung. Das sie mal im fernen Frankfurt am Main als | |
> Wissenschaftlerin tätig war, ist heute das Fundament ihres Schaffens | |
Bild: Hallig Langeneß: Hier lebt Kari Köster-Lösche im Herbst und Winter. | |
SÜDERLÜGUM taz | Soweit in die jüngere Zeit hat sich Kari Köster-Lösche | |
bisher noch nicht vorgewagt: ins Jahr 1924. Hier spielt ihr jüngster | |
historischer Krimi "Der Tote am Hindenburgdamm", der von den politischen | |
Konflikten erzählt, die auf der Insel Sylt ausbrechen, als ein Damm zum | |
Festland erbaut wird: Die einen sind dafür, die anderen dagegen. | |
"Man könnte meinen, die Menschen auf den Inseln wären damals unpolitisch | |
gewesen. Aber das waren sie nicht", erzählt sie. Sehr sorgsam hat sie | |
recherchiert, wie seinerzeit die Konfliktlinien verliefen: Manche Insulaner | |
sympathisierten für die Deutsch-Nationalen, andere für die Kommunisten - | |
und dann gab es die, die dieser neuen Partei zugeneigt waren, deren | |
Anführer so brüllte und schrie. | |
## Zwangsversetzt nach Sylt | |
Schon schreibt sie an der Fortsetzung um ihren Kriminalinspektor Niklas | |
Asmus, der von der Stadt aus nach Sylt zwangsversetzt wurde und der sich im | |
zweiten Buch langsam auf der Insel einlebt: "Das Buch hat vielleicht ein | |
spannendes Thema!", ruft sie begeistert aus, als würde sie es nicht gerade | |
Seite für Seite schreiben, sondern es bereits als fertiges Werk im Sessel | |
sitzend lesen. | |
Kari Köster-Lösche kann man unumwunden eine Erfolgsautorin nennen, auch | |
wenn sie wohl nie auf die Vorschlagsliste zum Büchner-Preis gelangen wird. | |
Gut 40 Titel kann sie vorweisen - vorzugsweise historische Romane, die | |
gerne ins Hochmittelalter führen: "Das Drachenboot" oder "Das Deichopfer" | |
oder "Die letzten Tage von Rungholt". Dazu kommen Fachbücher wie ein Essay | |
über Seuchen: "Immerhin im Insel Verlag erschienen, das hat nicht jeder", | |
sagt sie. | |
Dabei sah es lange nicht danach aus, als würde sie Karriere als Autorin | |
machen. 1946 wird sie als Kari Köster in Lübeck geboren, als Kind einer | |
Reedersfamilie aus Rostock. Sie ist drei Jahre alt, da zieht die Familie | |
nach Schweden. Ihre Mutter hat schwedische Wurzeln; ihr Vater lehrt als | |
Geologe erst an der Universität von Uppsala, dann in Lund in Schonen. | |
Das akademische Milieu hat sie geprägt: "Meine Eltern haben mich überall | |
mit hingenommen, wo Erwachsene waren und wo ich etwas anfassen konnte: | |
Steine, Versteinerungen, Modelle, Präparate." Sie erinnert sich an eine | |
traumhafte Kindheit, einerseits: "Es war tatsächlich wie bei Pippi | |
Langstrumpf, immer spielten wir draußen, fuhren ins Sommerhaus, die langen, | |
hellen Nächte, dazu die Essenstafeln im Garten." | |
## Muttersprache Schwedischd | |
Andererseits sind da die Jungs, die sie, die Deutsche ärgern, schubsen, | |
durch die Straßen jagen: "Das kam, das muss man leider sagen, meist von den | |
Eltern aus der linken Ecke." Dabei ist ihre Muttersprache damals | |
Schwedisch. Als nach der vierten Klasse entschieden wird, wer aufs | |
Gymnasium kommt, ist sie nicht dabei: "Man hat wohl seitens der Lehrer | |
meine Noten gedrückt", vermutet sie. | |
Ihren Eltern bot man nicht den schwedischen Pass an, wie es nach einem so | |
langem Aufenthalt üblich war. Und so ging die Familie zurück nach | |
Deutschland, nach Frankfurt. Für das Gymnasium musste sie nicht mal eine | |
Aufnahmeprüfung machen. "Ich musste für die Lehrer nur regelmäßig meinen | |
Namen auf Schwedisch sagen und sagte dann ganz ernst ,Kaari Köschter' und | |
die waren begeistert." | |
Nach der Schule studiert Kari Köster Tiermedizin und geht in die Forschung. | |
"Mir war schnell klar, dass mir das mehr liegt als Ferkel zu kastrieren. | |
Und die Schnacks von den Bauern muss man auch nicht ein Leben lang hören." | |
Sie promoviert über Pseudomonas Aeruginosa - Bakterien, die die Lunge | |
befallen können. "Ich habe ein sehr verwandtschaftliches Verhältnis zu | |
Bakterien; das sind mit die liebsten Tiere." Danach forscht sie zu | |
Knochenersatzmaterialien. | |
## Der erste Roman | |
Der Bruch kommt 1985, als sie mit ihrem Mann ins nördlichste Nordfriesland | |
geht. Sie erwartet ihr erstes Kind. "Da stellt einen sowieso niemand ein." | |
Was tun? Doch noch als Tierärztin arbeiten? Die gibt es dort haufenweise, | |
da hat man nicht auf sie gewartet. "In meiner Not fing ich an zu | |
schreiben", sagt sie. Und zwar ein Buch über den Typus des nordfriesischen | |
Bauernhauses, in dem sie mit ihrem Mann bis heute lebt und das sie damals | |
begannen, in seinen ursprünglichen Zustand zurückzubauen. | |
Solide Recherche ist dafür notwendig, bauliche Details müssen erkundet | |
werden. "Als das Buch fertig war, habe ich mir gedacht: Es wäre doch ganz | |
hübsch, wenn ich da jetzt Personal reinsetze." Und so schreibt sie ihren | |
ersten Roman: "Die Pesthexe von Tondern". "Dabei geht es weniger um Hexen, | |
sondern um die Ratten, wie sie die Pest übertrugen, also um | |
Medizingeschichte." Und es geht um die dänische Stadt Tondern, um | |
Architektur und die nicht einfache deutsch-dänische Lokalgeschichte. | |
Diesem Prinzip ist sie treu geblieben: Erst recherchieren, sich fachlich | |
auf bestem Stand bringen, dann schreiben, ausschmücken. "Ich verabscheue | |
Autoren, wenn ich bei ihnen entdecke, dass sie nicht wussten, worüber sie | |
geschrieben haben. Ich schreibe nur über das, worüber ich mich auskenne." | |
Und so hat sie es in den letzten knapp dreißig Jahren gehalten - ist in die | |
Türkei gereist, nach Sizilien, nach Portugal, um die Orte genauestens zu | |
erkunden, die Schauplatz ihrer Romane werden sollten. Zuweilen waren ihre | |
Familienurlaube Recherchereisen, in die alle eingespannt wurden. | |
## Zweitwohnsitz Hallig | |
Genaue Ortskenntnisse zeigen auch ihre vier Romane um den | |
Wasserbauinspektor Sönke Hansen, die auf der Hallig Langeness im Jahr 1894 | |
verortet sind: Auf Langeness hat sie eine Art Zweitwohnsitz, ist hier | |
vorzugsweise im Herbst und Winter anzutreffen. "Erst nachdem mein Mann und | |
ich dort lange lebten und fast so etwas wie Einheimische wurden, hab ich | |
mich getraut über die Hallig zu schreiben." | |
Kari Köster-Lösche ist streitbar. Ende der 90er profilierte sie sich als | |
eine der entschiedensten Kritiker am Umgang der Behörden mit der | |
Rinderseuche BSE. Ihr Rat, unbedingt auf Rindfleisch zu verzichten, | |
bescherte ihr gerade im Agrarland Schleswig-Holstein viele Anfeindungen, | |
bis hinein ins Private: "Meine Tochter musste sich in der Schule anhören: | |
,Deine Mutter ist doch die, die uns die Milchpreise verdirbt.' Sie ist | |
gemobbt worden, bis wir sie nach Flensburg in die Stadt umschulten." | |
Diese Kämpfe sind nun mit zeitlichem Abstand in ihren Syltkrimi | |
eingeflossen, getreu ihrem Motto: "Man kann nicht in der Mitte sitzen und | |
aus dem, was drumherum geschieht gleich einen Roman schreiben. Da braucht | |
man Abstand, da braucht man Zeit." Auch ihr zwangsweise auf Sylt gelandeter | |
Kriminalinspektor Niklas Asmus ist einer, der sich mit der Obrigkeit anlegt | |
und der lernen muss, genau zu schauen, auf wen seiner Kollegen er sich | |
verlassen kann und wem er mit Recht misstrauen sollte. | |
Kari Köster-Lösche nimmt das Buch in die Hand und sagt: "Aber das macht | |
nichts; das sollen meine Hauptpersonen ruhig durchstehen." | |
## Kari Köster-Lösche: "Der Tote am Hindenburgdamm - ein Sylt-Krimi", | |
Rütten&Loening, Berlin 2013, 272 S., 14,99 Euro | |
21 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Frank Keil | |
## TAGS | |
Sturmflut | |
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